FSU-Psychologen untersuchen Zusammenhänge zwischen Erfahrungen in der Schule und der Bereitschaft von Jugendlichen, sich gesellschaftlich zu engagieren
Schulen sind nicht nur Institutionen der Gesellschaft, sie sind gleichzeitig auch Institutionen für die Gesellschaft. Laut des Thüringer Schulgesetzes ist ihr wesentlicher Auftrag neben der Wissensvermittlung, jungen Menschen zur gesellschaftlichen Mitverantwortung und zur Mitgestaltung der demokratischen Grundordnung zu verhelfen. Ein Ziel, das gerade aktuell noch wichtiger erscheint als in politisch ruhigeren Zeiten. Ob Schulen das aber überhaupt leisten können und wenn ja, wie dieses Ziel erreichbar wird, haben Prof. Dr. Peter Noack und Dr. Katharina Eckstein vom Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena untersucht.
In einer neuen Studie wurde über ein Jahr verfolgt, wie sich die Bereitschaft von 1.000 Regelschülern und Gymnasiasten im Alter von 12 bis 18 Jahren aus ganz Thüringen entwickelt hat, gesellschaftliches und politisches Engagement zu zeigen. Ausschlaggebend waren dafür vor allem Möglichkeiten, ein offenes Diskussionsklima zu erleben und den schulischen Alltag mitgestalten zu dürfen.
„Die Ergebnisse zeigen, dass sich in dem Maße, in dem ein lebendiger Austausch zwischen Lehrern und Schülern auf Augenhöhe stattfindet, auch über kontroverse Themen, eine positivere Haltung gegenüber gesellschaftlichem und politischem Engagement entwickelt“, sagt Katharina Eckert und ergänzt: „Auch die Absicht, selbst einmal aktiv zu werden, steigt.“ Dasselbe Ergebnis zeigt sich, wenn Schüler die Chance haben, sich zu beteiligen und mitzuentscheiden, etwa bei der Planung von Klassenfahrten oder Schulfesten.
Diese Beobachtung unterstreicht den Anspruch an Schulen als Erfahrungs- und Übungsraum für demokratisches Handeln, der im aktuellen „Thüringer Bildungsplan bis 18 Jahre“ geäußert wurde. „Natürlich geht es nicht ohne Wissen“, sagt Peter Noack, „aber wir können nur bestätigen, wie wichtig die Rolle von Schulen als gesellschaftlicher Mikrokosmos ist. Von Bedeutung ist, wie man dort miteinander umgeht, ob man sich als aktives Mitglied der kleinen Gemeinschaft wahrnimmt und das auch in Situationen, in denen es erst einmal nicht um Politik geht.“ Die reine Vermittlung gesellschaftlichen und politischen Wissens habe hingegen weniger deutlich einen Effekt auf die Einstellungen und das Engagement der Schüler. Worte allein reichen demnach nicht aus, vielmehr sind die Lehrer angehalten, gemeinsam mit ihren Schülern zu handeln.
Die Jenaer Psychologen stellten darüber hinaus fest, dass die Erfahrungen, die Jugendliche in der Schule machen, je nach Schulform unterschiedlich ausfallen. Bei Regelschülern fiel der Einfluss auf die Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu engagieren, deutlicher aus, als bei Gymnasiasten. „Auch in einer anderen Studie, an der Schüler mit und ohne Migrationshintergrund teilnahmen, stellten wir fest, dass schulische Erfahrungen nicht durchweg dieselben Effekte haben“, so Noack, der die Professur für Pädagogische Psychologie an der Universität Jena innehat. Für ihn sei der Zuwachs an Wissen zu solchen Zusammenhängen eine wichtige Basis für zukünftige erfolgsversprechende Unterrichtsstrategien. Schule soll heute mehr denn je leisten. Dass sie gerade in Bezug auf die Erziehung zur demokratischen Handlungsfähigkeit einiges beitragen kann, macht sie gerade bei den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu einer der Stützen der demokratischen Grundordnung.
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