Der 230. bis 234. Verhandlungstag im Münchner “NSU”-Prozess
Aus Pressemeldungen zusammengestellt von Annett Szabo-Bohr:
23.09. und 24.09.2015: Der 230. und 231. Verhandlungstag
Es scheint, dass sich das Bild der Hauptangeklagten Beate Zschäpe im Gefüge der terroristischen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ langsam komplettiert. An Tag 230 des Prozesses in München berichteten BKA-Ermittler über das letzte Versteck des „NSU-Trios“ in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau. Obwohl dies offensichtlich von Zschäpe soll am 04.11.2011 niedergebrannt worden ist, wurden in der Ruine der Wohnung viele Beweismittel gefunden, die später ausgewertet werden konnten. Darunter waren Computer, Festplatten, Ausweise und eine Menge Waffen und Munition.
Wie die Ermittler berichteten konnten am Brandort sogar DNA-Spuren entdeckt werden, die u.a. Beate Zschäpe belasten. Hierzu sagte der Forensiker Carsten Proff aus, der etliche Gegenstände aus Zwickau für die Ermittlungen des BKA zu analysieren hatte und hierzu ein kriminaltechnisches Gutachten erstellte. Danach fand sich im Brandschutt auch eine graue Jogginghose, an der Proff und seine Mitarbeiter Blut der in Heilbronn erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter fanden. Außerdem spricht nach den Worten des Forensikers sehr viel dafür, dass es Uwe Mundlos gewesen war, der die graue Jogginghose trug und deshalb vermutlich auch Michèle Kiesewetter in den Kopf schoss. In den Hosentaschen hätten sich „zwei Papiertaschentücher mit Antragungen“ von Mundlos gefunden, wie der Sachverständige darlegte. „Diese Hose ist vermutlich nie gewaschen worden“, schloss Proff seine Ausführungen, was nach Ansicht der Bundesanwaltschaft nahe legt, dass Mundlos sie sozusagen als „Trophäe“ aufbewahrt hat. Dies erscheint auch plausibel, denn es gibt noch weitere „Trophäen“ vom Heilbronner Mord aus dem Jahre 2007: die Dienstpistolen von Kiesewetter und ihrem Kollegen, der den Mordanschlag damals schwer verletzt überlebte. Diese Dienstpistolen hatte die Polizei in Eisenach in dem ausgebrannten Wohnmobil gefunden, in dem Mundlos und Böhnhardt am 4. November 2011 tot aufgefunden worden waren.
Wie am Vortag sagte am 231. Tag im „NSU“-Prozess Forensiker Carsten Proff aus. Hierbei stellte sich heraus, dass die Ehefrau des in München mitangeklagten Andre Em#ng#r Beate Zschäpe unterstützt haben könnte, denn bei einem der Schuhe, die die Hauptangeklagte im November 2011 in den Tagen ihrer Flucht nach dem Brand in Zwickau trug, habe man „eine Anhaftung von Frau Susann Em#ng#r“ entdeckt, sagte der Forensiker aus. Spuren des beim Brand in Zwickau verwendeten Benzins fanden sich zwar an den Socken von Zschäpe, nicht aber an ihren Schuhen, was nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die Annahme nahe legt, dass Susann Em#ng#r Zschäpe ihre Schuhe gab, bevor diese aus Zwickau flüchtete. Die Nähe der beiden Frauen ergab sich auch bei der Auswertung eines im Brandschutt aufgefundenen Spielzeughubschraubers, der Antragungen sowohl von Zschäpe aus auch einem gemeinsamen Sohn von Susann und Andre Em#ng#r trug. Außerdem: In den beiden Kellerräumen der Zwickauer Wohnung, sie waren mit massiven Stahltüren und Alarmanlagen gesichert, fanden sich neben anderen Dingen wie Munition und Fahrrädern u.a. 39 Zigarettenkippen. An den meisten von ihnen befand sich laut dem Gutachten die DNA einer bis heute unbekannten Frau.
29.09. und 30.09.2015: Der 232. und 233.Verhandlungstag
Eine unrühmliche Überraschung brachte der 232. Verhandlungstag, denn da sollte zum wiederholten Male ein, von einem Nebenklageanwalt vertretenes, Opfer des Bombenanschlags in der Kölner Keupstraße aus dem Jahre 2004 aussagen: Meral Keskin. Die Frau jedoch – bisher war sie angeblich stets verhindert – existiert offenbar gar nicht. Dies erklärte jedenfalls ihr Rechtsanwalt Ralph Willms der Strafkammer am Münchner OLG und fügte an, dass er sein Mandat mit sofortiger Wirkung niedergelegt und Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Köln erstattet habe. Willms erklärte außerdem, er habe einem anderen Rechtsanwalt Bilder von Meral Keskin gezeigt und dieser habe ihm erklärt, er kenne die Frau unter anderem Namen. RA Willms entschuldigte sich bei Gericht für den Fauxpas.
Zu Tag 233. des „NSU“-Prozesses findet man alles Wissenswerte im Hörfunk-Bericht von RADIO LOTTE, den man HIER abrufen kann.
01.10.2015: Der 234. Verhandlungstag
Nun ist man bereits im Oktober 2015 angekommen mit dem insgesamt 234. Verhandlungstag vor dem Oberlandesgericht München. Dabei traten offen vorgetragen die Zerwürfnisse der Zschäpe-Verteidigung zutage. Ihr neuester Anwalt,Mathias Grasel (inzwischen der vierte Anwalt der Hauptangeklagten), monierte kurz nach Verhandlungsbeginn, dass ihm und seiner Mandantin ein gerade vor Gericht gestellter Antrag der drei übrigen Zschäpe-Verteidiger nicht bekannt sei, und bat um eine Pause, um sich mit seiner Mandantin besprechen zu können.
Zuvor hatte Verteidiger Wolfgang Heer im Fall des erfundenen Opfers Meral Keskin vom Gericht mehrere dienstliche Erklärungen gefordert. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl erkundigte sich daraufhin bei Heer, ob das nicht mit seiner Mandantin besprochen worden sei. Es gebe da „Bedingungen“, erwiderte dieser, unter denen ein solches Vorgehen „nicht möglich sei“ und er betonte nochmals, dass „so für mich und meine beiden Kollegen keine optimale Verteidigung im Interesse von Frau Zschäpe möglich“ sei. Götzl gewährte die Pause. Danach erklärte Grasel, dass ihm und seiner Mandantin der gestellte Antrag nicht bekannt war. Sie hätten diesen erst im Gericht gehört, offenbar im Gegensatz zum Senat, der vorab informiert worden sein soll.
In der Verhandlungspause war auch bekannt geworden, dass an das nicht existierende Opfer Meral Keskin insgesamt 5.000 Euro als Entschädigung aus einem Hilfsfond der Bundesregierung überwiesen worden seien. Es sei gezahlt worden, weil die Frau als Nebenklägerin zugelassen war, bestätigte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums gegenüber dem Bayerischen Rundfunk.
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