„Fackeln gegen Kerzen – Abendlieder gegen Hetze“: Wie Jena mit dem Aufmarsch der wenigen THÜGIDA Provokateure umging
Am Abend hatte David Köckert sein Nahziel erreicht: Er war mit seinen rund siebzig nationalen Fackelträgern bei SPIEGEL Online erwähnt worden. Bis dahin war sein mit Reichskriegsflagge, Trommeln und Fackeln ausgestattetets Fähnlein zwar bereits schon in den Reihen der knapp 1.000 Polizisten und mehr als 1.500 Gegendemonstranten untergegangen, aber Schreihals Köckert hatte via Megaphonwagen die Jenaerinnen und Jenaer zwischen Saalbahnhof und Spittelplatz genervt und provoziert.
Unter anderem mit per Konserve engespielten Minarettgesängen versuchten seine Mannen die Hubschraubergeräusche zu überstimmen und was der rechtsradikale THÜGIDA-Chef dann in die Welt hinausposaunte war mehr als abstrus. Man habe ja gesehen, dass Donald Trump belacht worden wäre und heute sei der Präsident der USA. Auch er, Köckert, werde belacht, aber wenn er dann dereinst Präsident sei „oder Staatsanwalt oder Richter, dann können sie sich warm anziehene, Herr Pfeiffer, weil dann kann es schnell kommene, dass sie ihr weiteres Leben im Hungerturm fristene werden.“ und so weiter und so fort.
Dabei konnte die überschaubare Schaar an rechten Demonstranten durchaus froh sein, dass Jenas Rechtsbereitsleiter Martin Pfeiffer die Versammlung nicht schon vor deren Ende abbrechen ließ, denn offensichtlich hatte sich THÜGIDA wieder nicht an einige Punkte der Auflagen gehalten (u.a. bei der Anzahl der mitgeführten Fackeln). Angemeldet war die Demo zudem als Reaktion auf die Maueröffnung am 9. November 1989 und eben nicht dem Tag der Reichspogromnacht, dem 9. November 1938. Dass „Reichskriegsflaggen“ mit angedeutetem Hakenkreuz unter dem Adler mit dem Mauerfall wenig zu tun hatten, fiel auch David Köckert auf, der seine Anhänger schon vor dem Beginn des Marsches (auf Bitten der Polizei) aufforderte, die Fahnen einzuholen.
Jena ging insgesamt entspannt mit der Provokation um, setzte auf das Singen von Abendliedern („Der Mond ist aufgegangen“), Gebete, persönliche Präsenz (20 Gegendemonstranten pro rechtem Provokateur) und dem Zeigen von Kerzen. An der Nollendorfer Straße riefen rund 300 Gegendemonstranten „Haut ab!“, als sich der THÜGIDA-Zug gegen 19 Uhr in Bewegung setzte und buhten die Rechten aus. Festnahmen und Anzeigen gab es auch und zwar auf beiden Seiten. Zu den „Reichskriegsflaggen“ erklärte die Polizei, dass diese „dem äußeren Anschein nach eine Nähe zu Darstellungsformen des dritten Reiches und somit möglicherweise Bezüge zum 09.11.1938 hätten darstellen können.“ Die Fahnen seien jedoch „nach jetzigem Stand strafrechtlich nicht relevant“ gewesen. Im Umfeld des Aufzuges hätten 15 Straftaten aufgenommen werden müssen, wie die Polizei mitteilen ließ:
1 x Landfriedensbruch (Durchbruchsversuch von Gegendemonstranten) / 5 x Verstoß gegen das Versammlungsgesetz (durch Vermummung) / 1 x § 86 a Strafgesetzbuch (Zeigen des Hitlergrußes mit dem Ruf „Sieg heil“) / 6 x Körperverletzung (davon 1 x mit einer Holzlatte gegen einen Polizeibeamten) / 1 x Beleidigung / 1x Hausfriedensbruch
Bei dem Einsatz wurden vier Polizeivollzugsbeamte durch Reizgas und körperliche Auseinandersetzungen leicht verletzt, seien jedoch weiterhin dienstfähig. Fünf Personen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen, wie die Polizei berichtete.
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