17 TAGE EUROPA | Mittwoch 2002-08-07 | EIN GANZES MUSEUM FÜR EINEN EINZIGEN MANN
Der vierzehnte Tag: Den Helder/Amsterdam/Uttrecht/Arnheim/BAB 3 Raststätte Hünxe
Losung am 7. August
„Ich kann nichts dafür, daß meine Bilder sich nicht verkaufen lassen.
Aber es wird die Zeit kommen, da die Menschen erkennen,
daß sie mehr wert sind als das Geld für die Farbe.“
(Vincent van Gogh in einem Brief an seinen Bruder Theodore)
Früh um sechs Uhr fahre ich los in Den Helder Richtung Amsterdam und „de Nederlande“ sind immer noch so klein, dass ich bereits um kurz vor sieben Uhr in Amsterdam bin. Zeit genug einen Rastplatz anzusteuern um ein bisschen „Radio 2“ zu hören und ein wenig an den Büchern weiterzuarbeiten. Geregnet hat es in der Nacht und das hat mit der Bodenfeuchtigkeit zu tun oder mit „de Unstabiliait van de Atmosphaere“ (wie es mir der Radiosprecher erklärt) die im Laufe des Tages als Wasserdampf in die Wolken steigt und ab dem späten Nachmittag hier und da als Regen herunterkommt.
Aber wenn morgens die Sonne erst einmal aufgegangen ist, dann bleibt es trocken; heute war das genau um 6 Uhr 55 der Fall. Man muss also nur abwarten können. Punkt neun Uhr am vierzehnten Tag meiner Reise wird Amsterdam besucht: man ist und bleibt ja schließlich Deutscher mit aller Vergangenheit und aus dieser Geschichte kommen wir so schnell nicht raus. Nicht zuletzt wegen Annelies Marie aus Frankfurt am Main.
Mein Auto verstaue ich in einem Parkhaus, dass sich „EuroParking“ (ich finde es nett, dass man sich in so vielen Ländern auf meine Europareise gefreut und sich darauf vorbereitet hat) und mir einen Stundenpreis von 3 Euro für seine Dienstleistung offeriert. Deshalb fahren die Amsterdamer also immer noch am Liebsten mit ihrem Fahrrad – schon wieder habe ich etwas gelernt. Zwar hätte ich meinen Mercedes auch vor den Toren der Stadt auf einem Park&Ride-Platz abstellen können, aber hier gilt der alte Autofahrerregel „Immer nur soviel im Auto zurücklassen, wie der Dieb tragen kann!“.
Die Amsterdamer Grachten sind voller Hausboote und die darum gebauten Straßen voller Menschen, denen man sofort ansieht, dass sie entweder Gast in Amsterdam sind oder Gastgeber. Als ich mit Deutschland telefonieren möchte und mich gerade mit den Tücken eines Kreditkartentelefons befassen muss, geht eine Mitfünfzigerin, die hier so gar nichts mehr mit „Madame Fleury“ aus dem Elsaß gemeinsam hat, auf einen neben mir stehenden Gast zu und bittet ihn um eine kleine Spende. Für sich selbst.
Mein Nachbar, der offenbar die gleichen Probleme mit seinem Telefon hat wie ich, gibt ihr eine klare Antwort: „Piss off!“. Das hört die ältere Dame gar nicht gern und lässt im besten Englisch Schimpfkannonaden auf den Mann los, jedenfalls soweit das ihr fast zahnloser Mund zustande bringt. Ich kann die Worte und Sätze hier überhaupt nicht wiedergeben, denn es war so viel Hass darin, dass es mir unmöglich war, alles zu behalten. „Hurensohn“, „Verf… Drecksack“ und „Mothafucka“ bekomme ich noch zusammen. Mittlerweile hatte der Mann seine telefonische Verbindung zustande gebracht, aber an ein Telefonieren war überhaupt nicht zu denken, denn die Frau hatte das Szenario akustisch voll im Griff.
Im leichten Nieselregen gehe ich weiter durch die Stadt, vorbei an Coffeeshops, die nach frischen Kräutern duften, an einem Automatenrestaurant, in dem fleißige Asiaten von hinten frische Frühlingsrollen und Hamburger in die Fächer schieben und in denen man von vorn gegen den Einwurf von Münzen das Essen noch fast warm herausnehmen kann. Dem Kulinarischen habe ich mich in meiner Reisebeschreibung der letzten Tage durchaus verwehrt, denn meine Mahlzeiten bestnadne aus Fast-Food und Dosennahrung. Hier in Amsterdam bieten mir die Automaten nun „kaassoufle“, „satekroket“ und grillburger“ an, und zwar „de lekkersste!“, die man sich vorstellen kann. Ich koste … und bin auch schon bedient: Bedankt!
Ich laufe vorbei an Schoko- und Zuckerwarenläden, an Tabakgeschäften in denen man (so wie ich) eine Kiste mit frisch gedrehten „Wilde Havannas“ erstehen kann, an Hippies, die sich in den Parks Amsterdams wie vor 35 Jahren fühlen (obwohl viele von ihnen vor 35 Jahre noch gar nicht geboren waren), vorbei an Straßenbahnen und Souvenierläden, die die Amsterdamer Tulpen entweder als Zwiebeln oder als Holzplagiat anbieten. Und dann habe ich das Ziel meiner Reise erreicht: Ein Museum ganz allein nur für einen einzigen Mann.
Nein, dieser Mann hat nun gerade NICHT die Photographie erfunden. Hier ist seine Geschichte, jedenfalls aus meiner persönlichen Sicht:
Vincent war sechzehn Jahre alt, ein junger Mann ohne konkrete Ziele. Deshalb entschieden seine Eltern für ihn, dass er in der Kunsthandlung seines Onkels einen soliden Beruf erlernen soll. Dort stellte man jedoch bald fest, dass Vincent keine Freude an der Arbeit in einem engen Büro verspürte – immer wieder schlich er sich während der Arbeitszeit ins Freie. Nach vier Jahren wurde er deswegen zuerst in eine Filliale nach London versetzt, aber auch da machte er seinen Vorgesetzten keine rechte Freude. Also verschob man ihn 1875 in die Pariser Filliale der Kunsthandlung. Dort, an der Seine, gefiel es Vincent zwar, aber die kunsthändlerische Arbeit, das war wirklich nicht seine Welt. 1876 trennte sich sein Onkel von ihm, schickte ihn zurück nach Holland. Vincent war gescheitert und seine Eltern ratlos.
Inzwischen arbeitet sein jüngerer Bruder Theodore an Vincents Stelle in der Kunsthandlung des Onkels und war dabei wesentlich geschickter. Doch die Familie bewegte nur die eine Frage: Aber was sollte bloß aus Vincent werden? Der war inzwischen schon 24 Jahre alt und hatte immer noch keine Lebensperspektive. Die suchte er schließlich in einer Ausbildung zum Pfarrer. Mit Inbrunst und Leidenschaft widmete sich Vincent van Gogh der Vorbereitung auf das Theologiestudium. Jedenfalls zuerst. Doch das strikte, strenge Studium der Religionswissenschaft dauert ihm zu lange und so bricht er es ab und wird Laienprediger. Eine weitere Enttäuschung für seine Eltern.
Im Süden Belgiens findet er tatsächlich eine Anstellung als Evangelist. Eine karge Gegend und da muss man als Kirche seine Ansprüche ein wenig nach unter schrauben, ist froh, dass sich überhaupt jemand findet, der dort predigen will. Und trotzdem: in seiner Art ist Vincent der belgischen Kirche zu offen, den Bauern ist er zu fromm, sich selbst ist Vincent nicht fromm genug. das „Experiment“ wird abgebrochen, seine Stelle nicht verlängert.
Wer 26 Jahre alt ist und als junger Mann schon zwei Mal den Weg in den Beruf nicht geschafft hat, der ist im Holland des 19. Jahrhunderts gescheitert – genauso wie es auch anderswo zu dieser Zeit gewesen wäre. Da kann der Junge so viele versteckte Talente haben, wie er will. Die Eltern geben ihren Sohn auf, entziehen ihm die weitere Unterstützung. Allein sein Bruder Theo, ist überzeugt davon, dass aus Vincent noch etwas werden kann. „Schaut nur“, sagt er, „wie gut Vincent malen kann.“ Auch die Eltern werden wieder aufmerksam auf das „schwarze Schaf“ der Familie. Vincent schöpft Hoffnung und zeigt seine Bilder zum ersten Mal seinen Eltern. Man staunt nicht schlecht. Die nächsten sechs Jahre verbessert er stetig seine Maltechnik.
Geld verdienen lässt sich damit jedoch nicht, denn Vincents Bilder sind sehr dunkel, ganz im Stile der alten holländischen Schule gemalt. Die „Kartoffelesser“ zum Beispiel sind handwerklich hervorragend gemalt, aber selbst Theo sieht (und er hat das professionelle „Sehen“ in der Kunsthandlung des Onkels schließlich gelernt): die Bilder sind viel zu dunkel. So etwas kauft kein Mensch.
Deshalb schlägt er den Eltern vor, der Bruder könne doch einige Zeit nach Paris gehen, wo es ihm ja schon einmal gefallen hatte. Dort sind jede Menge Künstler und damit Förderung und Inspiration für brachliegende Talente. Die Eltern lehnen weiter eine finanzielle Unterstützung von Vincent ab. Da entschließt sich Thea, das Geld selbst aufzubringen, er verdient nicht schlecht und könnte Vincent etwas davon abgeben. Der möchte jedoch keine Almosen haben. deshalb bietet Theodore seinem Bruder einen Deal an: Vincent soll, wenn er seine Bilder nicht verkaufen kann, Theo die Bilder zuschicken und der schickt ihm dafür Geld. Vincent willigt ein: der Deal zwischen den Brüdern ist perfekt.
1886 – da ist er schon 33 Jahre alt – zieht Vincent nach Paris und erkennt dort von selbst, dass sein Malstil, den er sich mit viel Mühe in Holland erarbeitet hatte, hoffnungslos veraltet ist. Vincent van Gogh entwickelt sich in Paris weiter, eignet sich in nur zwei Jahren einen völlig anderen Malstil an. Nun sind seine Bilder extrem farbig und er probiert stets neue Techniken aus. Portraitmaler will Vincent nun werden, ist sich mit einem Mal völlig sicher. Sein bestes Modell ist er selbst. Er malt Selbstbildnis um Selbstbildnis, alle unsigniert, denn sie sind ja nur Versuche. Aber jedes Bild sieht anders aus. Mal getupft, mal auf Karton. Das nächste mit dicker Ölfarbe auf Holz, eine anderes auf Leinwand.
Theo ist einerseits erfreut über die Fortschritte seines Bruders, andererseits braucht sich Vincent nicht zu wundern, dass er keine Kundschaft hat. Wenn jedes Bild anders aussieht, dann kann sich kein potentieller Kunde sicher sein, wie sein Portrait am Ende aussehen wird. Theo könnte vielleicht die Landschaftsbilder seines Bruders verkaufen, doch entschließt er sich dazu, alle aufzuheben. Und er schickt Vincent weiter Geld.
Der wiederum nimmt derweil kaum Nahrung zu sich, ist abgemagert. Was er Theo in den vielen Briefen, die sie miteinander austauschen, nicht schreibt: so gut wie alles Geld von legt er in Ölfarbe und Leinwand an. Seinem Zimmer duftet stets nach frischer Farbe. Und dies obwohl er am liebsten im Freien malt.
Nach zwei Jahren zieht er um nach Südfrankreich, will dort mit seinen Freunden Henri de Toulouse-Lautrec und vor allem Paul Gauguin eine Künstlerkolonie errichten. Damit Theo weiß, wie es bei ihm „zuhause“ in Arles aussieht, hat er ihm schon einmal das Schlafzimmer abgemalt. Gerne (schreibt Vincent an Theo) würde er bei sich Freunde aufnehmen, aber es würden leider so wenige kommen. Toulouse steckt meistens in irgend einem Bordell fest, aber Gauguin käme bald zu Besuch.
Doch Vincents Zimmer sind klein und karg, die Wände sind so leer. Allerdings ist das für einen Maler kein Problem. Sonnenblumen mag Gauguin sehr, das weiß Vincent. Also malt er seinem Freund einen Strauß und hängt ihn, die Ölfarben sind noch frisch als Gauguin eintrifft, einfach an die Wand.
Aber der will nicht bei Vincent bleiben, ist dessen Idee einer Künstlerkolonie nicht gewogen: man streitet sich, heftigst. Paul Gauguin muss wieder zurück nach Paris. Vincent ist einsam. Er schreibt seinem Bruder, dass er sich freuen würde, wenn dieser eine Zeit lang zu ihm nach Arles ziehen könnte. Außerdem schreibt er seinem Bruder, dass er manchmal ohnmächtig wird oder Wahnvorstellungen hat. Wahrscheinlich käme das von den Ölfarben. Und noch etwas müsse er ihm beichten: Vincent hat sich nach dem Streit mit Gauguin ein Ohr abgeschnitten.
Theo kommt sofort nach Arles und ist beunruhigt, als er feststellt, dass Vincent gesundheitlich stark angegriffen ist. Nicht nur körperlich. Sein Bruder stark untergewichtig, der Rest seines Ohres hat sich entzündet. Aber Vincent hat auch oft psychotische Anfälle. Theo kennt dies von der gemeinsamen Schwester Wilemina. Er redet auf den Bruder ein und bittet ihn, sich umgehend in eine Nervenheilanstalt zu begeben, damit dieser sich „beruhigen“ kann, wie Theodor es ausdrückt. Vincent willigt ein, erklärt sich freiwillig zu einem einjährigen Aufenthalt im Hospital von St. Rémy bereit. Seine Bedingung: er möchte dort weiter malen dürfen. Der Leiter des Hospitals stimmt zu.
Kurz bevor er in das Hospital geht, besucht er noch einmal die Gegend um Arles, prägt sich vor seinem inneren Auge alles ein, skizziert das was er sieht: die am Strand liegenden Fischerboote, die Hebebrücke, die Weizenfelder. Und er malt all dies anschließend in St. Rémy aus dem Gedächtnis heraus; darunter viele seiner besten Bilder. Vincent van Gogh malt in diesem Jahr Bild um Bild. Es entstehen so viele Bilder am Stück wie niemals zuvor. Es sind die Sonnenblumen für seine Seele. Mit seinen Bildern will Vincent seine Welt missionieren, nicht mehr die Menschen. Und doch verbessert sich seine geistig Gesundheit nicht.
Nach einem Jahr wird er aus dem Hospital von St. Rémy entlassen. Vincent zieht in die Nähe seines Bruders ins dörfliche Auvers-sur-Oise nahe Paris. Theo ist zuversichtlich: Viele bekannte Künstler haben dort schon gewohnt. In Auvers gibt es auch einen guten Arzt, Kunstfreund und Amateurmaler: Paul Gachet. Dieser kümmert sich gerne und intensiv um Vincent und bekommt dafür von diesem ein Portrait gemalt.
Um dem holländischen Maler eine Freude zu machen kauft Dr. Gachet ihm das Bild ab. Kaum zu glauben, aber es ist das erste Mal in seinem Leben, dass Vincent ein Bild verkauft hat. Vincent van Gogh fühlt diesen Glücksmoment sehr intensiv und spürt in Auvers-sur-Oise zugleich, dass er sich, seine Seele und seine Inspiration verbraucht hat. Die Folge ist eine Mal-Blockade – ein durchaus üblicher Zustand bei Künstlern, die wie Besessene eine bestimmte Zeit lang rund um die Uhr gearbeitet haben. Aber bei Vincent verdüstert das Verwelken seiner inneren Sonnenblumen den Seelenzustand.
Anfang Juli 1890 besuchte er Theodore und dessen Familie in Paris. Vincent sagt Theo ganz offen, dass er nicht mehr malen könne, fragt seinen Bruder, wie es mit ihn weitergehen solle. Theo versucht zu beschwichtigen, doch es kommt zu Auseinandersetzungen, Handgreiflichkeiten. Mitte Juli schreibt Vincent an seinen Bruder, er könne nicht mehr malen, da er „ausgebrannt“ sei und keine Ideen mehr für neue Bilder habe. Den Brief beendet mit den Worten: „Ich empfinde es als mein Schicksal, das ich annehme und das sich nicht mehr ändern wird“.
Theo hat nicht die Zeit und die Kraft, sofort zu reagieren. Und sein Bruder streift unstet in der Gegend um Auvers-sur-Oise umher, als suche er weiterhin verzweifelt nach dem Funken der Inspiration. Am 27. Juli 1890 findet Vincent van Gogh zufällig ein Gewehr und schiesst sich damit in die Brust. Hierfür kann es mehrere Gründe geben. Eine mögliche Erklärung ist späterhin die, dass er seinem Bruder finanziell nicht weiter zur Last fallen wollte, da dieser inzwischen eine Familie zu ernähren hatte.
Am 29. Juli 1890 stirbt Vincent van Gogh an den Folgen der Schußverletzung, ohne dass Dr. Gachet oder der herbeigeeilte Theodore ihm noch hätten helfen können. Theo kann diesen Selbstmord nicht verwinden. Hat er sich zu wenig um den Bruder gekümmert? War er am Ende zu streng zu ihm? War Vincents Tod gar alleine seine Schuld?
Im darauf folgenden Oktober 1890 erleidet Theodore van Gogh einen schweren nervlichen Zuammenbruch, ein halbes Jahr nach Vincent stirbt auch er. Beide liegen vereint auf der Friedhof von Auvers-sur-Oise. Theos Witwe Johanna lagert alle Bilder, die Vincent jemals an ihren Mann geschickt hatte, auf dem Dachboden des Hauses. Alle sind sie noch da. Keines hatte Theo weiterverkauft, keines hat Johanna abgegeben: insgesamt rund 250 Stück. Von Vincent van Gogh selbst gibt es allerdings noch viele weitere Bilder, die er zumeist an Bauern zum Tausch gegen Essen gegeben hatte oder an die Menschen verschenkte, die ihm Modell gestanden hatten.
Johanna initiiert um die Jahrhundertwende Ausstellungen von Vincents Bildern und verkauft einige, wenige der Bilder an Sammler. Sie kann hiervon fast schon gut leben, denn durch seinen tragischen Tod (und den ihres verstorbenen Mannes) haben die Bilder Vincent van Goghs in Kunstkreisen schnell an Wert gewonnen. In den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts ordnet sie die verbliebenen Bilder nochmals, es sind nun noch etwas mehr als 200 Stück. Nach Johannas Tod im Jahre 1925 erbt ihr Sohn, er heißt Vincent Willem nach seinem Onkel – zu Ehren seiner Geburt hatte ihm Vincent van Gogh „Aste mit Mandelblüten“ gemalt – die verbliebenen Bilder und weiß sie zu schätzen. Diese hatten, dank der Initiativen der Mutter, in den seit Vincents Tod vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten, das Interesse zeitgenössischer Künstler und der Kunstwelt gefunden.
Der Name Vincent van Gogh hatte inzwischen einen eigenen Klangin der Kunstwelt bekommen, alleine durch seine Werke. Deshalb bittet sein Neffe den niederländischen Staat darum, ein Museum für die Bilder zu finden. Und zwar ein ganzes Museum alleine für seinen Onkel. Wenn dies gelänge, so Vincent Willem van Gogh, könne er sich vorstellen, alle in seinem Besitz verbliebenen Bilder Vincent van Goghs und dazu noch den gesamten Schriftverkehr zwischen seinem Vater Theo und dessen Bruder in eine Stiftung zu überführen und diese würde alles anschließend dem Niederländischen Staat als Dauerleihgabe zur Verfügung stellen.
Rund sechs Jahrzehnte nach Vincent van Goghs Ableben wird diese Idee aufgegriffen, im Jahr 1962 die beabsichtigte Stiftung gegründet. Ein Jahr später gewinnt man den Stararchitekten Gerrit Rietveld für die Konstruktion eines Van-Gogh-Museums. Knapp achtzig Jahre nach Vincent van Goghs Tod und noch zu Lebzeiten seines Neffen kam es zur Eröffnung des Museums in Amsterdam. Vincent Willem hatte damit sowohl das Vermächtnis seiner Mutter, seines Vaters als auch das seines Onkels erfüllt. Und erstmals konnten sich alle Menschen in Ruhe die Originalgemälde Vincent von Goghs ansehen.
So wie ich an diesem Tag, den ich deshalb niemals wieder vergessen werde. Am späten Nachmittag, kurz bevor das Museum seine Pforten schließt, verlasse ich es. Nicht für immer. Nein, denn irgendwann zieht es jeden, der schon einmal dort war, erneut in dieses Museum zurück.
Über Uttrecht fahre ich nach Arnheim und dann wieder zur Raststätte Hünxe, die ich nun von ihrer ganz anderen Seite kennenlerne. Als es schon dunkel ist, schreibe ich diese Zeilen nieder und danach das Ganze noch einmal in einen Brief an meine Nichte Ina. Es ist schon spät in der Nacht, als es draußen stark zu regnen beginnt und ich einschlafe.
Nachtrag: Ich weiß, dies war eine lange Geschichte, aber ich denke, sie war es (und ist es immer wieder und jederzeit) wert, erzählt zu werden.
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