„Zwischen Information und Manipulation“: Jeder Mensch kann selbst entscheiden, wer für ihn zur „Presse“ zählt!
Letzte Woche sprach Professorin Dr. Nadine Klass von der Uni Siegen zum Auftakt der Medienrechtlichen Gespräche in Jena unter Thema „Irgendwas bleibt immer hängen…“ zu den Grenzen der sog. Verdachtsberichterstattung in der Presse. Kurt Tucholsky sei es gewesen, sagte sie, der einst textete: „Was darf Satire? – Alles!“ … das war im Januar 1919. Knapp 100 Jahre später scheint es, dass es Menschen gibt, die denken, dies gelte inzwischen auch für die Medienpresse. Doch dort, wo keine Qualitätskriterien mehr greifen, da im Internetzeitalter jedermann und jede Frau ohne Nachweis irgendeiner Qualifikation den sog. Tätigkeitsberuf Journalist ausüben darf (und ein Blog in den Gedankenflügen mancher Macher bereits zu einer preisverdächtigen Nachrichteninstitution wird, nur weil man mit dem eigenen Handy Fotos knipsen kann und diese betextet), muss man kritisch hinschauen, um nicht gezielte Fehlinformation als „Wahrheit“ zu konsumieren. Auch darum ging es bei der Jenaer Tagung über Medienrechte und -pflichten.
Derzeit ist der Zuzug von Flüchtlingen aus Syrien oder anderen Ländern das Topthema. Verschiedene Beispiele haben hier jüngst wieder belegt: Egal wie absurd Meldungen oft auch klingen mögen, leider schaffen sie es immer wieder, im Internet ihre Kreise zu ziehen. Und oft stecken Leute dahinter, die solche Falschmeldungen gezielt lancieren um böses Blut, Hass und teilweise sogar Hetze zu verbreiten. In der Regel sind diese Meldungen aber völlig absurd und Nachweise oder Quellen bleiben solche Manipulatoren auch schuldig, aber da solche „Nachrichten“ gut ins Stimmungsbild von Teilen der Bevölkerung passen, verbreiten sie sich zügig in die sozialen Netzwerke und werden dort fleißig geteilt. Im gesellschaftspolitischen Sinn sind diese Netzwerke also in der Tat gar nicht wirklich sozial, in schlimmen Fällen sogar im wahrsten Sinn des Wortes in ihrer Wirkung asozial.
Ein Dilemma zeigt sich auch mit dem Begriff der „Presse“. Als Oberbegriff leitet sich diese Bezeichnung von der Druckerpresse aus Zeiten der antiquierten Drucktechnik ab und bezog sich ursprünglich auf alle verbreiteten Druck-Erzeugnisse. Später firmierte unter dem Presse-Begriff die Gesamtheit gedruckter Zeitungen und Zeitschriften. Für diese, sowie den (nach dem Ende des Nazi-Regimes in Deutschland nicht mehr staatlich gelenkten) Rundfunk, wurde die öffentliche Meinungsfreiheit im Grundgesetz definiert (Art. 5 GG) und deshalb ist in der Bundesrepublik die Pressefreiheit als Grundrecht garantiert. Mit dem 1950er Jahren kam zu den Zeitungen, Zeitschriften und dem Rundfunk auch noch das Fernsehen hinzu, weshalb diese Gruppe an Nachrichten- und Meinungsinstitutionen heute noch allgemein mit „der Presse“ gleichgesetzt wird, für die man als Unternehmen, Körperschaft oder Verein Pressearbeit leistet, Pressesprecher beschäftigt, Pressekonferenzen abhält.
Mit dem Aufkommen sog. Weblogs – abgekürzt Blog – hat sich die Medienlandschaft in den letzten zwei Jahrzehnten vervielfacht, die Qualität von Pressemachern aber in gleichem Maße verringert. Um in der etablierten Presse einen Job zu bekommen, musste man zuvor Journalismus allgemein oder in Fachrichtungen studiert haben, einen Beruf im Umfeld der Presse erlernt oder ein Volontariat bei einer Zeitung, dem Rundfunk etc. absolviert haben. Wenn man dann sein Talent unter Beweis stellen konnte, fand man meist auch irgendwo einen Redaktionsjob. Heute könnte aber sogar ein grottenschlechter, gelernter oder studierter Journalist sich „Presse“ nennen, wenn er z.B. einen Nachrichtenblog ins Leben ruft und dort munter drauf los schreibt.
Jegliche Presse steht jedoch immer im Kontext der Marktwirtschaft, sprich: sie muss Geld verdienen um weiter frei und unbeeinflusst berichten zu können. Dabei könnte das Streben nach hohen Auflagenzahlen oder der Wunsch nach größerer Beachtung bei der Leserschaft es begünstigen, das Produkt durch eine sensationsorientierte oder voyeuristische Berichterstattung für die Leser interessant zu machen. Ober eben durch Falschmeldungen.
Während hier bei der etablierten Presse eine gewisse Kontrolle durch den Deutschen Presserat möglich ist (sowie durch die Interaktion in der Presselandschaft, die solches Fehlverhalten nicht unkommentiert lässt), öffnet sich bei den Blogs die Tür zu Manipulationen. Oft werden Artikel sogar nachträglich verändert oder gelöscht, um so evtl. Regressforderungen durch Betroffene der Falschmeldung zu vermeiden (= unstatische Berichterstattung); die seriöse Presse archiviert ihre Arbeit und verändert nur kommentiert und erkennbar (= statische Berichterstattung). Aber durch Löschungen oder nachträgliche Veränderungen, die sich dann konsequenterweise auch auf Kommentare von Nutzern ausdehnen, begeben sich Pressemedien in den Bereich der Vertuschung und verlieren durch diese Handlungen jegliche Seriosität.
Denn ungebetene „Presse“ muss niemand zu sich auf Informationsveranstaltungen oder Pressekonferenzen bitten. Privatmensch, Unternehmen, Körperschaft oder Verein – jeder selbst entscheiden, wen er/sie zu sich einlädt oder außen vor lässt. Sicher ist es ärgerlich, wenn z.B. ein Schauspieler, Ministerpräsident oder Sportler selbst festlegt, welcher Zeitung er Fragen beantwortet und welcher nicht. Von Teilen der „Presse“ hört man dann oft das Lamento: „Der/die/das XYZ grenzt uns bei der Pressearbeit aus…“, gelegentlich mit dem Rückschluss „…wahrscheinlich, weil der/die/das etwas zu verbergen hat.“ – So einfach ist das, obwohl die Probleme im gesellschaftlichen Umgang sehr oft hausgemacht sind. Auch das zeigte sich bei den Medienrechtlichen Gesprächen in Jena.
Natürlich muss man jegliches Verständnis dafür haben, wenn Bürger dieser Stadt oder dieses Landes mit vielen Dingen, die sie miterleben müssen, unzufrieden sind und dagegen aufbegehren. Wichtig ist dabei jedoch, dass man stets respektvoll miteinander umgeht. Wenn aber auf Seiten mancher Presseorgane Strafanzeigen wegen Verunglimpfung, Hetze oder Verleumdung im Raum stehen, wenn durch sie Medienpflichten mißachtet werden (weil z. B. Gegendarstellungen wegen falscher Tatsachenbehauptungen verweigert oder Persönlichkeitsrechte ignoriert werden), dann hat jeder Mensch, jedes Unternehmen, jede Körperschaft oder jedweder Verein das Recht (um nicht zu sagen: die Pressefreiheit), selbst zu entscheiden, wer von ihm wann über was informiert wird.
Vielleicht hat es ja einen Grund, weshalb in Jena die sog. reinen Onlinemedien am hinteren Ende der Akzeptanz der Bevölkerung rangieren, wenn es die tägliche Information angeht, was zuletzt die repräsentative Befragung von 15.000 Jener Bürgerinnen und Bürgern belegte. Das gilt natürlich auch für JEZT. Aber zu wissen, wo man in der Rangliste der Anerkennung der Menschen mit seiner Arbeit steht und dies zu akzeptieren anstatt zu lamentieren ist wichtig, um die eigene Arbeit einzuordnen.
Ihr
Rainer Sauer
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