In München geht der „NSU“-Prozess zu Ende: Der 326. bis 331. Verhandlungstag
Zusammengefasst und kommentiert aus Pressemeldungen:
13.12./14.12./15.12.2016: Der 326. bis 328. Verhandlungstag
Der „NSU“-Prozess in München geht in seine Schlussphase, wobei nun hauptsächlich Anträge der Nebenkläger abgearbeitet werden. Dabei bestätigten sich am 326. Tag des Verfahrens vor dem OLG München umfangreiche Recherchen des Nebenklägervertreters RA Langer, der akribisch in einem Zeitungsarchiv Meldungen aus dem Jahrtausendwechsel über Vorfälle rund um die Wolgograder Allee 76 in Chemnitz durchforstet hatte; dort wohnten Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe 18 Monate lang von April 1999 bis Juli/August 2000 im Untergrund. Langer fand einen Bericht über einen Vorfall, bei dem am 14.06.2000 ein Bauarbeiter in der Chemnitzer Wolgograder Allee mit einem Luftgewehr angeschossen worden war.
Der Angeklagte Carsten Sch#ltz# hatte u.a. in der Hauptverhandlung im Juni 2013 berichtet, dass ihm der in München Angeklagte Ralf Wohlleben nach einem Telefonat mit den untergetauchten Böhnhardt und Mundlos mitgeteilt habe: „Die Idioten haben jemanden angeschossen.“ Auf Antrag der Nebenklage hatte das BKA den Auftrag erhalten, Langers Recherche zu überprüfen und in der Tat bestätigte der Zeuge Sch., ein Mitarbeiter des BKA, er habe die Informationen der Nebenklage nachrecherchiert und könne diese im Wesentlichen bestätigen. Damit erhöhte sich die Glaubwürdigkeit von Sch#ltz#s allgemeinen Aussagen im Prozess, was auch Auswirkung auf dessen Angaben zum Auftrag zum Ankauf der Ceska-Pistole durch den Mitangeklagten Ralf Wohlleben haben dürfte. Im Anschluss wurde noch der Antrag aus der Nebenklage, die Ermittlungsakte im Tötungsverfahren Peggy Knobloch beizuziehen, abgelehnt.
Mit Spannung war an Tag 327 des Münchner „NSU“-Prozesses die Aussage der Krankenschwester Heike B. erwartet worden. War sie die Frau, die im Mai 2000 zusammen mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Berliner Café „Wasserturm“ in der Nähe der Synagoge gesessen hatte? Und falls ja, war sie über Details eines möglichen Anschlags informiert? Doch es wurde eine ernüchternde Zeugenbefragung der vierfachen Mutter. Ein Beispiel: Der Vorsitzende Richter Götzl fragte die Zeugin: „Kennen Sie den Namen Wohlleben?“ Antwort: „Nein.“ Götzl: „Was ist mit dem Namen Em#ng#r?“ Heike B.: „Nein.“ Der Vorsitzende Richter: „Den Namen Böhnhardt?“ Die Zeugin: „Nein.“ Götzl: „Kennen Sie die Angeklagte?“ Antwort: „Nein.“ Wie das sein könne, fragte Götzl nach, sschließlich habe sie doch sicher schon Berichte über den ‚NSU‘-Prozess verfolgt. „Ich habe es nicht so mit Namen“, sagte die Zeugin. Auch an den „Wasserturm“ in Berlin gab es keine Erinnerung. „Ich kann mich nicht an so ein Lokal erinnern“, sagte sie. Der Vorsitzende Richter hatte schließlich ein Einsehen und entließ die Zeugin aus dem Zeugenstand.
Am 328. der Prozesses ging es vor allem um verfahrenstechnische Dinge; Zeugen waren nicht geladen.
20.12./21.12.2016: Der 329. und 330. Verhandlungstag
Nach mehr als dreieinhalb Jahren Dauer des „NSU“-Prozesses sollte der psychiatrische Sachverständige am 329. Verhandlungstag sein Gutachten zu Beate Zschäpes Schuldfähigkeit vorlegen. Gleichermaßen hätte dieses Gutachten als vorerst letztes Beweismittel das bevorstehende Ende des Mammutverfahrens markieren sollen. Im Bericht des psychiatrischen Mediziners Prof. Henning Saß geht es dabei nicht nur um die Frage von Zschäpes Schuldfähigkeit sondern auch darum, ob das Gericht zusätzlich zu einer Haftstrafe eine Sicherungsverwahrung über sie verhängen kann. Allerdings warfen Zschäpes Pflichtverteidiger Prof. Saß methodische Fehler bei der Beurteilung der Angeklagten vor. Unter anderem habe der Mediziner durch die Fernbeurteilung Zschäpes (sprechen konnte der Sachverständige mit Zschäpe nicht, weil sie dazu nicht bereit war) gegen seine eigene Fachmeinung verstoßen, argumentierten sie. Zschäpes Verteidigung hatte dem Gericht außerdem das Gegengutachten eines anderen Experten angekündigt.
Am 330. Verhandlungstag berichtete der Vorsitzende Richter der Kammer am OLG München, dass das Gericht eine Abberufung des psychiatrischen Gutachters Prof. Henning Saß ablehne. Daraufhin erklärte Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer, dass seine Mandantin erneut einen Befangenheitsantrag gegen die Richter im „NSU“-Prozess stellen werde. Das Oberlandesgericht München unterbrach auf Wunsch Heers daraufhin die Sitzung bis zum frühen Nachmittag, damit die verschiedenen Anwälte der Hauptangeklagten den Befangenheitsantrag formulieren konnten.
Der als letzter Verhandlungstag des Jahres 2016 angesetzte Tag 331 wurde abgesagt und fiel daher aus.
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