„Außerhalb der Verfassungsmäßigkeit“: Taubert stellt sich gegen LINKE-Forderung, in Thüringen die Straßenbeiträge abzuschaffen und dafür eine Steuer für alle einzuführen
Ich halte mich ja weitgehend heraus, aus den Meldungen und Artikel, die hier auf JEZT veröffentlicht werden und lasse dafür der Redaktion Gelegenheit, unsere Leser zu informieren. Mich braucht es dazu nicht und ich habe zu gleicher Zeit beruflich andere Dinge zu erledigen. Aber immer dann, wenn ich mein Fachwissen mit in die Waagschale werfen kann, sei mir die eine oder andere Bemerkung – ganz privat ausgedrückt – gestattet. So wie zu diesem Thema:
Hierbei geht es um die, von der Partei Die Linke für Thüringen favorisierte, weitere Vorgehensweise beim Thema Straßenausbaubeiträge. Diese wurde auch und gerade von dem linken Landtagsabgeordneten Frank Kuschel in den Verein „Bürgerallianz gegen überhöhte Kommunalabgaben e.V.“ hineingetragen, denn dort ist Kuschel im Vorstand tätig. Ohne Zweifel kann man bestehende Gesetze immer verbessern: eine lobenswerte und notwendige Aufgabe für alle Politiker, die Verantwortung tragen und Wähleraufträge umsetzen möchten. Nun hatte die Fraktionschefin der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, dieser Tage Kuschels Idee einer Infrastruturabgabe in einem Brief an die Bürgerallianz (und damit auch an ihren Parteifreund) erneut unterstützt. Die Begründung von Hennig-Wellsow und Kuschel: Beiträge für den grundhaften Ausbau von Straßen lehnt die Partei Die Linke ab, denn öffentliche Straßen seien „ein Allgemeingut“ die „von allen genutzt“ würden. Deshalb dürften, so schreibt Hennig-Wellsow an Kuschel, „nicht nur Anlieger“ zur Kasse gebeten werden. Die Fraktionschefin der Linken wies in ihrem Schreiben zudem darauf hin, dass eine Abschaffung der Straßenausbaubeiträge „mit den Koalitionspartnern“ (sprich: SPD und Bündnis’90/GRÜNE) „in dieser Legislaturperiode nicht umzusetzen“ sei.
Hierzu erklärte Thüringens Finanzministerin Heike Taubert (SPD) jetzt eindeutig, dass sie diese Forderung nach einer Infrastrukturabgabe ablehne, denn eine solche Abgabe stelle „eine Belastung für arbeitende Menschen“ dar. Taubert sagte weiter, es gehe vielmehr um eine „verfassungsgemäße sinnvolle Begrenzung bei der rückwirkenden Erhebung“ und damit um die Frage, wie viele Jahre nach Abschluss einer Baumaßnahme Thüringer Grundstückseigentümer zahlen müssten. Alle anderen, „außerhalb der Verfassungsmäßigkeit“ stattfindenden Überlegungen seien „in einem Rechtsstaat nicht umsetzbar“, unterstrich sie. Die von den Linken geforderte neue Abgabe für alle Bürger sei nichts anderes „als eine weitere Steuer“, so Finanzministerin Taubert.
Wer hat nun recht? -Zur Position der Partei Die Linke ist vorab zu bemerken, dass es in Thüringen seit 1991 durchaus eine Kostenbeteiligung „von allen“ an den zu erhebenden Straßenausbaubeiträgen gibt. Die entsprechende Äußerung der Fraktionschefin der Linken in dem Brief an den Bürgerallianz e. V., es dürften hierbei „nicht nur Anlieger“ zur Kasse gebeten werden ist damit einerseits richtig, suggeriert andererseits jedoch, dass dies bis heute (noch) nicht der Fall sei. Das aber ist falsch. Zum einen zahlen die von einer Beitragserhebung betroffenen Grundstückseigentümer seit 1991 stets nur einen bestimmten Anteil an den Strraßenbaukosten; in Jena liegt dieser aktuell zwischen 20 und 60 % der bereinigten, umlagefähigen Kosten – heißt: mindestens 40 und teilweise bis zu 80 % trägt auch heute schon die Gemeinde und damit die Allgemeinheit.
Weiterhin gibt es seit 1995 im Freistaat für jede Kommune die gesetzliche Möglichkeit, sich an Stelle der einmaligen Ausbaubeiträge nach § 7 ThürKAG für sog. Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge nach § 7a ThürKAG zu entscheiden. Bei Wiederkehrenden Beiträgen bildet das Verkehrsnetz einer Gemeinde oder Stadt sog. Abrechnungseinheiten und die Last der wiederkehrenden Beitragszahlung verteilt sich damit auf viel mehr Grundstücke als beim einmaligen Beitrag, nämlich auf alle, die zu dem Verkehrsnetz der Abrechnungseinheit gehören und von ihr partizipieren. Aber es sind und bleiben Beiträge, die zu bezahlen sind. Hier hat Frau Taubert absolut recht: die Infrastukturabgabe ist nichts anderes als eine weitere Form der Grundsteuer und damit eine Leistung ohne Anspruch auf eine Gegenleistung. Desweiteren besteht erstens für Kommunen die finanzpolitische Verpflichtung, dass Beiträge zu erheben Vorrang hat vor der Erhebung von Steuern. Zweitens gelten Grundsteuern (und somit auch eine mögliche Infrastrukturabgabe) als laufende jährliche Belastungen von Grundstücken und sind damit grundsätzlich und völlig legal als Mietnebenkosten auf Mieter umlegbar.
Diese Form der „Belastung für arbeitende Menschen“ muss Taubert gemeint haben, als sie Henning-Welsow und Kuschel widersprach, denn (natürlich) ist die „Bürgerallianz“ eine Lobby und zwar eine solche der Grundstückseigentümer, der es im Grunde egal ist, wer – nach einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge – später einmal die anteiligen Kosten des Straßenbaus zu zahlen haben wird, so lange es nicht die Grundstückseigentümer sind. Das jedoch ruft die genannten verfassungsrechtlichen Bedenken hervor, denn einerseits verpflichtet Eigentum nach Artikel 14 des Grundgesetzes zu einigen Dingen – Mieter zu sein dagegen (nach dem GG) nicht. Dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes kommt wiederum der derzeitige Gesetzesstand in Thüringen nah, denn Allgemeinheit und Grundstückseigentümer teilen sich die Last der Kosten der Straßenherstellung. Die Einführung einer Infrastukturabgabe und die damit verbundene Möglichkeit für Grundstückseigentümer, diese Abgabe – wenn man denn Mieter hat – zu 100 % an Dritte weiterzugeben, könnte diesen Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 GG kippen.
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