„Gibt es in Jena Nachholbedarf an Versäumnissen?“ – Ein Kommentar von Rainer Sauer
Um es einmal im Sinne der Freien Demokraten zu sagen: „Wir können in Jena alles erreichen aber trauen es uns zu selten“. Im Kreise unserer mehr als 115.000 Stadtbewohner gibt es eine Million Ideen, aber trotzdem Menschen, die finden in jeder Lösung das Problem.
Gestern war wieder so ein Tag. Im Stadtentwicklungsausschuss befasste man sich mit den Themen „Wohnen in Jena 2030“ und daran verbandelt mit dem möglichen „Wohnen am Jenzigfuß“. Dass die Terminplanung für letzteres Projekt ganz offensichtlich „sehr ambitioniert“ ist, wie es der Dezernent ausdrückte (oder einfach „übereilt“, wie es Bernd Rudolph als Vorsitzender des Regionalverbandes der Kleingärtner e.V. auf den Punkt brachte) wurde gestern auch dem letzten Teilnehmer der Veranstaltung klar, zu der auch etwa 120 Kleingärtnerinnen und Kleingärtner als Gäste beteiligt waren. Darum geht es für mich in diesem Kommentar aber nicht. Ich befasse mich hier mit der Phalanx der Meckerer, derjenigen, die ganz offensichtlich der Meinung sind: „Alles was schlecht läuft ist gut für uns.“
So gehe das nicht, mit der Umsetzung des 2011er-Stadtratsbeschlusses zum Wohnen in Jena zur Mobilisierung und Entwicklung vorhandener Flächenpotenziale in unserer Stadt. Also im Detail ausgedrückt: am Fuße des Jenzigs geht das nicht. Neben sachlichen Ablehnungsgründen waren die zuspitzendsten Argumente u.a.: „Der Jenzig zählt zu den sieben Wundern in Jena und darf nicht verschandelt werden“, „Herr Peisker, was machen Sie da eigentlich. Sie sind doch ein Grüner und zerstören hier Natur“, „In Lobeda sollen neue Kleingärten geschaffen werden. Dort kauft die Stadt den Boden für billiges Geld. Am Jenzig aber sollen mit dem Grund der Kleingärtner große Geschäfte gemacht werden“. – Einen tieferen Erkenntnisgewinn liefern diese Statements nicht, außer, dass man mit solchen Äußerungen immer auf große Zustimmung der anwesenden Kleingärtner hoffen kann. Da mit diesen Applausfängern zudem keine wirklich greifbaren Angebote einher gingen, wie expandierendes Wohnen in 15 Jahren statt dessen umgesetzt werden kann und soll, war dies wieder einmal ein Beleg dafür, dafür, dass wir in einer Stadt der Tüftler und Denker leben, aber auch die Erfinder der Zackenschötchen-Vergraulungsverordnung sind.
Dabei kann doch in jedem „schlechten“ Vorschlag der Verwaltung eine Chance stecken, unsere Zukunft mitzugestalten. Jeder Stadtrat könnte der nächste Abbe oder meinetwegen Ramelow sein. Aber für manchen und manche es ist eben sicherer, mit kleinen Dingen zu punkten, denn Applaus löst zwar keine Probleme, aber er tut doch sooo gut. Dagegen kann Schweigen echt schmerzhaft sein. Als eine Kleingärtnerin die mehr als zynische Zwischenbemerkung machte „…aber Flüchtlinge aufnehmen, das könnt ihr!“ gab es von Seiten der Jenaer Opposition keine Reaktion. Lediglich Grüne, SPD und CDU protestierten. Das war für mich persönlich der Tiefpunkt des gestrigen Abends. Deshalb zum Abschluss noch ein FDP-Zitat der letzten Wochen: „German Mut statt German Angst“.
Liebe Stadträte seid mutig: geht erstens gegen solche Äußerungen vor und lasst sie nicht einfach im Raum stehen. Macht zweitens nicht nur Statements, wo es mit dem Wohnen nicht funktioniert, sondern auch Vorschläge, wie Wohnen in Jena bis 2030 umzusetzen ist und das nicht immer nach dem St.-Florians-Prinzip („In Isserstedt…Münchenroda…Drackendorf…auf der Schweizer Höhe…ist doch noch Platz“) sondern stadtzentrumsnah.
Wir Menschen in Jena können voller Optimismus sein, sagen aber viel zu oft „Ja, aber…“. Wir können alles erreichen, haben eine Million Ideen, sind Tüftler und Denker, haben die Chance die Zukunft mitzugestalten, können Abbe oder Ramelow sein und was passiert? Wir machen viel zu oft viel zu wenig daraus. Ich habe fast den Eindruck, es gibt in Jena Nachholbedarf an Versäumnissen. Liebe Stadträte aller Parteien: Macht Euren Job, in den ihr gewählt worden seid, bitte möglichst konstruktiv.
In diesem Sinne
gez.
Rainer Sauer, Jena
8 Kommentare
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Von einem Dipl.Verw. (FH) erwarte ich die Beherrschung der deutschen Rechtschreibung und Grammatik – und v o r der Veröffentlichung das Gegenlesen durch einen kompetenten Beherrscher der deutschen Sprache.
Sehr geehrter Herr Palme,
derzeit tritt gerade Herr Heinz Rudolf Kunze deutschlandweit auf. Mit einem Plakat, auf dem zu lesen steht: „Er, eine Gitarre & eine Klavier“ (http://i0.wp.com/www.jezt.de/wp-content/uploads/2015/05/Kunze-Plakat-2015.png).
Der Mann ist studierter Lehrer, Literat, Sänger und Wortakrobt. Möglicherweise bahnt sich da eine neue Sprachwelle ihren Weg durch unser Land, von der Sie noch nichts ahnen. Aber immerhin haben Sie meinen Kommentar gelesen und kommentiert. Mehr kann ich nun wirklich nicht erwarten.
Jeder Mensch macht im Leben Fehler. Der Unterschied ist nur, dass der eine es zugibt und der andere still und leise zurückrudert. Das macht u.a. die Qualität von uns Menschen aus.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen Ihre Abteilung Wortkontrolle
i.A.
Rainer Sauer, Jena
Jetzt aber mal halblang. Außer, dass man „sooo“ normalerweise mit nur mit einem „o“ schreibt, konnte ich hier keine Rechtschreib- und Grammatikfehler finden. Wie kann man so kleinlich seín und das bemängeln. Aber so sind sie, die Oberlehrer: Mit den großem Hunden pi…. gehen, aber selbst das Bein nicht heben können. Eins runter mit (oder ohne) Mappe … aber Ballett!
die Opposition schwieg bei den Worten: ….. Flüchtlinge aufnehmen, das könnt ihr…. …. sonst schreien die doch da immer. Aber hier wollte man der Verwaltung nur mal wieder einen Strich durch die Rechnung machen. Keine Alternative aber alles schlecht reden.
Naja, vielleicht war man schlicht und einfach auch sprachlos. Gestern sprach ich lange mit Herrn Ferge über die in der Löbstedter Straße geplante Flüchtlingsunterkunft und Ferge ist ja ein bekennender Befürworter der Flüchtlingsaufnahme in Jena (morgen erscheint dazu ein Artikel von uns) und er meinte, dass es eben immer wieder solche Leute gibt so dass man besser einfach nicht näher darauf eingehen sollte.
Da wir bei „JEZT“ ja auch zu fast allen anderen Ortsteilbürgermeisterinnen und Ortsteilbürgermeistern gute Kontakte haben (egal welcher politischen Richtung sie angehören), kann ich sagen, dass niemand denen irgentwelche Ressentiments unterstellen darf. Auch die Oppositionsstadträte und sachkundigen Bürger Lindner, Wöckel, Cebulla, Dr. Brox, Häkanson-Hall und Dr. Nitzsche kenne ich gut und denen ist ebenso keine solche Gesinnung zu unterestellen. Teilweise setzen sie sich sogar persönlich ganz erheblich für Flüchtlinge ein.
Aber es war so, wie ich es schrieb: auf der einen Seite herrschte Schweigen im Walde.
Lieber Herr Sauer, aus verschiedenen Gründen erscheint mir Jezt nicht als das Online-Portal meiner Wahl, auf dem ich mich gern und oft äußern möchte. Aber ihre Beobachtung, dass ja die Opposition beim zitierten Zwischenruf einer Bürgerin geschwiegen hätte, zielt unter die Gürtellinie und ich möchte mich daher als einer der im Ausschuß anwesenden „Oppositionellen“ dagegen verwehren. Mit dem Wort Schweigen implizieren sie irgendeine Art von Zustimmung und üben den moralischen Druck eines Wächters der politischen Korrektheit aus, der genau beobachtet und vermeldet, wer im richtigen Augenblick Buh ruft und wer nicht. Das Einzige was mir dabei einfällt, ist die Frage, ob der von Ihnen so gelobte Protest der Koalitionäre auch so weit reicht, in der Wohnungsbaudiskussion sich für sozialen Wohnungsbau und die Erhaltung und Stärkung bezahlbaren Wohnraums einzusetzen. Genau den würden nämlich auch Flüchtlinge als menschenwürdige Unterkunft dringend benötigen. Denn die werden wohl kaum in die geplanten „Stadtvillen“ am Jenzigfuß einziehen. Allein mir fehlt der Glaube und ein ostentativer Buh-Ruf an der einen Stelle heißt noch lange nicht, dass man im Stadtrat in der schnöden Realpolitik auch entsprechend abstimmt. Und Vorurteile und Ressentiments beseitigt man nicht, in dem man sie niederbrüllt, sondern durch Aufklärung und Kommunikation. Aber die Kommunikation mit Bürgern in dieser Stadt ist wieder ein anderes Thema …
Sehr geehrter Herr Cebulla,
meine Beobachtung zielte keinesfalls unter die Gürtellinie sondern war eine Feststellung. Dass Sie meine Darstellung in ihrer Eigenschaft als sachkundiger Bürger und Ausschussmitglied für einen virtuellen „Tritt in die Weichteile“ halten, bleibt ihrer Vorstellungskraft überlassen.
Gerne würde ich mich jetzt hier politisch mit Ihren Argumenten auseinandersetzen – allein meine Funktion im Ausschuss als sachkundiger Abteilungsleiter des Kommunalservice Jena (…ich würde jetzt überhaupt nicht sagen „der dunklen Seite der Macht“, aber gelegentlich kann man sich der Meinung nicht verwehren, dass man von manchem Stadtrat als Mitarbeiter der Stadt Jena völlig zu Unrecht so gesehen wird…), setzt hier Grenzen, denn ich möchte nicht, dass durch meine Ansichten Ihre wertneutralen Einschätzungen der von mir im Ausschuss zukünftig vorzustellenden Dinge möglicherweise beeinflusst werden.
Dass die Kommunikation mit Bürgern in dieser Stadt ein gänzlich anderes Thema ist, das mir – wie Sie wissen – beruflich wie privat ein hohes Gut und großes Anliegen ist, steht außer Frage. Sie arbeiten diesbezüglich zielgerichtet u.a. seit vielen Jahren in der AG Bürgerhaushalt und als PIRATEN-Politiker, ich seit etwa zwei Jahrzehnten z.B. als Leiter der Abteilung Beiträge der Stadt Jena und beim Bürgermedium Offener Hörfunkkanal Jena, letzteres seit 2007 ergänzt um das Projekt, welches aktuell JEZT heißt.
Vielleicht haben die PIRATEN und JEZT sogar mehr Gemeinsamkeiten und Ziele als die PIRATEN und andere Jenaer Blogs. Zumindest führen wir bestimmte Projekte über „die Planungsphase 2“ hinaus, wenn Sie verstehen, was sch damit meine. Auch weiterhin sind PIRATEN und ihre Standpunkte bei JEZT gerne gesehen, werden hier nicht stigmatisiert und ein thematischer Bereich könnte von ihnen bei JEZT jederzeit und besser als von anderen Parteien belegt werden: die gesellschaftlichen Folgen digitaler Technologie, vor allem im Kultur- und Medienbereich. Was ich bei den PIRATREN persönlich außergewöhnlich finde, ist die Tatsache, junge Menschen für Politik zu begeistern. Auch das würde bei uns besser als in anderen, inzwischen doch schon ziemlich „verbrauchten“, Medien funktionieren. Und was ist mit dem PIRATEN-Radio für Jena?
Es gibt eine Vielzahl von Projekten, die man als Pirat mit JEZT umsetzen kann. Also: Klarmachen zum Ändern der Meinung!
Mit freundlichen Grüßen
gez.
Rainer Sauer, Jena
Hallo Herr Cebulla,
der Punkt „Kommunikation der Stadt mit Bürgern in unserer Stadt“ ist uns schon sehr wichtig. Wenn Sie nichts dagegen haben, wird die Redaktion am Montag auf „JEZT“ und basierend auf der Stellungnahme der Piraten vom 26.05.2015 zur Verteilung an die Mitglieder des Stadtentwicklungsausschusses einen Artikel unter dem Titel“Die Piratenpartei Jena bezieht Stellung zur Vorhabenliste der Stadt Jena im Rahmen der Bürgerbeteiligung“ veröffentlichen.
Mit freundlichem Gruß
Barbara Nowak