„Nachholbedarf an Versäumnissen? (Teil 3)“ – Ein Kommentar von Rainer Sauer
„Wer Politik macht , der sollte sie auch machen können.“ – Das sagte einst salomonisch der jüngst verstorbene Hans-Dietrich Genscher und er meinte damit sowohl die Fähigkeiten, als auch die Möglichkeiten. Während es der Alternative für Deutschland momentan vor allem an den Fähigkeiten mangelt und man sich in drei Wochen in Stuttgart erst einmal ein echtes Grundsatzparteiprogramm geben muss, mangelt es den Kämpfern der Piratenpartei derzeit vor allem an den Möglichkeiten, um ihre Politik an den Mann oder die Frau oder den Gendermensch zu bringen.
In anderen Ländern – siehe als Beispiel Island – mächtig geworden, leiden die Thüringer Piraten ganz augenscheinlich an fehlender Unterstützung von ihrer Basis her. Bei der Landtagswahl vor 18 Monaten gab es für die Piratenpartei gerade einmal 1 Prozent der Wählerstimmen (in Worten: in ganz Thüringen wählten 966 Menschen orange), in Jena trat man sogar überhaupt nicht zur Wahl des Erfurter Landtags an. Trotzdem bezeichnen sich die Piraten gerne als „einzig wahre sozialliberale Partei im Freistaat“, wie es Michael Kurt Bahr als Piraten-Landeschef vergangenes Wochenende beim Parteitag in Erfurt verkündete und liberal sei man schon allein deshalb, weil sich Piraten für Basisdemokratie und echte Bürgerbeteiligung an politischen Prozessen aussprechen, so Bahr (z.B. solle in Kürz ein Erfurt eine „Freiheit statt Angst“-Demo Stattfinden). Er gab jedoch gegenüber der Presse auch zu, dass die Piratenpolitik momentan kaum noch von der Bevölkerung wahrgenommen werde.
Noch nicht einmal 30 akkreditierte Parteitagsteilnehmer fanden nach Presseberichten den Weg aus dem Freistaat nach Erfurt und eigentlich sollte am zweiten Tag weiter beraten werden. Da aber einige Teilnehmer hierfür nicht noch einmal erneut kommen wollten oder konnten, wurde Tag 2 des Piratenparteitags still und leise abgesagt. Zum Abschluss erklärte Bahn dann noch, dass man alle Hoffnung für weitere Piratenpopularität auf die im September stattfindenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus von Berlin, aber die Ernüchterung schob sich vor die Euphorie, als der Piraten-Landeschef anfügte, „drei Prozent der Stimmen“ seien hier „…ein realistisches Wahlziel. Das wäre schon ein Zeichen für eine Trendwende.“ – Zur Einordnung dieser Prognose: 2011 zog seine Partei mit 8,9 Prozent der Stimmen in Berlin erstmals in ein Landesparlament ein.
Bahr sagte aber auch, man fordere, dass sich die Thüringer Kommunalverwaltungen „endlich aufs IT-Zeitalter einstellen“ sollten. Dumm nur, dass die Thüringer FDP den Piraten hier schon zuvorgekommen war und in ihrem Gegenentwurf zur Gebietsreform von Rot-Rot-Grün eine Verwaltungsreform fordert mit der Digitalisierung vieler Verwaltungsabläufe. Doppelt dumm ist, dass sich der frühere Berliner Piraten-Chef Bernd Schlömer inzwischen vom sinkenden Piraten-Schiff abgesetzt hat und im September für die Freien Demokraten zur Wahl des Abgeordnetenhauses antritt.
Abschließend noch eine Bemerkung zur AfD. Grundstzparteiprogrammpunkte wie „STADTENTWICKLUNG: NACHVERDICHTEN, ABER BAUSÜNDEN VERHINDERN“, „WOHNUNGSPOLITIK: BAURECHT AUFRÄUMEN, WOHNRAUM SCHAFFEN“ oder „DEM LÄNDLICHEN RAUM EINE PERSPEKTIVE GEBEN“ sind Allgemeinplätze, die jeder Partei gut anstehen und damit kein Alleinstellungsmerkmal, wie es der Name „Alternative für Deutschland“ suggeriert. Und das wird im Programm auch nicht besser, wenn man dort Floskeln wie: „Die AfD ist strikt gegen verkehrspolitische Schikanen, Kostenerhöhungen und vernachlässigte Verkehrswege“.
Wenn man sich das Parteiprogrammkonzept anschaut, findet man viele solcher nichtssagenden Bemerkungen. Interessant wird es aber dort, wo man die Urängste der Bevölkerung bedient und z. B. im Leitpunkt „Ein Europa der Vaterländer“ schreibt „Wir stehen für die Freiheit der europäischen Nationen von fremder Bevormundung.“ oder einen „sicherheitspolitischen Befreiungsschlag“ fordert, „um den Schutz der Bürger an erste Stelle zu setzen. Andere Belange haben sich demunterzuordnen. Wir wollen einen klaren Systemwechsel hin zu Behörden, die zum maximalen Schutz der Bürger in der Lage sind: Ausländerbehörden, Polizei und Strafverfolgung.“ Außerdem wünscht man sich Bürger unter Waffen und fordert: „Ein liberaler Rechtsstaat muss seinen Bürgern vertrauen. Er muss es nicht nur ertragen können, dass Bürger legal Waffen erwerben und besitzen, sondern muss die Handlungsfreiheit seiner Bürger bewahren und freiheitsbeschränkende Eingriffe minimieren.“
Ein kleiner Hinweis in beide Richtungen: Liberal geht anders!
In diesem Sinne
Rainer Sauer
« Blutspende-Aktion am UKJ: Tausche Blut gegen Startplatz beim 6. Jenaer Firmenlauf – 100 Spender erhalten Gutschein zur Teilnahme Alter Lockschuppen in Flammen, aber keine Verletzten nach Brand am Jenaer Saalbahnhof »