„Hirn-OP unter Hypnose“: Premiere in der Neurochirurgie des Universitätsklinikums Jena bei krankhaftem Zittern (Tremor)
Am Universitätsklinikum Jena (UKJ) wurde der wohl weltweit erste Eingriff zur Tiefenhirnstimulation bei starkem Zittern der Hände (Tremor) unter Hypnose durchgeführt. Bei diesem Verfahren werden gezielt Hirnareale elektrisch stimuliert, die für den Tremor verantwortlich sind. Dadurch wird dieser wirksam unterdrückt und der Patient kann zum Beispiel wieder ungestört essen und schreiben. Da feine Elektroden direkt tief in das Hirn implantiert werden, wird oft von „Hirnschrittmachern“ gesprochen. Der 73-jährige Patient aus Thüringen, dessen Tremor sich mit Medikamenten nicht ausreichend besserte, hat den rund sechsstündigen Eingriff in Hypnose sehr gut überstanden und ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden.
In der Regel finden solche Eingriffe mit einer Narkose statt. Dabei ist wichtig: Nachdem die Elektroden in dem betroffenen Hirnareal eingebracht worden sind, werden die Patienten aus der Narkose geholt, um im Wachzustand zu prüfen, ob die Elektroden exakt platziert sind, also der Tremor wirksam unterdrückt ist. „Durch die sedierende Wirkung der Narkose kann es hier jedoch zu verzerrten Ergebnissen kommen. Bei der Hypnose entfallen diese Nebenwirkungen der Narkose. Für die Erfolgskontrolle während des Einsetzens der Elektroden ist das ein enormer Vorteil“, erklärt Dr. Rupert Reichart, Oberarzt der Klinik für Neurochirurgie am UKJ. Während des Eingriffs an der Jenaer Uniklinik war permanent ein Anästhesie-Team im Stand-By-Modus anwesend. Die Klinik gehört zu den wenigen Zentren in Deutschland, die eine tiefe Hirnstimulation anbieten. Etwa zwölf Eingriffe dieser Art führen die Experten um Klinikdirektor Prof. Dr. Rolf Kalff jährlich durch.
Dr. Reichart hat während des Eingriffs für die erforderliche Sprach-Hypnose gesorgt und den Patienten während der gesamten OP in Hypnose gehalten. PD Dr. Walter hat den eigentlichen Eingriff durchgeführt. Oberarzt Dr. Tino Prell, Leiter des Bereichs Bewegungsstörung aus der Klinik für Neurologie, überprüfte während der Operation und nach dem Erwachen aus der Hypnose den Erfolg des Eingriffs. Er zeigte sich begeistert, wie kooperativ und klar der Patient agierte: „Dieses Verfahren ermöglicht eine bisher einzigartige Überprüfung des Effekts der Tiefenhirnstimulation und damit eine deutlich bessere und gezielte Elektrodenanlage als bei den üblichen Verfahren in Narkose“. Dr. Reichart betont: „Mit Esoterik oder Tricks von pendelschwingenden TV-Magiern hat das nichts zu tun. Und selbstverständlich kann ein solches Verfahren nicht bei allen Patienten angewandt werden. Patienten, die aber zum Beispiel keine Narkose vertragen, können davon profitieren – wenn sie hypnosefähig sind.“ Dr. Reichart hat die erforderliche Expertise zur medizinischen Hypnose unter anderem durch eine akademische Ausbildung an der Medizinischen Universität Wien erworben. Er ist einer der wenigen neurochirurgischen Ärzte in Deutschland mit dieser Zusatzqualifikation.
Während die medizinische Hypnose in anderen europäischen Ländern, etwa in Frankreich, recht weit verbreitet ist, fristet sie in Deutschland eher ein Nischendasein. Trotzdem war der Jenaer Neurochirurg positiv überrascht, mit welcher Offenheit seine ärztlichen Kollegen dem Thema gegenüberstehen. Er selbst ist vor Jahren im Rahmen seiner Arbeit zur Schmerztherapie auf die Einsatzmöglichkeiten der medizinischen Hypnose gestoßen. Auf diesem Gebiet existieren zahlreiche Einsatzmöglichkeiten der Hypnose, die Deutsche Schmerzgesellschaft beispielsweise bietet entsprechende Weiterbildungen an. Aber auch anspruchsvolle neurochirurgische Eingriffe, wie die Tiefenhirnsimulation, sind möglich, wenn die medizinischen Kompetenzen vorhanden und alle Voraussetzungen beim Patienten erfüllt sind. Dr. Reichart: „Dafür ist eine intensive und transparente Vorbereitung gemeinsam mit dem Patienten nötig.“
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