Der 186. bis 190. Verhandlungstag im Münchner “NSU”-Prozess

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JEZT - Inside NSU - Das Original - Abildung © MediaPool Jena

„Inside NSU“ – Das Original – Abildung © MediaPool Jena

Aus Pressemeldungen zusammengestellt von Annett Szabo-Bohr:

24.02.2015: Der 186. Verhandlungstag

Am 186. Tag im Münchner „NSU“-Prozess war eine 46-jährige Altenpflegerin, die noch immer in der Zwickauer Polenzstraße wohnt, in der einst die Wohnung des „NSU“ war, Hauptzeugin vor Gericht. Sie gab an, Beate Zschäpe als „Hausfrau“ gekannt zu haben, diese sei ihr und den Nachbarn nur als „Lisa“ bekannt gewesen und „eine angenehme Person“ gewesen.

Den Nachbarn habe „Lisa“ stets erzählt, ihr Schwiegervater besitze eine gutgehende Firma, sodass sie selbst nicht arbeiten müsse, denn „es sei immer genug Geld da“. Ihr Freund Gerry (alias Uwe Böhnhardt), mit dem sie zusammenlebe, sei häufig auf Montage unterwegs, was laut Angaben der Zeugin plausibel gemacht hätte,  weshalb hin und wieder Wohnmobile auf der Straße oder einem nahen Parkplatz standen.

Mit „Lisa“ bzw. Beate Zschäpe habe man sich gerne unterhalten, sagte die Zeugin vor Gericht, aber viel von ihr, habe man nicht in Erfahrung bringen können. von ihr nicht erfahren. Zschäpe zahlte oft auch mal für alle, wenn bei schönem Wetter im Hof gefeiert wurde und dafür Alkohol beim nahen Discount-Markt gekauft werden musste. Nachdem „Lisa“ 2010 von der Polenzstraße in die Frühlingsstraße umgezogen war, besuchte sie bisweilen trotzdem noch ihre ehemaligen Nachbarinnen und zwar, so die Zeugin, wenn „die Jungs Männerabend hatten“.

Das letzte Mal habe sie Besuch von Zschäpe bekommen Mitte Oktober 2011, also rund zwei bis drei Wochen vor der Explosion der „NSU“-Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße am 4. November 2011 durch Brandlegung von Beate Zschäpe nach dem Tod ihrer Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Bei diesem Besuch sei „Lisa“ anders gewesen als früher, sagte die Zeugin aus. An jenem Tag sei zu einem Streit zwischen Zschäpe und einer anderen Nachbarin gekommen, wegen deren „legeren Umgang“ mit Geld. Geld sei wichtig, habe Zschäpe gesagt und man müsse es zusammenhalten.

„Da wurde sie richtig aggressiv“, sagte die Altenpflegerin gegenüber dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl. „Ich dachte, sie haut der Frau K. gleich eine. Da stand sie offensichtlich sehr unter Druck“, schilderte die Zeugin Zschäpes Verhalten beim letzten Besuch in der Polenzstraße. „Man merkte: sie hatte offenbar Stress und sie trank an diesem Tag auch mehr und härtere Sachen, Whisky, Wein und Sekt, gemischt.“ Das seien dann „schon einige Flaschen“ gewesen, sagte die Zeugin und „Lisa“ sei danach nur noch schwer auf ihr Fahrrad gekommen, um nach Hause zu fahren.

25.02.2015: Der 187. Verhandlungstag

An diesem Prozesstag berichteten zwei Zeugen aus der Chemnitzer Neonaziszene vor dem OLG München von ihren Unterstützerleistungen für die damals untergetauchten „NSU“-Terroristen. Es ging hierbei um Ausweise, Identitäten und Sprengstoff-Lieferungen. Gunther F. gehörte 1998 zur Skinheadtruppe „88er“. Er sagte aus, er sei von einem anderen Unterstützer des Trios gefragt worden, ob er drei Kameraden, nach denen die Polizei suchen würde, eine Bleibe besorgen könne, F. brachte Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zuerst zur Wohnung einer Freundin, dann zu deren Lebensgefährten. Dort hätten die drei „für ein paar Monate“ gelebt, sagte der Zeuge aus.

Doch Gunther F. tat noch mehr für die späteren Terroristen. Er gab seinen Personalausweis an Böhnhardt weiter, damit dieser auf F.s Namen einen Reisepass beantragen konnte. „Sie haben mir gesagt, ins Ausland fliehen zu wollen“, berichtete er dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl. Als sie jedoch Monate später noch immer in Chemnitz gewesen wären, habe er den Reisepass ausgehändigt verlangt und ihn danach vernichtet, so der Zeuge vor dem Münchner OLG.

Der zweite Zeuge an diesem Verhandlungstag, Jörg W., berichtete, dass er damals von einem anderen Unterstützer des Trios (Thomas St. von „Blood & Honour Sachsen“) gefragt worden sei,  ob er Sprengstoff für Uwe Mundlos besorgen könne. Und er konnte helfen, hatte etwa zwei Kilogramm TNT zu Hause. Weshalb, wollte Götzl von ihm wissen. Der Zeuge begründete dies mit einer abenteuerlichen Geschichte und erzählte, ein Freund von ihm habe wegen Schwarzfahrens Ärger mit der Polizei gehabt und eine Durchsuchung gefürchtet. Da dieser Freund Sprengstoff besessen hätte, habe er das TNT bei Jörg W. aufbewahrt, womit dieser einverstanden war. Der Freund sei letztlich ins Gefängnis gekommen und habe später bei einem Autounfall das Leben verloren. Nur deshalb habe er das TNT gehabt, so der Zeuge, und das habe er irgendwann einmal „los haben“ wollen. Da hätte ihm Thomas St. gesagt, dass er das TNT gebrauchen könne nur „ein bisschen herumexperimentieren“ wolle. Deshalb habe er es ihm gegeben, so der Zeuge. Dass es später an Uwe Mundlos weitergeben worden wäre, habe er nicht gewusst.

Richter Götzl fragt Jörg W. dann, ob er damals etwas als Gegenleistung für den Sprengstoff bekommen hätte. „Nein, nicht das ich wüsste“, sagte der Zeuge aus. „Eigentlich war ich ja froh, dass ich das Zeug los war.“

26.02.2015 = Der 188. Verhandlungstag

Erster Zeuge an diesem Tag war der Bruder von Gunter F., der bereits am Vortag ausgesagt hatte. Die Geschwister waren in der rechten Szene von Chemnitz unter dem Namen „die Geklonten“ bekannt. Achim F. sollte über mögliche Zugänge des Trios zu Waffen aussagen, berief sich aber auf erhebliche Gedächtnislücken. Dann stand nochmals der im „NSU“-Prozess mitangeklagte Carsten Sch#ltz# im Zentrum des Interesses. Als Zeugin geladen war eine frühere Freundin, die Sch#ltz# in den rechten Kreisen von Jena kennengelernt hatte und später gemeinsam mit ihm aus der Szene ausstieg.

Christiane H. hatte bei der Polizei ausgesagt, wie sehr ihr Bekannter nach dem Auffliegen des „NSU“ im November 2011 litt und dass sie ihm die vorgeworfene Tat nicht zugetraut habe: Sch#ltz# hatte dem Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vor Beginn der „NSU“-Mordserie die Ceska-Pistole überbracht, mit der neun Menschen erschossen worden waren. Der Mitangeklagte hatte die Kurierleistung inzwischen gestanden und sich bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt.

03.03.2015: Der 189. Verhandlungstag

An Tag 189 im „NSU“-Prozess in München sagte mit Christian K. ein Zeuge aus Jena aus, der als ehemaliger Rechtsextremist kaum Erinnerungslücken über das Innenleben der Szene hatte. Im Oberlandesgericht München redete er flüssig über seine Zeit in der rechten Szene in Jena in den 1990er Jahren. An Beate Zschäpe erinnerte sich der Zeuge als eine „zwar heitere Person, aber nicht besonders intelligent“, die jedoch „eine gewisse Bauernschläue“ gehabt hätte. In Zschäpes Wohnung, so Christian K. vor Gericht, habe er auch das Spiel „Pogromly“ gesehen – eine perverse antjüdische Variante von „Monopoly“.

Über Uwe Böhnhardt sagte er aus, dass dieser regelmäßig mindestens einen Schlagstock mit sichgeführt hätte und der Zeuge konnte sich bei ihm auch an Messer und Schreckschusspistolen erinnern. Zu scharfen Waffen könne er jedoch nichts sagen, berichtete Christian K., der Böhnhardt jedoch als launischen Menschen beschrieb, der in einem Moment gelacht hätte, kurz danach jedoch, wenn er z.B. in einer Diskothek angerempelt worden sei, gleich laut und rabiat geworden wäre: „er hat dann angeschrien und wirkte unkontrolliert“ sagte K. aus. Außerdem hätten sich Böhnhardt und Uwe Mundlos 1996/97 „optisch radikalisiert“, seien mit einem Mal in braunen Uniformen aufgetreten und Schaftstiefeln.

Christian K. war damals Sänger einer rechten Band namens „Eichenlaub“ und hatte, wie er aussagte, aufgrund eines Zeitungsartikels über das untergetauchte Trio ein Lied geschrieben. Der Zeuge: „Das Lied bekam erst den Titel ‚Warum‘, dann wurde es umbenannt in ‚5. Februar‘.“ Richter Götzl bat ihn, eine Textzeile zu verlesen, die der Zeuge geschrieben hatte: „Die Polizei kam euch auf die Spur, nun hieß es Abschied, für wie lange nur?“ Dann wurden Kameradschaft, Kampf und Vaterland verherrlicht.

Obwohl Christian K. sachlich berichtete, bleibt offen, ob er nicht auch, wie andere Zeugen aus der rechte Szene, in Wirklichkeit taktiert, denn sein Bruder ist schließlich der Neonazi André Kapke, der wiederum  Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe 1998 unterstützt haben soll. „In den Wochen nach dem Abtauchen der Drei“, sagt Christian K. aus, „war mein Bruder kaum zu sehen. Ich hatte die Vermutung, dass er involviert war.“ Gewusst habe er es aber nicht.

04.03.2015 = Der 190. Verhandlungstag

Hauptzeuge am 190. Tag des „NSU“-Prozesses war Hendrik L. aus Chemnitz. Dieser lernte Uwe Mundlos Ende der neunziger Jahre kennen und hatte nach eigenen Angaben bis zum Jahr 2000 mit ihm Kontakt – also auch nach dem Untertauchen des Jenaer Trios im Jahr 1998. L. war in Chemnitz Inhaber eines Geschäfts für rechte Szenekleidung. Dort soll er auch T-Shirts verkauft haben, die Mundlos gestaltet haben soll, was er jedoch vor dem OVG München abstritt. Zudem kam L. seiner Szenezeit mehrmals in Berührung mit Mitgliedern des mittlerweile verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“, die versucht haben sollen, den“ NSU“ mit Waffen zu unterstützen.

Außerdem sagte als Sachverständiger ein psychiatrischer Therapeut aus Köln aus, der den Zeugen Melih K. auf Spätfolgen des Bombenanschlags in der Kölner Keupstraße untersucht hatte. K. war bei dem Anschlag 2004 schwer verletzt worden, als er direkt an dem Fahrrad mit der Nagelbombe vorbeiging, als diese explodierte. Der Sachverständige sagte aus, dass Melih K. neben den Folgen der körperlichen Schäden bis heute an Schlafstörungen leidet und weiterhin psychotherapeutischer Hilfe bedürfe.

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