Tim Schwarz beschreibt „Beate Zschäpe: Wie sie wurde, was sie heute ist“ (Teil 1)
Der Person Beate Zschäpe kann man sich auf verschiedenen Wegen nähern: kriminalistisch, psychologisch, menschlich. Man mag sie als herzenskalte Terroristin sehen, als Unmensch, Opfer, Unschuldslamm oder als Figur. In allen Fällen scheint es wichtig, zu erkennen, wie diese Frau wurde, was sie heute ist.
Ihre Vita bis zum Gang in den Untergrund Ende 1998: Am 2. Januar 1975 in Jena als einzige Tochter der Zahnmedizin-Studentin Annerose Apel geboren – der Vater gilt als unbekannt, soll nach Angaben ihrer Mutter ein rumänischer Kommilitone gewesen sein, der in der Saalestadt studierte – wächst Beate Apel in einfachen Verhältnissen auf. Hauptbezugsperson während der Kindheit und Jugend wird ihre Großmutter. Zschäpes Mutter wird Zahnärztin, heiratet zweimal, lässt sich scheiden. Zschäpe nimmt jeweils den Nachnamen des neuen Partners ihrer Mutter an, zuletzt Zschäpe.
In ihren ersten zehn Lebensjahren kommt es zu insgesamt fünf Umzügen in Jena und der Region. Zur Zeit der Wende ist Beate Zschäpe 14 Jahre alt, Annerose Zschäpe zieht nochmals um, dieses Mal in den im Südwesten Jenas neu entstandenen Stadtteil Winzerla. Ihre Mutter sei zu dieser Zeit arbeitslos und alkoholabhängig gewesen, erklärte die Tochter später vor Gericht in einer Erklärung, die ihr Anwalt vorträgt, habe ihr so gut wie kein Taschengeld gegeben, so dass sich Zschäpe an kleineren Diebstählen „habe beteiligen müssen“.
1991 verlässt Beate Zschäpe nach Abschluss der zehnten Klasse die staatliche Regelschule „Johann Wolfgang von Goethe“ in Winzerla und beginnt danach im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme der Stadt Jena bei deren Berufs- und Arbeitsförderungsgesellschaft eine Tätigkeit als Malergehilfin in der Jugendwerkstatt. Über vier Jahre (1992 bis 1996) machte sie schließlich eine Lehre als Gärtnerin mit der Fachrichtung Gemüsebau. Im gleichen Zeitraum findet Zschäpe erstmals feste Freunde im sog. Winzerclub, einem Jugendclub in Winzerla, bei der dort aktiven rechtsnationalen Jugendclique „Winzer-Clan“. Dort lernt sie zuerst Uwe Mundlos kennen, der ihr fester Freund wird, kurz nach ihrem 19. Geburtstag Uwe Böhnhardt. Das Trio bildete gemeinsam mit Ralf Wohlleben, Holger Gerlach und Andre Kapke die rechtsradikale „Kameradschaft Jena“, die sich bundesweit an Aufmärschen der Neonazi-Szene oder militanten Aktionen der „Anti-Antifa Ostthüringen“ (AAO) beteiligt. Beate Zschäpe ist heute noch auf vielen Fotos aus dieser Zeit zu erkennen, die belegen, dass sie damals ein aktives Mitglied der Neonazi-Szene war. Kurz nach dem Wehrdienst-Ende von Uwe Mundlos trennte sich Zschäpe von diesem und wird die Lebensgefährtin von Uwe Böhnhardt.
Dies tat jedoch dem Zusammenhalt des Trios keinen Abbruch, auch nicht als aus der AAO eine Nachfolgeorganisation namens „Thüringer Heimatschutz“ wurde, die u.a. über Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt Kontakte zum Neonazi-Netzwerk Blood and Honour aus dem sächsischen Großraum Chemnitz/Zwickau/Erzgebirge pflegte, aus dem später fast alle nicht-Thüringischen „NSU“-Unterstützer stammten. Beate Zschäpes enge Verbindung zur Szene zeigte sich auch darin, dass sie ab Mitte der 1990er Jahre unter ihrem Namen politisch rechte Demonstrationen in Jena anmeldete, sich aktiv an Hetzjagden auf linke Jugendliche oder der Erpressung von vietnamesischen Zigarettenhändlern sowie Körperverletzungen beteiligte.
Ende der 1990er Jahre war Beate Zschäpe – die zwanzig Jahre später in München auf der Anklagebank sitzen wird – für die Jenaer Polizei kein unbeschriebenes Blatt, weshalb diese, nachdem 1996 und 1997 in Jena mehrere Bombenattrappen und zündunfähige Sprengkörper gefunden worden waren, am 26. Januar 1998 mit richterlicher Anordnung die Jenaer Wohnungen von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt durchsuchte. In Zschäpes Wohnung fanden sich neben Waffen ein handgefertigtes Brettspiel namens Pogromly (= eine Art Monopoly für Neonazis, mit dem die Vernichtung von Juden gespielt werden konnte), in einer von ihr angemieteten Garage schließlich vier Rohrbomben mit fast 1,5 Kilogramm TNT, welches ihr 1997 Blood and Honour-Mitglied Thomas Starke besorgt hatte, mit dem Zschäpe in dieser Zeit fünf Monate lang liiert gewesen war.
Gegen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt wurden seinerzeit schnell Haftbefehle erlassen, doch bereits unmittelbar nach der Durchsuchungsaktion waren die drei mit Hilfe von Ralf Wohlleben und Unterstützung ihrer Blood and Honour-Connection nach Sachsen geflüchtet und in Chemnitz untergetaucht.
Man muss also festhalten: Bereits im Alter von 23 Jahren war Beate Zschäpe extrem rechts ideologisiert und verwurzelt, dachte rechts, agierte rechts, setzte vielleicht sogar ihre Sexualität ein, um ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt – später bezeichnete Zschäpe die beiden als „meine Familie“ – Sprengstoff zu verschaffen, hatte gegen Gewalt an Andersdenkenden und Migranten nichts auszusetzen, wendete sie sogar selbst an.
Mit dem Gang in den Untergrund brachen ihre wenigen Sozialkontakte außerhalb der rechten Szene völlig ab: ehemalige Arbeitskollegen, ein, zwei Freundinnen, die geliebte Großmutter. Stattdessen darf und kann sie nun nicht mehr in der Öffentlichkeit agieren, ohne sich der Gefahr auszusetzen, entdeckt zu werden und ins Gefängnis gehen zu müssen. Katzen werden ihre Spielgefährten – erst Jahre später wagte sich Beate Zschäpe geborene Apel wieder offen in die Außenwelt, nutzte hierfür Aliasnamen, nannte sich mal Lise dann Lisa, Susann, Silvia oder Mandy, versehen mit Nachnamen wie Bucilowski, Eminger, Pohl oder Struck – ganz so, als habe ihre Mutter wieder das eine oder andere Mal geheiratet und die Tochter musste mit ihrem Nachnamen folgen.
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