„Hausexplosion im ‚Himmelreich‘ vom Dezember 2012“: Eine Gutachterin, drei Zeugen und eine „Abschieds-SMS“

01.07.14 • JEZT AKTUELL, STARTKeine Kommentare zu „Hausexplosion im ‚Himmelreich‘ vom Dezember 2012“: Eine Gutachterin, drei Zeugen und eine „Abschieds-SMS“

JEZT - Lichtstadt.News - Schwere Explosion eines Wohnhauses in Jena vom Dezember 2012 im Wohngebiet Himmelreich

(LN / BECK | 2014-07-01) – Weiterer Verhandlungstag am Amtsgericht Jena zur Explosion eines Einfamilienhauses im Wohngebiet „Himmelreich“ am 09.12.2012. Diese soll, so die Anklageschrift, ein damals 44-jähriger Jenaer vorsätzlich „durch Manipulationen an der Gasleitung“ (so die Anklageschrift) herbeigeführt haben.

Gestern stufte eine Gutachterin den Angeklagten als „vermindert schuldfähig“ ein, so dass er auf Milde hoffen kann. Seine Version, er könne sich an nichts mehr erinnern, was mit der Explosion in Zusammenhang stehe, erhielt jedoch keine gutachterliche Unterstützung. Außerdem sagten frühere Partnerinnen des Angeklagten aus; eine berichtete von einer „Abschieds-SMS“ des Mannes.

Geladen war am Montag als Gutachterin Dr. Helmburg Göpfert-Stöbe, eine forensische Psychiaterin. Diese  attestierte dem Angeklagten ein erheblich eingeschränktes Steuerungsvermögen zur Tatzeit. „Eingeschränkt“ meine aber nicht „aufgehoben“ sagte sie dem Schöffengericht, was bedeute, dass aus psychiatrischer Sicht eine gewisse Schuldunfähigkeit bestehe. Der Angeklagte hatte zudem Erinnerungslücken angegeben, da er nach einem Streit eine erhebliche Menge Gin getrunken hätte, was Göpfert-Stöbe aber im Grunde ausschloss, da ihr eine über Stunden währende Gedächtnislücke nicht plausibel erschien. Außerdem, so sagte die Gutachterin, sei der Alkoholpegel nicht hoch genug gewesen, um eine Amnesie zu begründen.

Vor dem Schöffengericht machte anschließend die frühere Lebenspartnerin Angaben zu den tieferen Hintergründen der Explosion. Seit 2010 habe der Hausbau die Beziehung zwischen ihr und dem Angeklagten belastet, da ihr damaliger Partner wegen seines Bandscheibenvorfalls die notwendigen und fest eingeplanten Eigenleistungen nicht mehr zu erbringen im Stande war. Die hohen Kreditbelastungen und Panikattacken, dass das Haus nicht rechtzeitig bezugsfertig wird. „hat damals keinen von uns ruhig schlafen lassen“, wie sie sagte. Mit Müh und Not habe man den Einzug über die Bühne bekommen, aber danach seien die zwischenmenschlichen Probleme nicht weniger geworden, so dass man sich 2012 nach acht Jahren Beziehung schließlich trennte.

Der Angeklagte habe dann wieder den Kontakt zu einer früheren Partnerin gesucht, mit der er eine gemeinsame Tochter hat. Beide habe der Angeklagte dazu überredet in das Haus einzuziehen. Das sei für sie eine unerträgliche Situation gewesen, berichtete die 48-Jährige unter Tränen. Obwohl ihr die Immobilie zur Hälfte gehörte, musste sie sich mit dem Gästezimmer begnügen, in das sie sämtliche persönlichen Gegenstände bringen musste; sie sei dadurch im Grunde obdachlos geworden und habe bei Freunden und Kollegen übernachten müssen.

Letzten Endes habe sich die 48-Jährige gegenüber dem Angeklagten bereit erklärt, sich aus dem Grundbuch austragen zu lassen, wie diese berichtete. Die Bedingung hierfür sei gewesen, dass ihr Ex-Partner sie aus dem Kreditvertrag entlässt. Zum Notar­termin kam es jedoch vor der Explosion des Hauses nicht mehr – mit fatalen Folgen, denn die frühere Partnerin des Angeklagten steht bis heute in der Pflicht, die Bankkredite zu tilgen. Zudem ist das Trümmerfeld auf dem Grundstück auch anderthalb Jahre nach der Hauszerstörung nicht beseitigt und es lägen viele Forderungen Dritter auf ihrem Tisch, wie sie berichtete. Von der Hausexplosion habe sie erst aus dem Radio erfahren, sagte sie dem Gericht. Danach habe sie ihr Handy in die Hand genommen und darauf eine „Abschieds-SMS“ des Angeklagten entdeckt.

Probleme mit dem Angeklagten berichtete gestern auch die Lebensgefährtin, mit der er eine Tochter hat. Als sie ihm am 2. Advent 2012 ankündigt habe, für vier Tage bei einem Bekannten auf dessen Katzen aufzupassen, weil dieser auf Montage war, habe der Angeklagte die Faust gegen sie erhoben, sagte die 36-Jährige. In diesem Moment habe sie entschieden, sich noch am Abend mit der Tochter aus dem Haus des Angeklagten abholen zu lassen. In der folgenden Nacht sei sie von der Polizei aus dem Bett geklingelt worden.

Letzter Zeuge am gestrigen Verhandlungstag war ein Nachbar, der am Tatabend mit seinem Hund zwischen 19 und 20 Uhr im „Himelreich“ unterwegs war und „fünf, sechs Hammerschläge aus dem Keller des Hauses“ gehört hatte. „Ich dachte, es bastelt jemand an der Modellbahnanlage“, sagte der Zeuge aus. Die Anklage geht davon aus, dass der Hausbesitzer in diesem Moment das Gasheizungsrohr zwischen Ventil und Zähler beschädigt hat. Obwohl ein Sicherheitsmechanismus ausgelöst worden sei, strömte dennoch Erdgas aus, welches anschließend explodiert ist.

Näheres hierzu soll am nächsten Verhandlungstag geklärt werden.





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