„Jena blickt zurück! (Erster Teil)“: Heute vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands
(JEZT / JENAREPORTERIN ANJA KRÜGER) – Wie haben Jenaer das Ende des Zweiten Weltkriegs vor genau 70 Jahren erlebt? „Mit Erleichterung und Ungewissheit“, erzählte mir die im letzten Jahr im Alter von 89 Jahren verstorbene Frieda Nowok, die lange Jahre im Jenaer Steinweg eine Schneiderei betrieb. „Wir waren froh, dass endlich die Luftangriffe und die Bombardierungen aufhörten, wussten aber nicht, wie es von nun an weitergehen sollte.“
Seit Februar 1945 bis noch kurz vor Kriegsende war die Zeiss-Stadt Jena mit ihrer Rüstungsindustrie drei Monate lang immer wieder Ziel von Bombenangriffen der Alliierten. Nachdem der letzte schwere Bombenangriff bereits mehr als zwanzig Monate her war, bombardierten am 9. Februar 1945 rund 100 Flugzeuge kurz nach 12 Uhr Mittags die Jenaer Innenstadt. 98 Tote, knapp 260 verletzte Menschen, darunter 53 Schwerstverletzte, waren die erschreckende Bilanz des Tages, bei dem auch die Universitätsbibliothek einen Volltreffer erhielt. Genau vierzehn Tage später kam der nächste Angriff: am 23. Februar 1945 trafen kurz nach 11 Uhr 40 mehr als 150 Bomben das Nordgebiet rund dem den Kieshügel.
Im März 1945 ging es für die Jenenser Schlag auf Schlag. Am 10. März 1945 warfen Flugzeuge Bomben auf den Beutenberg und auf Lichtenhain ab, nur sieben Tage später erfolgte zwischen 13 Uhr und 13 Uhr 30 ein Fliegerangriff mit 90 Flugzeugen, die 400 Bomben auf das Zeiss Südwerk, auf die Schott Glasfabrik und auf Jena-Ost abwarfen. Trauriges Fazit des 17. März 1945: 138 Tote, 210 Schwer- und 148 Leichtverletzte – bis heute vermisst 12 Personen, die wahrscheinlich bis zur Unkenntlichkeit verbrannten oder von Bomben zerfetzt wurden. Insgesamt 54 Häuser wurden zerstört, mehr als 80 stark beschädigt. Jena stand noch unter Schock als bereits zwei Tage später am 19. März 1945 der schwerste Luftangriff auf unsere Stadt begann.
Um 13 Uhr 17 schlug die erste Bombe auf und nur 15 Minuten später die letzte. Doch in dieser kurzen Zeitspanne warfen etwa 200 Bombenflugzeuge ihre tödliche Last auf Jena. Sie kamen von Westen, flogen die Leuchtenburg bei Kahla an, schwenkten dann nach Norden und flogen dann über Lobeda und die Wöllnitzer Wiesen direkt die Jenaer Innenstadt an. Im Hagel der rund 1.500 Bomben blieb um 13 Uhr 15 an der Stadtkirche St. Michael die Turmuhr stehen. Als das Grauen vorbei war, beklagte man 134 Tote, 123 Schwerverletzte, Hunderte Leichtverletzte und 35 Vermißte. 218 Häuser der Innenstadt waren durch Volltreffer oder Feuer komplett zerstört. Im Bombenhagel des Angriffes gingen die Rathausgasse, Löbderstraße, Teile der Leutra- und Johannisstraße und die Weigelstraße unter. Von der Rathausgasse – von Löbderstraße/Kollegiengasse bis Am Kreuz blieb alleine das Jenaer Rathaus schwer beschädigt übrig; verloren gingen unter anderem die Hofapotheke und das Kirstensche Haus: zwei Kleinode am Historischen Markt.
Drei Wochen später, am 9. April 1945, erfolgte mit dem schweren Angriff auf den Saalbahnhof und das Reichsbahnausbesserungswerk sowie die nebenstehenden Gebäude der Löbstedter Straße, der letzte große Luftangriff auf Jena mit etwa 100 Toten und rund 40 zerstörten oder schwer beschädigten Gebäuden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Alliierten innerhalb von nur wenigen Wochen große Teile unserer Stadt un der Stadtzentrums mit Bürgerhäusern, darunter das Stadtmuseum und die Universitätskirche, zerstört und 709 Menschen den Tod gebracht. Mehr als 4.000 Wohnungenblieben zerstört zurück in 1.187 Häusern. Zudem wurden 140 Einzelhandesgeschäfte vernichtet, etwa ein Viertel der Produktionsanlagen der beiden Zeisswerke in Jena und etwa 40 Prozent der Universitätseinrichtungen. Der Hagel der Brand- und Sprengbomben vernichtete zudem eine Vielzahl an unersetzlichen Kulturbauten unserer Stadt, darunter das Dominikanerkloster mit dem „Collegium Jenense“.
Durch die Bombenlast waren die Menschen völlig verängstigt, so Stadthistoriker Dr. Rüdiger Stutz, der zudem berichtet, dass das städtische Leben in dieser Zeit teilweise völlig zum Erliegen kam. Am 13. April 1945 – nur vier Tage nach dem letzten schweren Angriff aus der Luft – marschierten die ersten amerikanischen Truppen, Kampfeinheiten der Infanterie mit Panzern und Haubitzen, in Jena ein und die Jenaer hängten weiße Fahnen oder Bettlaken aus den Fenstern und signalisierten so: Wie ergeben uns!
Und mit dem Einmarsch der Amerikaner wagten sich die Jenaer Bürger, von denen sich viele zu diesem Zeitpunkt überwiegend in ihren Kellern versteckt hatten, auch wieder auf den Straßen. Kinder rannten zu den amerikanischen Soldaten, bettelten um Kekse und Kaugummi. Die älteren Jenaerinnen und Jenaer waren froh, dass die Herrschaft der NSDAP zu Ende war und freuten sich insgeheim über die Amerikaner als „Befreier“, weil man Angst vor den russischen Rotarmisten hatte. Doch die klammheimliche Freude währte nur wenige Wochen. Bereits am 01. Juli 1945 räumten die GIs, entsprechend einer Vereinbarung mit der roten Armee, die Zeiss-Stadt (nachdem man schnell noch alles wissenschaftliche und technische Gerät von Interesse verladen und weggeschafft hatte) und Jena wurde ein Teil der sowjetischen Besatzungszone.
Erstellt mit freundlicher Unterstützung von Dr. phil. Rüdiger Stutz. Rüdiger Stutz studierte in Jena und Berlin Geschichte, Deutsch und Pädagogik, war von 1993 bis 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter am „Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte“ am Historischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU), ab 1999 Bearbeiter des Projektes „Abbes Erben. Studien zum Elitenwandel in Technologieregionen des Großdeutschen Reiches und seiner Nachfolgestaaten“ am Historischen Institut der FSU, und arbeitet seit 2008 als Stadthistoriker für die Stadt Jena. Als Leseempfehlung zum Thema sei u.a. das von ihm Jahre 2000 herausgegebene Buch „Macht und Milieu. Jena zwischen Kriegsende und Mauerbau“ empfohlen. Dank geht auch an Frank Döbert für die Bilder aus seiner umfangreichen Fotosammlung des Historischen Jenas..
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