„Thügida-Fackelzug durchs Damenviertel“: Heß gefeiert, Menschen angepöbelt, Reporter bedroht!
Rund 180 rechtsradikale Nationalisten verschiedener „Bewegungen“ haben unsere Stadt gestern in den Ausnahmezustand versetzt, da sie am Todestag von Rudolf Heß mit einem Fackelzug durch das Jenaer Damenviertel marschieren wollten.
Bei rund 2.000 bis 3.000 angekündigten Gegendemonstranten wurde das Damenviertel am 12 Uhr Mittags komplett von der Polizei angeriegelt; lediglich zwei Korridore für Anwohner wurden von den Einsatzkräften freigehalten. Am Ende stiegen die Neonazis gegen 23 Uhr am Saalbahnhof in Züge und fuhren in verschiedene Richtungen von dannen. Abgesehen von kleineren Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken und Demokraten blieb es gestern nach Polizeiangaben friedlich, so dass man sagen kann: Das Konzept der Polizei ging auf.
Mehrfach gab es jedoch auch kurzzeitig Grund zur Sorge bei den Einsatzkräften aus Thüringen und Sachsen, einmal angesichts einer Hausbesetzung durch vermummte Autonome in der Straße Am Planetarium, die jedoch schnell wieder beendet wurde, andere Male bei Aktionen des zivilen Ungehorsams durch Sitzblockaden oder den Versuch von Gegendemonstranten, Absperrungen der Polizei zu durchbrechen und so die genehmigte Marsch-Route der Neo-Nazis zu blockierten.
Dass die Polizei zunächst darauf verzichtete, Räumungsaufforderungen auszusprechen, verärgerte wiederum die Rechtsradikalen (Thügiga-„Festredner“ David Köckert, NPD-Stadtrat aus Greiz, bezeichnete den Einsatzleiter als „unfähig“ und die Blockierer als „Abschaum“), doch hatte man die Lage stets – und wohl auch dank bis in die Abendstunden kontinuierlich kreisender Hubschrauber – im Griff. Insgesamt waren mehrere Hundert Einsatzkräfte im Einsatz, zwei bereit stehende Wasserwerfer kamen nicht zu Einsatz. Trotzdem ging die Polizei bisweilen wenig zimperlich mit Störern um, denn schließlich hatte sie den Ablauf der genehmigten (und damit rechtlich zulässigen) Thügida-Demo zu sichern. Was auch dazu führte, dass die Teilnehmer der Thügida-Demo erhebliche Unterstützung mit Bus und Bahn bekamen, um an ihren Demo-Ort im Damenviertel zu gelangen, u. a. durch den Jenaer Nahverkehr.
Als die Blockierer jedoch zu hartnäckig die Neo-Nazis am Demonstrieren hindern wollten, wurde eine Sitzblockade mit etwa 200 Personen beim Planetarium von der Polizei mit Pfefferspray aufgelöst. Auch JG-Lautsprecherwagen „Lauti“ stand mehrmals im Fokus der Einsatzleitung, die ihn wegen „Verkehrsbehinderung“ beschlagnahmen wollte. Auf rund 2.500 schätzte Polizeisprecherin Steffi Kopp am späten Abend die Zahl der Gegendemonstranten, die den rund 150 bis 180 Teilnehmern des Fackelzugs entgegenstanden.
„Es war ein sehr starker Protest der Jenaer, so dass Teilnehmer der Thügida-Demo große Probleme hatten, an den Veranstaltungsort zu gelangen“, sagte die Polizeisprecherin in der Ostthüringer Zeitung. Zu den Vorfällen aus den Reihen der Protestler gehörten die verschiedenen Durchbruchsversuche an den Polizeisperren und die Verschiedenartigkeit der Wurfgeschosse auf die Fackelläufer: Eier, Äpfel, Farbbeutel und Wasserbomben. Auf der anderen Seite seien Journalisten und Reporter von Neo-Nazis massiv bedroht worden, heißt es. Nach der Hälfte der geplanten Aufmarschstrecke musste der Thügida-Zug stoppen, denn Blockaden verhinderten ein weiteres Vorankommen. Die Teilnehmer der rechten Demonstration brachen nach einem längeren Stopp schießlich ihre Veranstaltung ab und wurden von der Polizei zum Saalbahnhof geleitet.
Bei dem Einsatz wurden nach Polizeiangaben drei Polizisten durch Pfefferspray und Tritt in den Unterleib leicht verletzt. Strafanzeigen und Ordnungswidrigkeitsanzeigen wurden aufgenommen wegen: 1 x wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, 2 x Sachbeschädigung, 15 x Körperverletzung, 4 x falsche Namensangabe, 1 x Nötigung und 1 x Hausfriedensbruch, 6 x Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, 2 x Widerstand gegen Vollzugsbeamten, 1 x gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr. Und so ganz „Rudolf-Heß-frei“, wie von Thügida angekündigt, war die Demo dann doch nicht, wie man aus folgendem Statement aus Dresden sieht.
Hinweis: Verschiedene Twitter-Fotos des Artikels wurden von LCBendtner aufgenommen.
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