Gerhard Zwerenz ist tot: Der bekannte Autor starb heute Morgen nach längerer Krankheit im Alter von 90 Jahren!
(JEZT / RAINER SAUER) – Gerhard Zwerenz ist tot. Der bekannte Autor, mit dem ich seit 1978 befreundet war, starb heute Morgen nach längerer Krankheit im Alter von 90 Jahren. Erst vor wenigen Wochen, am 3. Juni 2015, hatte Zwerenz seinen runden Geburtstag gefeiert. Lutz Mühlfriedel widmete ihm seine Juni-Ausgabe von „Re|PopSunday“ bei ZONO Radio Jena.
In den 1970er Jahren zählte Gerhard Zwerenz zu den bekanntesten und einflussreichsten Autoren der westdeutschen Literatur. Er wurde 1925 in Crimmitschau/Sachsen geboren, wurde 1957, weil er auf Distanz zum Staliniusmus gegangen war, aus der SED ausgeschlossen und floh ein halbes Jahr später nach Berlin-West. Danach lebte Zwerenz einige Zeit in Köln, Offenbach am Main und zuletzt lange in Oberreifenberg. Nach der Wende war Zwerenz von 1994 bis 1998 Bundestagsabgeordneter der PDS – die Erlebnisse als MdB verarbeitete er in dem Buch „Krieg im Glashaus oder der Bundestag als Windmühle“.
Obwohl er auch Filme drehte und gelegentlich als Schauspieler agierte, war er hauptsächlich als Literat bekannt, schrieb u.a. den Roman „Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond“, der kurz nach seiner Veröffentlichung im Jahre 1973 die Vorlage für Rainer Werner Fassbinders Skandal-Theaterstück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ wurde. Später überarbeitete Gerhard Zwerenz Fassbinders Drehbuch für „Die Ehe der Maria Braun“ zu einem eigenständigen literarischen Werk. Für sein Buch „Eine Liebe in Schweden. Roman vom seltsamen Spiel und Tod des Satirikers K. T.“ besuchte er Gertrude Meyer, die finale Lebenspartnerin von Kurt Tucholsky, und führte das letzte Interview mit ihr.
Vor einigen Jahren erklärte Zwerenz seinen Rückzug aus Literatur und Öffentlichkeit; sein Werk umfasst mehr als 100 Bücher, darunter Romane, Krimis und Kinderbücher aber auch erotisch-pornografische Literatur. Im Internet war Gerhard Zwerenz auf www.poetenladen.de jedoch weiter aktiv. Im Sommer 2011 besuchte er in Offenbach am Main meine gemeinsame Veranstaltung mit Lutz Mühlfriedel „Switched-On Kabarett“ – einer seiner letzten öffentlichen Auftritte – was mich sehr ehrte.
Kennengelernt hatte ich Gerhard ein halbes Jahr nachdem 1977 sein ARD-Film über Offenbach am Main unter dem Titel „Eine Stadt im Schatten ihres großen Nachbarn“ ausgestrahlt worden war und in der Stadt, in der er damals lebte, eine kollektive Wutwelle auslöste. Ich war seinerzeit einer der wenigen Leserbriefschreiber in der Lokalzeitung „Offenbach Post“, der ihn verteidigt hatte. Was viele 1977/78 nicht wahr haben wollten, sollte sich ein Vierteljahrhundert nach dem Film bestätigen: die, gerade für die Einwohner Offenbachs, kaum zu spürenden Folgen der De-Industrialisierung veränderten Identität und Strukturen der Stadt derart nachhaltig, dass sie heute – am Rande einer Insolvenz taumelnd – als die Stadt der Vergangenheit kaum noch wiederzuerkennen ist.
Mit Gerhard Zwerenz ist eine meiner Identifikationsfiguren der 1970er-Jahre von uns gegangen, ohne dessen tatkräftige Unterstützung ich 1978 z.B. niemals Sänger der Frankfurter Politrockband „FLIESSBAND“ geworden wäre. In den letzen Jahren hielten wird noch gelegentlich via E-Mail Kontakt.
Mein Mitgefühl gilt seiner Witwe und Familie.
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