„Realität abschaffen“. Ein Überblick zur neuen Spielzeit des Theaterhauses Jena (Teil 1)
9. Oktober 2014 / RIO MÄHRLEIN / Die Wachstumsparty ist vorbei! (Zukunftsforschung mit Songs von Rio Reiser, Benjamin Mährlein und Levi Raphael)
Alle wissen: Die Erde ist ausgesaugt! Trotzdem machen wir weiter, ersticken in Produkten, die wir nicht brauchen, verschließen die Augen vor deren Entstehungsbedingungen, und trotzig erklären wir, dass wir – als einzelne – im Zeitalter des globalen Turbokapitalismus nichts daran ändern können. Rio Mährleins multiple Persönlichkeit versammelt ganz verschiedene Perspektiven auf das Thema in sich und sagt und singt: Es wird Zeit, die Komfortzone, in der wir uns eingerichtet haben, zu verlassen. Wachstum für alle! Es gibt nichts, was uns vom Paradies trennt, als unsere Angst. Mit einem Yogateppich, einer Gitarre und einer Loop-Station ausgerüstet, macht sich der Schauspieler Benjamin Mährlein in den Klassenzimmern der Jenaer Schulen und im Theatercafé auf die Suche nach einer glücklich(er)en Zukunft.
Mit Benjamin Mährlein / Regie: Kerstin Lenhart / Musik: Levi Raphael, Benjamin Mährlein / Dramaturgie: Friederike Weidner / Spielort: Theatercafé oder die Klassenzimmer in Jenas Schulen
23. Oktober 2014 / MICHAEL KOHLHAAS von Heinrich von Kleist in einer Bearbeitung von Hannes Weiler
Dem Pferdehändler Michael Kohlhaas wird auf der Burg des Junkers Tronka übel mitgespielt: Die Pferde sind nur noch Haut und Knochen, der Knecht zerprügelt und davongejagt. Doch seine Klage wird von den Gerichten abgewiesen, der Schuldige ist mit Hinz und Kunz verwandt und die haben überall ihre Finger im Spiel. Also greift Kohlhaas selbst zu Schwert und Fackel. Als dann Leipzig und Wittenberg brennen und das ganze Fürstentum vor dem mordenden Kohlhaas und seiner Räuberbande zittert, weiß keiner mehr so genau, wie man in diesen Schlamassel eigentlich hineingeraten ist. Hat die geheimnisvolle Zigeunerin damit zu tun? Die kommt jedenfalls verdächtig bekannt vor und scheint bestens über die Zukunft Bescheid zu wissen. Daran ist auch der Kurfürst von Sachsen sehr interessiert, dummerweise hat aber ausgerechnet Kohlhaas den Zettel mit der Prophezeiung – und den hatte er doch gerade zum Tode verurteilt. Es muss schnell gehandelt werden. Aber Kohlhaas sinnt jetzt nur noch auf Rache und schlägt das Angebot auf Leben und Freiheit lieber aus, als den Zettel herauszugeben. Die Grenzen zwischen Selbstbestimmung und Schicksal, Politik und Privatinteresse, Prinzipientreue und Fanatismus verschwimmen und man fragt sich: warum fallen gerade die mächtigen Männer andauernd von einer Ohnmacht in die andere? Und wo sind eigentlich die Pferde, um deretwillen das ganze Fürstentum wankt?
Hannes Weiler und Florian Dietrich, die letzte Spielzeit mit DELIRIOUS JENA ihre erste Arbeit in Jena zeigten, inszenieren die Geschichte um den berühmt-berüchtigsten Wutbürger der Literaturgeschichte mit einer Schwäche für Heilquellen, Krebse und trinkende Ritter. Mit: Johanna Berger, Roland Bonjour, Leander Paul Gerdes, Anne Greta Weber und Matthias Zera / Regie: Hannes Weiler / Bühne: Florian Dietrich / Kostüme: Bettina Werner / Dramaturgie: Friederike Weidner / Spielort: Hauptbühne
12. November 2014 / BRACHLAND (Uraufführung) von Dmitrij Gawrisch
Ivan und Oleg kommen von „dort“. „Hier“ verstecken die beiden Brüder sich auf einer Baustelle, ohne Essen, ohne Aufenthaltsgenehmigung. Als sie Petra kennenlernen, ändert das für Oleg vieles. Petra ist von „hier“, Ärztin, alleinstehend. Sie hilft den beiden, er zieht bei ihr ein. Die beiden wollen heiraten, Petra wünscht sich ein Kind. Olegs älterer Bruder Ivan ist skeptisch: ist die Beziehung echt? Doch auch er profitiert von Petras Unterstützung. Die Situation ist angespannt: Petra fühlt sich benutzt, Oleg unterdrückt, Ivan unerwünscht. Die unterschiedlichen biografischen Hintergründe, nicht geteilte Erfahrungen, Lügen über die Vergangenheit „dort“, die langsam ans Licht kommen, ein Geflecht aus Angst und Misstrauen stehen zwischen ihnen und machen das Zusammenleben immer unerträglicher. Der ehemalige Jenaer Stadtschreiber Dmitrij Gawrisch (*1982, Kiew) macht ein gesellschaftspolitisches Problem greifbar und nachvollziehbar, indem er es unter dem Brennglas der persönlichen Geschichte dreier Menschen betrachtet.
Mit Ella Gaiser, Marios Gavrilis, Yves Wüthrich / Regie: Anestis Azas / Bühne und Kostüme: Jelena Nagorni / Musik: Eleftherios Veniadis / Dramaturgie: Marcel Klett / Spielort: Unterbühne
4. Dezember 2014 / DETROIT von Lisa D’Amour
Nach THE GLORY OF LIVING und NORA (DOLLHOUSE) steht auch in der neuen Spielzeit im Theaterhaus wieder ein zeitgenössisches amerikanisches Stück auf dem Spielplan: In DETROIT beginnen zwei benachbarte Pärchen in einer amerikanischen Kleinstadt sich anzufreunden. Ben und Mary streiten öfter, seitdem Ben seinen Job verloren hat und seine Zeit vor dem Computer verbringt, um eine Kreditberatungswebsite aufzubauen. Sharon und Kenny haben sich in der Entzugsklinik kennengelernt und wollen ein neues Leben anfangen. Bei den gegenseitigen Einladungen zum Barbecue ist trotz aller Sympathien eine große Anstrengung spürbar; der soziale Druck, unter dem alle vier stehen, ist gewaltig. Jeder bemüht sich, einen guten Eindruck zu hinterlassen, den Standards der Nachbarschaft gerecht zu werden und seine Schwächen hinter der gut gelaunten Oberfläche zu verstecken. Bei einer Party entlädt sich die angestaute Anspannung; allerdings führt die befreiende Ausgelassenheit zu verheerenden Konsequenzen.
Regie: Jan Langenheim / Bühne und Kostüme: Veronika Bleffert & Benjamin Schönecker / Dramaturgie: Friederike Weidner / Spielort: Hauptbühne
29. Januar 2015 / HAMLET / von William Shakespeare
„Hamlet ist die Mona Lisa der Literatur“, schrieb T. S. Eliot 1909 in seinem Essay „Hamlet and his Problems“ und meinte das nicht positiv, er führt weiter aus: „Viele Leute halten Hamlet für ein Kunstwerk, weil er ihnen interessant erscheint, wenige finden Hamlet interessant, weil er ein großes Kunstwerk ist.“
Ob der amerikanische Dramatiker damit Recht hat, muss jeder für sich entscheiden, aber unbestritten ist: Hamlet ist eines der wenigen Stücke, die alle zu kennen glauben. Dabei verbergen sich in Shakespeares großartigem Stück hinter einer spannenden Krimihandlung viele verschiedene Ebenen, die es verdienen, immer wieder auf ein Neues erkundet zu werden. Nicht umsonst sagt der Dänenprinz: „Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, als Eure Schulweisheit sich träumt.“ — Moritz Schönecker, der leitende Regisseur des Theaterhauses, wird sich gemeinsam mit seinem Team und dem Ensemble auf eine Reise in die Welt Hamlets begeben.
Regie: Moritz Schönecker / Bühne und Kostüme: Benjamin Schönecker & Veronika Bleffert / Spielort: Hauptbühne
Februar 2015 / EINE NEUE PRODUKTION DES TEENPARK / Regie: Matthias Pick
11. März 2015 / DER SANDMANN nach E. T. A. Hoffmann
„Ich war verzaubert.“ Bereits in jungen Jahren gerät Nathanael in einen Bann des Magischen, des Ungreifbaren, das gleichermaßen Faszination und Angst hervorruft. Das abendliche Märchen vom Sandmann und ein prägendes Ereignis aus seiner Kindheit lassen in seiner Fantasie ein Bild der Märchenfigur reifen, die fortan alles Böse zu verkörpern und ihn sein Leben lang zu verfolgen scheint. Was nehmen wir wahr, worin liegt die Trennung von Schein und Wirklichkeit? „Der Sandmann“ thematisiert die subjektiv verzerrte Wahrnehmung der Realität, in der sich die Grenze zwischen verzaubernder Fantasie und zerstörerischem Wahnsinn auflöst.
Regie: Eva Großblotekamp / Bühne und Kostüme: Kaja Bierbrauer / Dramaturgie: Martje Schreier / Spielort: Oberstübchen
[DIE FORTSETZUNG gibt es morgen bei JEZT mit Teil 2]
« „Handel und Händler“: Der „Jenaer Wochenkalender 2015“ vom Stadtmuseum und JenaKultur ist jetzt erschienen! „A walk on the wild side“: Deutscher ISS-Astronaut Alexander Gerst war gestern stundenlang auf „Weltraumspaziergang“ »