„Cassinis letzte Sekunden“: Die NASA zum kontrollierten Absturz der Saturn-Sonde auf den riesigen Gasplanaten

15.10.17 • INTERESSANTES, JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, WISSENSCHAFT, MEDIZIN & TECHNIKKeine Kommentare zu „Cassinis letzte Sekunden“: Die NASA zum kontrollierten Absturz der Saturn-Sonde auf den riesigen Gasplanaten

Eines von Cassinis Abschiedsfotos mit Saturn-Mond Enceladus vor der Atmosphäde des Riesenplaneten. – Foto © NASA JPL-Caltech Space Science Institute

(Bernhard Doepfer) – Als die Cassini-Raumsonde der NASA am 15. September 2017 ihren Eintritt in die obere Atmosphäre des Saturn unternahm, sendete sie live die Daten von acht ihrer wissenschaftlichen Instrumente an die Erde. Während die Analyse der wissenschaftlichen Daten vom „Tod am Saturn“ einige Zeit in Anspruch nehmen wird, haben die Cassini-Missionswissenschaftler der NASA bereits nach einem Monat ein relativ gutes Verständnis davon gewonnen, wie sich das Raumfahrzeug beim Eintritt in die Saturm-Atmosphäre verhalten hat. Die gewonnenen Erfahrungen und Daten seien erstens wichtig und nützlich für die Bewertung der Saturn-Atmosphäre und geben zweitens HInweise für künftige Voraussagen, wie sich kommende Raumfahrzeugs verhalten könnten, wenn diese in die Atmosphäre des Gasplaneten eintreten, so die amerikanische Weltraumbehörde NASA in einer Mittteilung der vergangenen Woche.

Der Hauptaugenmerk lag dabei auf den Telemetriedaten der kleinen Lagesteuerungs-Triebwerke des Raumfahrzeugs. Hierzu muss man wissen, dass jedes der Cassini-Triebwerke lediglich in der Lage war, eine Kraft von einem halben Newton zu erzeugen, was ungefähr dem Gewicht eines Tennisballs auf der Erde entspricht. Als die Cassini-Sonde in die obersten Schichten der Saturn-Atmosphäre eintrat – diese war hier ungefähr so ​​dicht, wie die dünne Gasschicht, in welcher die Internationale Raumstation ISS unsere Erde umkreist – war sie ungefähr 4,5 mal schneller als die Raumstation. Trotz der Tatsache, dass dieser Gasdruck fast ein Vakuum ist, vervielfachte die fast fünf mal höhere Geschwindigkeit von Cassini gegenüber der ISS im Zusammenklang mit der erheblich höheren Anziehungskraft des Saturn gegenüber der Erde die Eintrittsgeschwindigkeit derart, dass der dynamische Druck, den die dünne Atmosphäre auf Cassini ausübte (laut NASA vergleichbar mit dem Fahrtwind auf einer Hand außerhalb des Fensters eines Kraftfahrzeugs, dass sich mit knapp 25 Stundenkilometern bewegt), schon fünf Minten nach dem Eintritt in die obersten Schichten eine Kraft erzeugte, die vergleichbar war, mit dem Fahrtwind auf einer Hand bei mehr als 100 Stundenkilometern.

So trat Cassini am 15. September 2017 in die Atmosphäre des Saturn ein. An der rechte Seite unterhalb der Parabolantenne sieht man den etwa 11 Meter langen Magnetometer-Arm. – Künstlerische Impression © NASA JPL-Caltech

Die Daten zeigen, dass Cassini in diesem fünf Minuten des Atmosphäreneintritts erst subtil hin und her schwankte und seine Triebwerke jede Minute leicht pulsierten, um die Sendeantenne auf der Erde gerichtet zu halten. Zudem versuchte ein leichter Zug von Saturns Schwerkraft, das Raumschiff zu drehen. „Um die Antenne auf die Erde zeigen zu lassen, haben wir eine sogenannte Bang-Bang-Kontrolle verwendet“, erklärte Julie Webster, Cassinis Missionsleiterin im NASA Jet Propulsion Laboratory in Pasadena/Kalifornien (JPL). „Wir gaben dem Raumfahrzeug vorab einen engen Bereich, in welchem es sich drehen durfte, und wenn es diesen überschritt, wurde ein Triebwerk ausgelöst, das Cassini in die andere Richtung schob.“ Die empfangenen Daten zeigen, dass Cassini seine Orientierung auf diese Weise bis etwa drei Minuten vor dem Signalverlust korrigiert hat und relativ stabil auf den Saturn zuflog.

Als Cassini jedoch ungefähr 1.900 Kilometer über den sichtbaren Gaswolkenspitzen begann, dichtere Schichten der Saturn Atmosphäre zu streifen, drückten die Atmosphärengase derart gegen den 11 Meter langen Magnetometer-Arm, der an der Seite des Raumfahrzeugs befestigt war, dass Cassini leicht zu drehen und zu taumeln begann. Als Reaktion darauf feuerten die Triebwerke stärkere Korrektursalven, um zu verhindern, dass sich die NASA-Sonde weiter zu drehen begann. In dieser Phase des Eintritts in die Saturnatmosphäre zeigte die Parabolantenne immer noch in Richtung Erde, wackelte jedoch etwas, weshalb einige Daten verloren gingen. In den darauf folgenden zweieinhalb Minuten, fingen die Triebwerke an, immer häufiger und länger Impulse zu feuern – genau so, wie die NASA-Ingenieure des Jet Propulsion Laboratory es vorhergesagt hatten: Cassinis finaler Kampf mit Saturn fand statt.

Cassini Infrared-Image of the entry in the Saturn atmosphere. The point at which the signal was later lost is marked white. Image © NASA JPL-Caltech Space Science Institute

Mit fast kontinuierlich betriebenen Triebwerken hielt sich das Raumschiff schließlich 91 Sekunden lang gegen die Saturnatmosphäre aktiv – die Triebwerke erreichten in den letzten 20 Sekunden, bevor das Signal verloren ging, 100 Prozent ihrer Leistung. Die letzten acht Sekunden der empfangenen kontinuierlichen Daten zeigen, dass Cassini begann, langsam rückwärts zu kippen, dabei aber immer wieder neu stabiliert wurde. Dann brach das zuvor fokussierte Datenstreaming auf den Monitoren der JPL-Missionskontrolle ab. Doch auch noch nachdem die eigentlichen Telemetriedaten ausblieben, empfing die NASA noch ein Funkträgersignalvon seiner Saturn-Sonde. Schließlich herrschte aber 24 Sekunden nach dem Verlust der Telemetriedaten endgültig Funkdatenstille: Cassini war offensichtlich derart ins Strudeln geraten, dass das Raumschiff zerbrochen und seine Einzelteile verglüht sind.

„Nein, diese 24 Sekunden waren kein Comeback der Daten sondern eher eine Art Datensignalrest, als sich Cassini zufällig noch einmal kurz in Richtung Erde drehte, als das Raumschiff bereits instabil war“, sagte Webster. Da Cassini jedoch nie dafür konzipiert worden war, um in eine planetarische Atmosphäre zu fliegen, sei es „bemerkenswert, dass das Raumschiff so lange funktionierte und es seinen wissenschaftlichen Instrumenten erlaubte, Daten zu senden“, ergänzte Earl Maize, Cassini Projektmanager bei JPL. „Es war ein solide gebautes Raumfahrzeug und es hat während seiner langen Mission all das getan, was wir von ihm erwartet hatten.“

Maize erinnerte abschließend daran, dass die Cassini-Huygens-Mission eine Projekkooperation der NASA, der ESA (European Space Agency) und der italienischen Weltraumorganisation war. Unter anderem wurde der Huygens-Lander mitgeführt, der 2005 erfolgreich auf dem Saturn-Mond Titan zu Boden ging und Fotos von der Oberfläche sendete.





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