„Vor 500 Jahren: Die Reformation änderte alles“ – Mit dem Reformationstag geht heute das Jubiläumsjahr zu Ende
Es war der 31. Oktober 1517. als Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlichte, indem er sie – der Überlieferung nach – an die Tür der Schloßkirche in Wittenberg schlug. Dieser Thesenanschlag gilt als Beginn der sogenannten Reformation. 500 Jahre später feiern wir nicht einfach nur 500 Jahre Reformation, sondern erinnern auch daran, welche Rolle die Reformation bei der Entstehung der Moderne gespielt hat. – Das ist unser Monatsthema im Oktober 2017.
Was war das für eine Zeit, was war das für ein Jahr, als Luther seine 95 Thesen veröffentlichte? 1517 kann man als ein Jahr der Umbrüche – politischer wie ökonomischer – sehen, als ein Jahr gelehrter Debatten und zugleich des Aberglaubens. Vor allem war es in Mitteleuropa nachgewiesenermaßen ein Jahr mit ausnehmend schlechtem Wetter. Bis in den Mai herrschte Eiseskälte, im Juni, Juli und August gab es eine Dürre, danach gingen nach mehreren Unwettern sintflutartige Regenfälle nieder. Das alles führte im Herbst 1517 zu Missernten und Hungersnöten. Sowohl dem (gottgewollten) Wetter als auch der Willkür der christlich-weltlichen Fürsten – die von all dem nichts mitbekommen wollten und weiterlebten, als wäre nichts geschehen – war die einfache Bevölkerung hoffnungslos ausgeliefert. Man kann sagen: in den Menschen brodelte die Wut und da kam ihnen einer, der es „denen da oben“ zeigen wollte, gerade recht.
Doch wie aktuell, wie christlich, sind Luthers Thesen nach 500 Jahren im Lichte aktueller gesellschaftlicher Fragen. Egal ob es um alternativ-radikale Sichtweisen zu unserem Land geht, um Sozialpolitik, Politikverdrossenheit oder den Umgang mit Flüchtlingen: immer öfter diskutieren Menschen – ohne sich auf die 95 Thesen zu berufen – über Themen, die der Reformator von fünf Jahrhunderten aufwarf. Zum Reformationsjubiläum sammelte die „ZEIT“ neue Thesen zum Kern des christlichen Glaubens. Hier sind zum Abschluss unseres Montsthemas drei prominente Sichtweisen:
Nächstenliebe hat nach Ansicht von Sahra Wagenknecht, Bundestags-Fraktionschefin der Linken, immer auch eine politische und gesellschaftliche Dimension. Sie sagte der „ZEIT“: „Eine Gesellschaft, die in erster Linie auf Eigenliebe und Egoismus setzt, in der Reichtum ebenso erblich ist wie Armut, in der die profitabelsten Konzerne die niedrigsten Steuern zahlen, während viele Menschen trotz harter Arbeit nicht mehr zu wirklichem Wohlstand gelangen, ist nicht nur ungerecht, sondern auch unchristlich. Sie muss verändert werden.“
Der ehemalige Fußballnationalspieler und bekennende Homosexuelle Thomas Hitzlsperger, der in verschiedenen sozialen Projekten mit antirassistischem Schwerpunkt aktiv ist, orientiert sich im Rückblich auf Luthers Thesen auch an seinen Erfahrungen als Fußballprofi. Er sagte: „Mobbing? Sofort einschreiten! Rassismus: reflexartig reagieren! Bashing? Partei ergreifen. Dazwischengehen. Dazu muss man kein Heiliger sein. Nur ein bisschen so, wie damals Martin Luther.“
Mouhanad Khorchide, Professor für Islamwissenschaft in Münster, formulierte in der „ZEIT“ seine These zur Unwissenheit über das Christentum als großes Problem in aktuellen Debatten, indem er sagte: „Die aktuelle Flüchtlingsproblematik ruft die christliche Nächstenliebe auf den Plan. Aber gerade bei denen, die am lautesten nach der Verteidigung der europäischen Kultur und der christlichen Religion schreien, merkt man am deutlichsten, dass sie eben das Christentum kaum kennen. Da ist heute eine Reformation im Sinne einer intellektuellen und spirituellen Nachrüstung dringend notwendig.“
Im Europa von 1517 und der Folgejahre bleiben die Menschen jedoch einstweilen weiter einem voraufgeklärten magischen oder kosmischen Weltbild verhaftet. So beunruhigten Ende des Jahres 1517 Berichte über eine angebliche „Geisterschlacht der Untoten“ in Norditalien das einfache Volk ebenso wie die Fürstenhöfe, Klöster und die Kurie. Und Martin Luther selbst? Er glaubte zwar nicht an Geister, war jedoch davon überzeugt, dass der Blitzschlag vor Stotternheim, durch den er sich 1505 veranlasst sah, ins Kloster zu gehen, ein Gotteszeichen war. Erst aus seiner dort erlebten tiefsten Verzweiflung habe er den richtigen Weg zum Allmächtigen finden können, so seine Überzeugung.
Noch denkt er 1517, er habe mit seinen Thesen ausschließlich ein Umdenken innerhalb der katholischen Kirche angestoßen, ahnt er nichts davon, wie grundstürzend die Wirkung seines Tuns an der Schloßkirche werden wird. Erst Jahrzehnte später, in seiner Rückschau, traten für ihn „die großen Linien“, die langfristigen Entwicklungen der 95 Thesen zutage. Thesen, die er genau heute von 500 Jahren an die Tür der Wittenberger Schloßkirche anschlug.
Zusatzinformationen zum Reformationstag in Jena
Das Jenaer Stadtmuseum „Alte Göhre“ hat am heutigen Reformationstag für Besucherinnen und besucher von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet. Aus Anlass der 500-Jahrfeier der Reformation beträgt der Eintritt für die stadtgeschichtliche Ausstellung an diesem Tag für alle nur 1,00 Euro- Die Ausstellung wird noch bis zum 4. März 2018 zu sehen sein. Auch das Museumscafé Philisterium ist am 31.10.2017 während der Öffnungszeiten des Stadtmuseums geöffnet.
Ebenso findet am Reformationstag die Eröffnung der neuen Wechselausstellung „Er tut mehr Schaden als Luther und Melanchthon – Johann Friedrich I. von Sachsen als Glaubenskämpfer in der Gefangenschaft“ im Rahmen eines Fest-Gottesdienstes um 10.00 Uhr in der Stadtkirche St. Michael in Jena statt. Auf dem Kirchenvorplatz ist zugleich Reformationsfest (bei Regen in der Stadtkirche), bei dem auch ein Spielestand zu finden ist. Als Preis ist die Kinderpublikation „Luther in Aktion. Ein Mitmachlesebuch“ zu gewinnen. Weitere Kinderpublikationen der Stadtgeschichte z.B. „Der Klapphans – Jena im Mittelalter“ sind zu einem reduzierten Preis erhältlich.
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