„Bienentrauma“: Insektenforscher der FSU klären bizarren Paarungsmechanismus bei heimischen Fächerflüglern auf
(JEZT / FSU / US) – Mit dem Frühling kommen auch viele Insekten aus ihren Winterquartieren. Derzeit treten beispielsweise entlang sandiger Flusstäler Schwärme der Weidensandbiene (Andrena vaga) auf. Die weißgrau behaarten Wildbienen leben in Gängen und Höhlen im Boden. Sie ernähren sich von Nektar und Pollen, den sie vorwiegend an Weidenarten sammeln. „Manchmal zeigen sich die ersten Bienen besonders früh, schon Wochen bevor es eigentlich Zeit wäre“, sagt PD Dr. Hans Pohl von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Das sei meist ein sicheres Zeichen dafür, dass die Tiere von Parasiten befallen sind, erläutert der Entomologe. Pohl weiß, dass heimische Fächerflügler die Wildbienen als „Brutkasten“ für den eigenen Nachwuchs nutzen und das auf überaus rabiate Art und Weise. In der soeben erschienenen Online-Ausgabe der „Scientific Reports“ stellen Hans Pohl und sein Team den bizarren Paarungsakt der Fächerflüglerart Stylops ovinae vor (DOI: 10.1038/srep25052), den die Jenaer und Kieler Wissenschaftler erstmals detailliert untersucht und beschrieben haben.
Die Weibchen dieser nur wenige Millimeter kleinen Insekten leben ausschließlich parasitisch im Hinterleib der Weidensandbiene. Fast ihr gesamter Körper ist dabei im Wirtstier verborgen; nur der etwa stecknadelkopfgroße Vorderleib schaut aus der Biene heraus. „Um das Weibchen zu begatten, hält sich das Fächerflügler-Männchen am Hinterleib der Biene fest und stößt dem herausschauenden Weibchen seinen hakenförmigen Penis in den Hals“, beschreibt Miriam Peinert den brutalen Vorgang. „Das Sperma befruchtet anschließend tausende Eizellen im Körper der Weibchen, die sich zu winzigen Larven entwickeln.“ Die Biologin ist Erstautorin der Studie und hat über das Paarungsgeschehen von Stylops ovinae ihre Bachelorarbeit an der Jenaer Uni verfasst.
Wenige Wochen später kommen die Larven lebend zur Welt. Die Mutter überlebt die Geburt allerdings nicht. Sie wird von der Investition in ihre Nachkommen praktisch „aufgezehrt“. Überhaupt scheint das Dasein der Fächerflügler nur einem einzigen Zweck zu dienen: Fortpflanzung – und zwar möglichst schnell. Denn die freilebenden und sehr aktiven Männchen, die anders als die Weibchen nicht in Wirtstieren leben, sterben nach wenigen Stunden. Innerhalb der kurzen Lebensspanne müssen sie ein Weibchen finden und sich paaren. Ist der Kontakt erfolgreich aufgenommen, investieren sie jedoch ungewöhnlich viel Zeit in den Paarungsakt. Während andere Insekten sich oft nach wenigen Sekunden wieder trennen, dauert die Paarung bei Stylops ovinae bis zu 30 Minuten, wahrscheinlich um Spermienkonkurrenz mit anderen Männchen zu verringern.
Für ihre aktuelle Studie haben die Jenaer Insektenforscher den Paarungsakt der Fächerflügler erstmals anhand hochaufgelöster rasterelektronenmikroskopischer und computertomographischer Aufnahmen untersucht. „Die Detailaufnahmen belegen eindeutig, dass wir es mit einer traumatischen Insemination direkt in die Leibeshöhle zu tun haben“, unterstreicht Dr. Pohl. Bislang hatten die Forscher angenommen, die Befruchtung erfolge – ohne Verletzung – über den Geburtskanal. Diese Befunde konnten die Wissenschaftler auch durch histologische Untersuchungen bestätigen und dabei eine besondere Begattungstasche im Vorderleib der Weibchen identifizieren, durch die die Männchen die Samenflüssigkeit injizieren. Wahrscheinlich reduziert die Begattungstasche die Kosten für das Weibchen durch die traumatische Insemination, ähnlich wie es bei Bettwanzen nachgewiesen wurde.
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