Bodo Ramelows Antrittsrede als Ministerpräsident Thüringens: „Wir müssen den Weg der Aufarbeitung gehen, wir müssen unseren Anteil mit einbringen!“

06.12.14 • JEZT AKTUELL, START, UNSER JENA & DIE REGIONKeine Kommentare zu Bodo Ramelows Antrittsrede als Ministerpräsident Thüringens: „Wir müssen den Weg der Aufarbeitung gehen, wir müssen unseren Anteil mit einbringen!“

JEZT - Ministerpraesident Bodo Ramelow bei seiner Vereidigung - Foto © ARD

(JEZT / ARD TAGESTHEMEN) – Kurz nach seiner Vereidigung zum Ministerpräsidenten im Erfurter Landtag hat LINKE-Chef Bodo Ramelow dort seine Antrittsrede gehalten, aus der die ARD „Tagesthemen“ gestern folgende Ausschnitte gesendet haben:

Als jüngerer Mensch habe ich über einen Satz von Bundespräsident Johannes Rau immer ein bisschen gelächelt. Heute weiß ich, dass dieser Satz viel bedeutsamer ist, wie ich ihn damals wahrgenommen habe. Sein Leitmotiv hieß „versöhnen statt spalten“, und ich glaube, daran wird sich die neue Landesregierung messen lassen müssen und daran werde ich auch mich persönlich messen lassen müssen. Nur wer den anderen so behandelt, wie er selbst von ihm behandelt werden wollte, nur so können wir den Menschen glaubhaft vermitteln, dass Solidarität, Fairness und Respekt uns alle zusammen weiterbringt. (…) Fast die Hälfte der Menschen in Thüringen ist bei der Landtagswahl zu Hause geblieben. Mich sorgt das sehr und ich glaube, wir alle hier im hohen Haus sollten das als Herausforderung begreifen, Politik wieder näher an die Menschen zu bringen, damit sie sich einmischen in die Demokratie, die sie sich vor 25 Jahren selbst erkämpft haben. (…)

Auf der Tribüne hat ein von mir sehr wichtiger, väterlicher Freund Platz genommen, und den spreche ich an: Lieber Andreas Möller, die Partei, der ich beigetreten bin, hat in ihrer Quellpartei eine Partei, in deren Namen Du im Gefängnis gesessen hast. Es lässt mich nicht ohne Emotionen, wenn ich weiß, dass Deine Freundschaft zu mir ein langer Weg war und Du mich oft für meine Parteimitgliedschaft attackiert hast und gesagt hast: „Darüber müssen wir reden, weil Deine Partei hat viel Unrecht über Menschen gebracht.“

Andreas Möller hat im Stasi-Knast in Potsdam gesessen, er hat mich mitgenommen an den Ort, an dem er im Blut gelegen hat. (…) Und ich kann nur sagen, lieber Andreas Möller: Dir und allen Deinen Kameraden kann ich nur die Bitte um Entschuldigung übermitteln und kann sagen, die Landesregierung und unsere drei Parteien haben sich deswegen so intensiv mit dem Thema Aufarbeitung und DDR-Unrecht beschäftigt und einiges in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, was wir angehen wollen. Mit denen, die mit uns gemeinsam diesen Weg gehen wollen. (…)

Ich habe in den letzten Tagen häufig gehört, dass heute ein historischer Moment sei. Nein, der historische Moment war gestern vor 25 Jahren in Erfurt, als die Erfurterinnen und Erfurter sich aufgemacht haben, die Machtzentrale des Machtapparates friedlich zu besetzen und damit den Prozess eingeleitet haben, der es erst möglich gemacht hat, dass ich heute hier stehen kann. Und deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir gemeinsam den Weg der Aufarbeit gehen. Und deshalb, meine Damen und Herren müssen wir unseren Anteil mit in diese Aufarbeitung hineinbringen. (…) Und ich möchte, dass die Staatskanzlei ein offenes Haus wird für das Parlament und für die regierungstragenden Parteien. Ich denke aber, auch wir müssen Zeichen setzen für die Menschen, die sich in Thüringen nicht mehr eingebunden fühlen. Langzeitarbeitslose, Menschen die in der Altersarmut sind, an die müssen wir denken. Daran müssen wir uns messen lassen und deshalb haben wir ein ehrgeiziges Programm, und an dem ehrgeizigen Programm wollen wir gemessen werden und dafür bitte ich um eine faire Behandlung wechselseitig.

Hart in der Sache – Mike Mohring* und ich haben uns nie etwas geschenkt – in der politischen Auseinandersetzung. Das erwarte ich. Aber es galt immer Fairness, wenn es für das Land wichtig war.“

* = Anmerkung; Mike Mohring ist der CDU-Fraktionschef im Thüringer Landtag





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