Tim Schwarz beschreibt „Beate Zschäpe: Wie sie wurde, was sie heute ist“ (Teil 3)
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Zum Thema der Gründung einer Terrorgruppe mit dem Namen „Nationalsozialistischer Untergrund“ – abgekürzt „NSU“ / Motto: „Taten statt Worte“ – ließ die Jenaerin Beate Zschäpe vor dem Münchner Oberlandesgericht erklären, dass „überhaupt keine Rede davon sein (könne), dass ich ein Gründungsmitglied einer Vereinigung namens NSU gewesen sein soll. Eine solche Gründung hat nie stattgefunden.“ Sie habe sich deshalb weder damals noch heute als Mitglied in einer solchen Vereinigung gesehen, so Zschäpe, die über ihre Anwälte weiter verlesen ließ: „Ich weise den Vorwurf der Anklage, ich sei ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung namens NSU gewesen, zurück.“
Dennoch zeichnet die Beweisaufnahme im „NSU“-Prozess ein anderes Bild. Viele Daten und Dateien auf den Festplatten der in der, von Beate Zschäpe einzig und allein zum Zweck der Beweisvernichtung mit Benzin überschütteten und in Brand gesetzten, Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße zeigen, welche Ideologie der „NSU“ hatte und welche Ziele er verfolgte. In ihm war Zschäpe keineswegs die unwissende Außenseiterin sondern ein gleichberechtigtes Mitglied, weder abhängig noch unterdrückt von Mundlos und Böhnhardt, wie sie es bei Gericht vorgibt. Ihre Rolle war, so das Plädoyer der Bundesanwaltschaft, eine zentrale, ohne die die Taten des „NSU“ nicht so viele Jahre lang unentdeckt möglich gewesen seien.
Zschäpe bestreitet aber nicht nur, Mitglied des „NSU“ gewesen zu sein sondern darüber hinaus grundsätzlich jegliche Beteiligung an den zehn Morden und zwei Sprengstoffanschlägen, die im Namen des „NSU“ begangen wurden. Aus ihrer Sicht habe es sich beispielsweise bei den beiden Bombenanschläge in Köln um (Zitat) „brutale und willkürliche Aktion gehandelt“, die sie weder unterstützt noch gut geheißen habe. Allerdings zeigte die Beweisaufnahme in Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht, dass sich genau unter Zschäpes Hochbett in der letzten Zwickauer Wohnung der Haupt-Computer des Trios befunden hatte, der allen dreien zur Verfügung stand und – auch das ergaben die Untersuchungen des Bundeskriminalamtes eindeutig – von allen dreien genutzt worden ist, so Bundesanwältin Greger. Aus den festgestellten Recherchen, die das Trio an diesem Rechner durchgeführt hatte, zog die Anklagebehörde Rückschlüsse auf die Aufgabenteilung des Trios.
„Weshalb konnte das Trio mehr als dreizehn Jahre lang unentdeckt im Untergrund leben, töten, rauben?“ fragte Greger in ihrem Plädoyer. Ihre Feststellung: Nur weil Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos ein „unglaubliches Vertrauen zusammengeschweißt“ habe, sei dies möglich gewesen. Keineswegs seien im tagtäglichen Leben des „NSU“ die beiden Männer „ein psychopathisches Duo“ gewesen, das „in mörderische Exzesse verfallen sei“, während Beate Zschäpe ihr eigenes, anderes Leben nebenher gelebt habe – so besagte es die Selbstdarstellung der Jenaerin im Prozess.
Auch die Tatsache, dass Zschäpe, unmittelbar bevor sie die Wohnung in Brand setzte und explodieren ließ, anderthalb Dutzend DVDs mit dem Bekennervideo des „NSU“ an sich nahm und sie in den darauf folgenden Tagen während ihrer Flucht mit der Post an den deutschtürkischen Kulturverein, das türkische Generalkonsulat und andere politische und religiöse Einrichtungen und Institutionen verschickte, obwohl Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bereits nicht mehr am Leben waren, zeuge nicht davon, dass sich die Hauptangeklagte im „NSU“Prozess „weder damals noch heute als Mitglied in einer solchen Vereinigung“ gesehen habe, wie Zschäpe es habe erklären lassen, sagte Greger. Im Gegenteil: Dieses von Zschäpe verbreitete Video, in dem zu sehen ist, dass Mundlos und Böhnhardt mit einer Kamera ausgerüstet ihre arg- und wehrlosen Opfer in verschiedensten deutschen Städten am helllichten Tag aus kürzester Nähe hinrichteten und direkt danach fotografierten, verhöhne alle Opfer des „NSU“ und deren Angehörige noch mit dazu.
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