Heute beginnen in Jena Veranstaltungen zur Auseinandersetzung mit dem „Nationalsozialistischen Untergrund“
Vor nunmehr sechs Jahren, am 4. November 2011, wurde die Terrorgruppe „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Mit der Selbstenttarnung des aus jena stammenden Kerntrios und dem Versenden ihres Bekennervideos wurde deutlich, dass sie verantwortlich für zehn Morde, drei Bombenanschläge mit zahlreichen Verletzten und etliche Banküberfällen waren. Offensichtlich wurde auch die rassistisch konnotierte Ermittlungsarbeit der Polizei gegen die betroffenen Ofer des „NSU“ sowei deren Hinterbliebene.
Seit vier Jahren läuft in München ein Gerichtsverfahren gegen eine mutmaßliche Mittäterin und vier weitere „NSU“-Unterstützer. Der Prozess neigt sich demnächst seinem Ende zu. Zahlreiche Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern versuchten die Hintergründe aufzudecken. Doch viele Fragen sind bis heute nicht hinreichend aufgeklärt, darunter: „Wie konnte der ‚NSU‘ über so lange Zeit unbehelligt morden, bomben und rauben? Welche Netzwerke haben ihn unterstützt? Was wussten Behörden, was der Verfassungsschutz? Wieso wurde das Wissen der Betroffenen systematisch ignoriert? Welche gesellschaftlichen Bedingungen ermöglichten die Taten des ‚NSU‘?“

Beate Zschäpe und ihr Freund Uwe Böhnhardt – Bildrechte: BKA
In Jena, wo sich das Kerntrio und Teile seines Unterstützernetzwerkes sozialisierten, gehen mehrere Akteure in den nächsten Wochen mit verschiedenen Veranstaltungen einigen dieser Fragen nach. Das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte “Matthias Domaschk” (ThürAZ) zeigt bereits am heutigen Mittwoch, den 25. Oktober 2017 um 19.00 Uhr im Blauen Saal des Kinos im Schillerhof den ersten Teil der Spielfilmreihe „Mitten in Deutschland: NSU – Die Täter: Heute ist nicht alle Tage“ mit Albrecht Schuch, Anna Maria Mühe und Sebastian Urzendowsky. Der Film bettet die Entwicklung des neonazistischen Trios in die rechtsextremen Organisationsstrukturen in Thüringen ein. Inwieweit auch weiterwirkende Strukturen, Prozesse und Ereignisse aus DDR-Zeiten zur Zunahme rechtsextremer Vorfälle in den neuen Bundesländern beitrugen, diskutiert im Anschluss an die Filmvorführung eine Gesprächsrunde. Der Eintritt kostet 3,50 Euro.
Übermorgen, am 27. Oktober 2017, gibt es in der Rathausdiele in Jena die mehrteilige Veranstaltung “25 Jahre ‚NSU‘: Aufklärung, Verantwortung, Erinnerung in Jena” der JG-Stadtmitte und des Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ). Die Veranstaltung untersucht zunächst die Vorläufer, Ursachen und Folgen des in Jena entstandenen „NSU“-Terrors sowie den Umgang mit dem „NSU“-Komplex in Jena und in einigen der Städten, in denen das rassistische Netzwerk Menschen tötete und verletzte. Im Rahmen einer renommiert besetzten Podiumsdiskussion wird darüber hinaus über den Stand der juristischen und parlamentarischen Aufklärung sowie die Schlussfolgerungen für aktuelle Herausforderungen debattiert.
Um 14.00 Uhr wird in der Rathausdiele die Ausstellung „Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gehört“ der JG Stadtmitte eröffnet. Ab 15.30 Uhr gibt es im Rathaus Gesprächsrunden zu 25 Jahren „NSU“-Komplex in Jena und den Tatorten des NSU, unter anderem mit: Ayse Gülec („Initiative 6. April“, Kassel) und Lothar König (Jenas Stadtjugendpfarrer). Im Anschluss daran findet ein gemeinsames Plenum und die Vorführung der Kurzfilme „Sie kamen von hier“ statt. Um 19.00 Uhr findet im historischen Rathaus eine Podiumsdiskussion zur Aufklärung und Aufarbeitung in Justiz und Politik statt. Auf dem Podium sind vertreten: Antonia von der Behrens (Rechtsanwältin und Vertreterin der Nebenklage im „NSU“-Prozess), Uli Grötsch (Obmann im „NSU“-Untersuchungsausschuss des Bundestags), Katharina König-Preuss (Obfrau im „NSU“-Untersuchungsausschus des Thüringer Landtages) und Julia Jüttner (SPIEGEL ONLINE Redakteurin und Moderation).
Vom 01. bis einschließlich 08. November 2017 zeigen die Ernst-Abbe-Bücherei und KoKont die Videoinstallation “Gespräche/ Assemblage” der beiden Kurator*innen Rixxa Wendland und Christian Obermüller in den Räumen der Stadtbibliothek. Die Installation ist Teil der Ausstellung „Sequenzen-Erinnerung-Wechsel“, welche bereits erfolgreich im Berliner Bethanien und während des Tribunals „NSU-Komplex auflösen“ in Köln gezeigt wurde. Die Ausstellung thematisiert verschiedene gesellschaftliche Bedingungen, die rassistischen Terror in Deutschland erst ermöglichen. Die Installation ist kostenfrei während der Öffnungszeiten in den Ausleihräumen der 1. Etage in der Bibliothek zu besichtigen (Montag – Freitag 10 bis 19 Uhr, Samstag 10 bis 13 Uhr). Im Rahmen dieser Ausstellung gibt es zwei Rahmenprogrammveranstaltungen. – Hier findet man den Programmflyer zum Download.

Uwe Mundlos und Ralf Wohlleben – Bildrechte BKA, „NSU“-Archiv Antifa Gruppe Südthüringen/AGST unter CC-Lizenz
Am 02. November 2017 gibt es um 19.30 Uhr im Foyer der Ernst-Abbe-Bücherei ein Gespräch mit den beiden KuratorInnen der Ausstellung. Musikalisch begleitet wird dieses Gespräch von Felix Quittek am Cello, dem Damasko-Projekt und Gesang von Ghais Mansour. Der Eintritt ist kostenfrei. Fatih Çevikkollu liest „Die ‚NSU‘ Nummer…“, sein Beitrag aus dem Buch „Die haben gedacht, wir waren das. MigrantInnen über rechten Terror und Rassismus.“ Im Anschluss wird er Ausschnitte aus seinen zahlreichen Bühnenprogrammen vortragen und mit den Anwesenden ins Gespräch kommen. Beginn dieser kabarettistischen Kontextualisierung am Freitag, den 03. November2017 ist 19.30 Uhr im Raum 10 des Volkshauses/ Ernst-Abbe-Bücherei. Der Eintritt ist kostenfrei. Weitere Informationen findet man auf der Homepage von KoKont.
« Die Rede des Alterspräsidenten Dr. Hermann Otto Solms (FDP) bei der konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages „Große Pflanzaktion“: Über 250.000 Blumenzwiebeln sollen Winzerla-Nord zum Erblühen bringen! »