Der 225. bis 229. Verhandlungstag im Münchner “NSU”-Prozess
Aus Pressemeldungen zusammengestellt von Annett Szabo-Bohr:
02.09. und 03.09.2015: Der 225. und 226. Verhandlungstag
Als Zeuge wurde am 225. Verhandlungstag ein 29-jährige Taxifahrer aus Zwickau gehört. Er war am 26. Juni 2011 zur Frühlingsstraße 26 gerufen worden, um einen Fahrgast abzuholen. Dort, vor der letzten Wohnung des „NSU“-Trios, stieg die Hauptangeklagte im Münchner Prozess, Beate Zschäpe, bei ihm ein und ließ sich zum Hauptbahnhof fahren. Der Zeuge sagte vor dem OLG München weiter aus, dass nach kurzer Wartezeit zwei Männer mit einer Tasche zugestiegen seien und es ging anschließend zurück in die Frühlingsstraße.
Im November 2011, als der „Nationalsozialistische Untergrund“ aufgeflogen sei, habe er seine drei Fahrgäste in den Nachrichten wieder erkannt, sagte der Taxifahrer aus, und berichtete am folgenden Tag bei der Polizei von der Fahrt. Auf Fotos erkannte er Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos wieder.
Am Nachmittag des Prozesstages erschien ein früherer Freund von Beate Zschäpe (und zwar bereits zum dritten Mal) vor dem Oberlandesgericht München als Zeuge im „NSU“-Prozess: Kay S. hatte zuvor Zschäpe und vor allem den ebenfalls angeklagten Jenaer Ralf Wohlleben schwer belastet. Dessen Verteidiger Olaf Klemke befragte den Zeugen intensiv, dieser blieb aber bei seinen früheren Aussagen. Die von Klemke beantragte Vereidigung von Kay S. lehnte der Senat ab.
Am 226. Verhandlungstag gab es vor allem Streit um Kleinigkeiten, weshalb sich die Verhandlung in die Länge zog. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl wollte den Tag u.a. zur Verlesung von Briefen und anderen Dokumenten nutzen und setzte eine Stunde für diese Verlesung an. Doch schon bei der Ankündigung der Asservaten-Nummern kritisierte die Zschäpe-Verteidigung, Götzl lese die Fundstellen zu schnell. Darauf folgte eine teilweise hitzige Diskussion zwischen Bundesanwaltschaft, Nebenklägern und den Verteidigern, bis Götzl schließlich die Nummern langsam diktierte.
Doch auch die Verteidigung von Ralf Wohlleben nahm in der Folge das Beschleunigungsgebot nicht sonderlich ernst. Obwohl der Vorsitzende Richter bereits angekündigt hatte, dass ein zu verlesendes Dokument eine Kopie sei, sich als Original jedoch auf dem Weg ins Gericht befand, beantragte Olaf Klemke, der Vorsitzende Richter möge bezeugen, dass Kopie und Original „zu 100 %“ übereinstimmen. Nach einiger Wartezeit war das Original eingetroffen, und konnte verlesen werden. Es handelte sich um einen Briefwechsel zwischen Kameraden der rechten Szene. Aus ihnen wurde deutlich, wie Uwe Mundlos und seine Mitstreiter noch in der Legalität anfingen, über die Bildung autonomer Zellen im Untergrund nachzudenken um dem zunehmenden Druck seitens der Strafverfolgungsbehörden zu entgehen.
15.09. und 16.09.2015: Der 227. und 228.Verhandlungstag
An Tag 227 sagte Jürgen Z. in München als Zeuge aus. Er war einst V-Mann-Führer des thüringischen Informanten Marcel D., wobei der Neonazi gleich in zwei Vernehmungen vor dem OLG München bestritten hatte, jemals als Spitzel für den Verfassungsschutz in Thüringen gearbeitet zu haben. Trotzdem legten Belege nahe, dass er unter dem Decknamen Hagel für die Behörde tätig war.
Der V-Mann-Führer, der Marcel D. von 1997 bis 2000 betreute, erbrachte mit seiner Aussage schließlich den endgültigen Beweis dafür, dass der Neonazi für den Verfassungsschutz spionierte. Nun droht D. ein eigener Prozess wegen Falschaussage und mindestens ein Jahr Haft.
Der 228. Verhandlungstag stand unter dem Eindruck der Zeugenaussage eines früheren Nazi-Skinheads aus Jena, der seine Erlebnisse aus den 1990er Jahren mit den späteren „NSU“-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt schilderte. „Wenn ich mal gekifft habe, konnte ich mir was anhören“, sagte der heute 38 Jahre alte Zeuge aus. Mundlos und Böhnhardt hätten sich „aufgespielt wie eine Szenepolizei, wie die SA der Neuzeit“, fügte er an.
Kurzzeitig sei er in den1990er Jahren Mitglied der „Kameradschaft Jena“ gewesen, der auch Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe sowie die in München Mitangeklagten Ralf Wohlleben und Holger Gerlach angehörten. In der Kameradschaft habe es ein Alkoholverbot und ein „dickes Regelwerk“ gegeben, sagt der Zeuge aus. Das habe ihm nicht gefallen, denn er sei knapp über 18 gewesen und „Rechtssein hatte ich mir anders vorgestellt“. Wie denn, wollte Richter Götzl wissen. Na, man habe sich eine Bomberjacke angezogen und „Sprüche gekloppt“. Er sei ja nicht „als Rechtsradikaler vom Himmel gefallen“, habe sich vieles erst aneignen müssen, aber Mundlos habe so getan, „als wäre er schon als Nationalsozialist geboren worden“.
Der Vorsitzende Richter befragte den Zeugen vor allem auch über politische Inhalte und den Grad der Radikalisierung aus. „Unser Ziel war die Bekämpfung des Staates“, gab er an. Die Kameradschaft in Jena habe eine „nationale und sozialistische Gesellschaft“ schaffen wollen. Ob es stimme, dass man auch militante Organisationen bilden wollte, wie ein anderer Zeuge zuvor im Prozess ausgesagt hatte, fragte Manfred Götzl. Das sei richtig, antwortete der Zeuge, aber „das ging uns zu weit, das war eine Spur zu hart“.
22.09.2015: Der 229. Verhandlungstag
Die Kammer im Strafsenat des OLG München rief am 229. Verhandlungstag drei Polizisten in den Zeugenstand, die zu mehreren Beweisstücken und Erkenntnissen aussagten, die das „NSU“-Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe belasteten. Dabei ging es unter anderem um den Reisepass, den der Mitangeklagte Holger Gerlach an Uwe Böhnhardt weitergegeben hatte.
Ein Polizist sagt zudem zu Vermerken aus, die er bereits 1997 über die Jenaer Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos geschrieben hatte. Ein Jahr später flohen die beiden mit Beate Zschäpe in den Untergrund und gründeten später den „NSU“, begingen u.a. insgesamt zehn Morde und mehr als ein Dutzend Sparkassenüberfälle.
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