Tim Schwarz beschreibt „Beate Zschäpe: Wie sie wurde, was sie heute ist“ (Teil 5)

01.08.17 • INTERESSANTES, JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu Tim Schwarz beschreibt „Beate Zschäpe: Wie sie wurde, was sie heute ist“ (Teil 5)

Die vielen Gesichter der Beate Z – Grafik © Ulli Hartmann

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Die Ermittlungsverfahren gegen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt stellte die Staatsanwaltschaft Gera im Frühjahr 2003 ein, ebenso die Zielfahndung. Bis zum April 2008 wohnte das Terrortrio unerkannt in der Polenzstraße in Zwickau, zog danach letztmals um, an den nördlichen Stadtrand in eine Wohnung in der Frühlingsstraße, angemietet wie schon die vorige Wohnung von einem Helfer unter dessen Namen Dienelt; wieder gab sich Beate Zschäpe hier als die Schwester des Mieters aus: Lisa Dienelt. Man kann fast sagen, dass das Terrortrio nach dem Umzug in die Obergeschosswohnung in der Frühlingsstraße 26 „zur Ruhe gekommen“ war. Geld hatte man genug: allein die letzten beiden Sparkassenüberfälle in Stralsund hatten Anfang 2007 die unglaubliche Summe von 255.000 Euro für die von Beate Zschäpe verwaltete Haushaltskasse gebracht. Außerdem passierte der zehnte und letzte „NSU“-Mord an der Heilbronner Polizistin genau ein Jahr zuvor.

Ihre Vita im Untergrund (II): Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe bauten 2009 diese letzte Wohnung mittels verschiedener Überwachungskameras zu einer Art starker Festung um inklusive eines Raums, in dem in einem Safe das Geld und die Bekenner-DVDs lagerten, zudem die Waffen des „NSU“ und viele Dokumente und Devotionalien zu den „NSU“-Taten. Die Wohnung, die das Trio aus zwei zusammengeführte Einzelwohnungen „gebaut“ hatte (die mittels einer beweglichen Sperrholzwand geteilt war in einen für Bekannten zugänglichen und den konspirativen Teil getrennt war) hatte einen Eingang mit einer schweren Holztür und war schallisoliert, ihre Kellertür war mit einem Bewegungsmelder ausgestattet.

In der Wohnung gab es einen eigenen Raum für Uwe Mundlos, einen Fitnessraum für alle, einen Schlafraum für Zschäpe und Böhnhardt und ein Katzenzimmer, doch man darf davon ausgehen, dass jeder gleichberechtigt jeden Raum betreten konnte. So fanden sich in der ausgebrannten Wohnung sogar die Überreste eines Zeitungsarchivs mit Berichten über die Morde und Bombenanschläge des „NSU“, laut Anklagebehörde akribisch geführt und  immer nach den jeweiligen Taten aktualisiert. Auf einigen Ausschnitten gab es Finderabdrücke Beate Zschäpes, die mehrfach über ihre Anwälte hatte erklären lassen, von den Taten nichts mitbekommen und teilweise erst lange danach erfahren zu haben. Doch die Bundesanwaltschaft sieht Zschäpes Rolle im Trio eher darin, nach außen den Schein einer intakten Wohngemeinschaft inszeniert zu haben, um so ihren Lebensgefährten Uwe Böhnhardt und „NSU“-Stratege Uwe Mundlos zu schützen.

So fuhren die drei mindestens seit 2006 jeden Sommer zu einem mehrwöchigen Campingurlaub nach Fehmarn und Platznachbarn berichteten den Ermittlern später davon, dass Zschäpe dabei entspannt wirkte, für die beiden Männer das Geld verwaltete, sich mit Kindern befasste und Sport trieb. Während der Urlaubszeit erhielt dafür 2008 bis 2011 eine bezahlte Katzenpflegerin den Wohnungsschlüssel für die Frühlngsstraße. Der Wasserverbrauch der Wohnung lässt zudem darauf schließen, dass das Trio – zumindest aber die beiden Männer – oft unterwegs war. Hatten sie zuvor in der Polenzstraße im Schnitt insgesamt 144 Liter pro Tag verbraucht, waren es in der letzten Wohnung im Durchschnitt nur noch 70 Liter am Tag. Doch weiß man nur wenig über die dreieinhalb Jahre des Trios in der Frühlingsstraße 26. Dokumentiert sind die Urlaube, die Tierarztbesuche Zschäpes, die Abstecher zu Zwickauer Stadtfesten, die Gegenbesuche von Susann und André Em#ng#r sowie deren Kinder in der „NSU“-Wohnung, die Fahrten des Trios zu Holger Gerlach in die Nähe von Hannover, die Wohnmobilfahren der zweiten Jahreshälfte 2011 sowie Zschäpes Bahncard auf den Namen Susann Em#ng#r.

Außerdem hat Beate Zschäpe zugegeben, dass sie am 4. November 2011 die letzte „NSU“-Wohnung in Brand gesetzt hat. Danach gab sie ihre beiden Katzen bei einer Nachbarin in Obhut und wurde – so die Anklage – entweder nur von André oder aber André und Susann Em#ng#r mit dem Auto aufgenommen und zum Zwickauer Bahnhof gefahren, tauschte dort Kleider und begann schließlich mit der Bahn ihre Flucht, die am 8. November 2011 in Jena endete.

Fortsetzung und Ende in Teil 6!

 





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