Der 255. bis 259. Verhandlungstag im Münchner „NSU“-Prozess
Zusammengefasst und kommentiert von Tim Schwarz:
14.01.2016: Der 255. Verhandlungstag
Am 255. Tag des „NSU“-Prozesses in München setzte Ralf Wohlleben setzt seine Aussage fort und beantwortete Fragen des Gerichts. Die Fragen an Wohlleben betrafen fast ausschließlich den Zeitraum zwischen 1998 und 2001. Das ist lange her, sagte Wohlleben aus und konnte isch an manche Dinge nicht mehr erinnern, wobei offensichtlich wurde, dass das Gericht und auch einige Anwälte von Opfern des „NSU“ ihm die Erinnerungslücken nicht so recht glauben wollten.
Wohlleben räumte an Tag 3 seiner Befragung ein, das Neonazi-Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe insgesamt drei Mal im Untergrund persönlich besucht zu haben, nach den Lebensumständen seiner Freunde habe er sich aber niemals erkundigt, sagte er aus. Den zentralen Vorwurf der Waffenbeschaffung bestritt Wohlleben erneut. Es sei richtig, so Wohlleben, dass Uwe Böhnhardt bei ihm eine Pistole bestellt habe, erklärte der Ex-NPD-Funktionär im Gerichtssaal, jedoch habe er eine solche Waffe niemals ernsthaft liefern wollen, denn er sei davon ausgegangen, dass Böhnhardt die Pistole zum Selbstmord nutzen werde. Das aber, so Wohlleben, habe er nicht unterstützen wollen.
20.01. und 21.01.2016: Der 256. bis 257. Verhandlungstag
Am Mittwoch, de 20.01.2016, ging es um die Angeklagten Carsten Sch#ltz# und Holger Gerlach. Ein Hamburger Staatsanwalt, berichtete dem Gericht über die Art der Unterstützung der Ermittlungen zum „NSU“, die beide damals Verdächtigen trotz Ermittlungen gegen sich selbst leisteten. Gerlachs Vernehmung sei einer „Zangengeburt“ gleichzusetzen gewesen, während Sch#ltz# von Anfang an geständig gewesen sei, so der Staatsanwalt. Er hob allerdings den Wert der Aussage von Holger Gerlach heraus, denn ohne dessen Hinweise wäre es möglicherweise gar nicht oder erst viel später zu den Anklagen gehen Wohlleben und Sch#ltz# gekommen. Und Carsten Sch#ltze# habe, so der Staatsanwalt, unabhängig von der Aussage Gerlachs nahezu das Gleiche über Ralf Wohlleben ausgesagt, wie Gerlach selbst. Und zwar, dass Wohlleben den Anstoß zur Beschaffung der Ceska-Waffe gegeben habe.
An Tag 257 des Prozesses vor dem Münchner Oberlandesgericht trat wieder die Hauptangeklagte Beate Zschäpe in den Fokus. Zwar war ihre erneute Aussage schon einen Tag zuvor geplant gewesen, jedoch hatte ihr Wahlverteidiger Hermann Borchert dem Gericht mitgeteilt, er sei verhindert und Zschäpe wäre nur bereit, in seiner Anwesenheit Fragen durch Verlesen beantworten zu lassen. So verlas Borchert nun am Donnerstag, den 21.01.2016 eine Erklärung, wonach Beate Zschäpe ohne Alkohol ihr Leben im Untergrund nicht habe ertragen können. 13 Jahre lang habe sie zusammen mit den am 04.11.2011 verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt, stets auf der Flucht, immer in Angst vor der Polizei. Mundlos und Böhnhardt seien regelmäßig für zwei Wochen oder länger unterwegs gewesen, Beate Zschäpe war in dieser Zeit alleine zuhause und trank Sekt, Wein und Schnaps, so die Angeklagte in ihren eigenen Worten, die von Borchert verlesen wurden. Ihren mutmaßlichen Komplizen und dem Umfeld der Nachbarn in Zwickau habe sie ihre Trinksucht aber verheimlichen müssen. Insgesamt sei das Vertrauensverhältnis innerhalb des Trios stark gestört gewesen, so Zschäpe. Durch ihren Alkoholkonsum habe sie aber von den Verbrechen der Freunde „nie vorher etwas mitbekommen“, wie sie erklären ließ. Nochmals betonte die Hauptangeklagte, sie sei entsetzt gewesen, als sie von den Taten erfahren habe.
Lesen Sie HIER eine Übersicht von Zschäpes Aussagen!
02.02. und 04.02.2016: Der 258. und 259. Verhandlungstag
Tag 258. im Prozess gegen Beate Zschäpe brachte ihr Rückfragen durch den Vorsitzenden Manfred Götzl ein. Dieser fragte bezüglich der Aussagen von Tag 257: „Was meinen Sie mit den Begriffen ‚betrunken‘, was mit ‚angetrunken‘?“ oder „Haben Sie auch am Vormittag des 4. November 2011 getrunken“, will er wissen und zwar „bevor Sie im Radio von dem Tod von Mundlos und Böhnhardt erfahren haben?“ Zschäpe hatte damals die Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße in Brand gesetzt, sich mit dem Mitangeklagten André Em#ng#r getroffen und war später mit dem Zug durch Nord- und Mitteldeutschland gefahren. Eine Alkoholisierung zum Zeitpunkt der Brandstiftung, die die Bundesanwaltschaft zugleich als versuchten Mord wertet, könnte für Schuldfrage und Strafmaß relevant sein. Also fragte der Vorsitzende Richter zusätzlich: „Von wann bis wann haben Sie am 4. November 2011 getrunken? Zeigte der genossene Sekt Wirkung auf Sie? Gegebenenfalls welche?“
Da Beate Zschäpe in ihrer ersten Aussage vom Dezember 2015 u. a. gesagt hatte, Uwe Böhnhardt sei ihr gegenüber mehrfach gewalttätig geworden, fragte Götzl auch hier nach Details: „Wie waren die Situationen, als Uwe Böhnhardt Ihnen gegenüber handgreiflich geworden ist und wann war das?“ Hierauf folgten Fragen, die – je nach Zschäpes späterer Antwort – möglicherweise gravierende Folgen für André Em#ng#r und dessen Frau haben könnten. Etwa derart: „Hatte Andre Em#ng#r Kenntnis von den Raubüberfällen und Tötungsdelikten?“ Und der Richter wollte wissen, was Susann Em#ng#r – damals Zschäpes beste Freundin – von den Verbrechen des „NSU“ wusste.
Der Prozess ging an diesem Tag bis zum Ende, obwohl Zschäpe den Vorsitzenden Richter für voreingenommen hält: Ihr Pflichtverteidiger Grasel hatte beim zuständigen Senat des Oberlandesgerichts einen Ablehnungsantrag gestellt, da Manfred Götzl es zuvor erneut abgelehnt hatte, Zschäpes Pflichtverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm zu entpflichten, da das Vertrauensverhältnis nach Ansicht des Gerichts keineswegs endgültig zerrüttet sei. „Der Vorsitzende Richter entscheidet willkürlich, da er nicht wissen kann, wie es im Kopf und im Herzen der Angeklagten ausschaut“, trug ihre Verteidigung vor. Deshalb könne der Prozess „nicht einfach so weitergehen.“ Der Antrag führte aber dazu, dass der „NSU“-Prozess am Mittwoch, den 03.02.2016 ausfiel und erst am Donnerstag, den 03.02.2016 weitergeführt wurde.
An Tag 259 kam es dann zu weiteren Verzögerungen, weshalb die Verhandlungstage in der zweiten Februarwoche komplett abgesagt wurden. Und zwar hatten zuerst die Verteidiger Ralf Wohllebens angekündigt, einen eigenen Befangenheitsantrag zu stellen und wollten diesen begründen, weshalb Richter Götzl ihnen zwei Stunden Zeit gewährte, um das Gesuch zu formulieren. Doch die Verteidiger stellen den Antrag dann doch nicht vor der Mittagspause fertig. Dafür präsentierte Beate Zschäpe über ihre Anwälte einen weiteren Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter im Münchner „NSU“-Prozess und zwar in Form eines dreiseitigen handgeschriebenen Briefes.
In ihm hielt die Hauptangeklagte Richter Manfred Götzl vor, er verweigere ihr „faktisch den Anwalt meines Vertrauens“ und zwar Hermann Borchert. Daraus könne sie nur folgern, dass Götzl „nicht mehr unparteiisch“ sei. Das Oberlandesgericht München hatte zu Beginn des Prozesstages einen entsprechenden Antrag Zschäpes abgelehnt, in dem die Berufung von Rechtsanwalt Borchert als Pflichtverteidiger verlangt worden war; er ist derzeit als Wahlverteidiger tätig und wird hierfür nicht vom Staat bezahlt. Sein Kanzleipartner Mathias Grasel ist seit Sommer 2015 vierter Pflichtverteidiger Zschäpes. Mit ihren drei anderen Pflichtverteidigern Heer, Stahl und Sturm hatte sich Zschäpe zerstritten. Das Gericht forderte deshalb alle Prozessparteien Zschäpes auf, bis Freitag, den 12.02.2014 hierzu Stellung zu nehmen, damit der „NSU“-Prozess dann ab dem 16.02.2016 wieder planmäßig weitergehen kann.
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