„Wegweisender Test für weltgrößte Batterie erfolgreich“: Wichtige Grundlagen und Innovationen stammen von Forschern des CEEC Jena
„Es ist sicher noch zu früh, um von einem Durchbruch zu sprechen. Wir haben aber bei der Entwicklung der soleba- sierten Batterie einen wichtigen Meilenstein erreicht, weil eine der zentralen Schlüsselkomponenten in aktuellen Tests alle Anforderungen erfüllt hat“, so Peter Schmidt, Geschäftsführer der EWE GASSPEICHER GmbH gestern vor Journalisten in Berlin. Die EWE GASSPEICHER GmbH – hundertprozentige Tochter des Oldenburger Energieunternehmens EWE – plant mit dem Projekt brine4power, die größte Batterie der Welt zu bauen. Dabei soll das bekannte Prinzip der Redox-Flow-Batterie – bei dem elektrische Energie in einer Flüssigkeit gespeichert wird – mit neuen, nachhaltigen Komponenten in unterirdischen Salzkavernen angewendet werden. Derzeit betreibt EWE GASSPEICHER in Deutschland 38 solcher Kavernen und nutzt diese, um darin Erdgas zu speichern.
Eine zentrale Komponente der neuen Redox-Flow-Anwendung sind organische Polymere (Kunststoffe), erläuterte Prof. Dr. Ulrich S. Schubert vom Center for Energy and Environmental Chemistry Jena (CEEC Jena) der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie werden in gesättigtem Salzwasser, sogenannter Sole, (englisch: brine) aufgelöst. So entsteht ein Elektrolyt, eine Flüssigkeit, die Elektronen binden beziehungsweise abgeben kann. „Die zu entwickelnden Polymere mussten ganz bestimmte chemische Anforderungen erfüllen: Sie sollten unter anderem in voll mit Salz gesättigter Sole gut löslich sein, eine bestimmte Fließeigenschaft des Sole-Polymer-Gemisches gewährleisten und im gelösten Zustand chemisch und elektrochemisch stabil sein, um Elektronen langfristig binden und abgeben zu können. Diese speziellen Anforderungen haben die von der Friedrich-Schiller-Universität weiterentwickelten Polymere in den nun durchgeführten grundlegenden Vorversuchen mit Original-Sole von EWE erfüllt“, erklärte Schubert.
„Damit sind wir unserem Ziel, die größte Batterie der Welt zu bauen, einen entscheidenden Schritt nähergekommen“, sagte Ralf Riekenberg, Leiter des Projektes brine4power. Trotz dieses Erfolges seien aber noch viele Fragen zu klären, bis das aufgezeigte Speicherprinzip gemäß der Universität Jena in unterirdischen Kavernen zur Anwendung kommen könne. „Ich gehe aber weiterhin davon aus, dass wir etwa Ende des Jahres 2023 eine Kavernenbatterie in Betrieb haben können“, so der EWE-Experte. Eine funktionierende Technik sei aber nur eine Voraussetzung für den Erfolg des Projekts. „Auch die Politik ist hier gefordert“, so Riekenberg und erläuterte dies wie folgt: „Energierechtlich sind Speicher bislang nur als Erdgasspeicher definiert. Eine Definition und damit ein seiner Rolle entsprechender gesetzlicher Rahmen für Energie- beziehungsweise Stromspeicher fehlt bis dato. Diese fehlende energiewirtschaftliche Einordnung von Energiespeichern hat zur Folge, dass sie als Letztverbraucher von Energie eingestuft werden. Die Betreiber sind deshalb grundsätzlich zur Zahlung aller Letztverbraucherabgaben wie Netzentgelt, EEG-Umlage und Stromsteuer verpflichtet.“
Das bedeutet Riekenberg zufolge: Ein Stromspeicher, wie ihn die EWE GASSPEICHER GmbH plant, nimmt überschüssigen Strom auf, der ohne den Speicher gar nicht produziert würde, weil die Windenergieanlagen, die ihn produzieren könnten aus Gründen der Netzüberlastung still stünden. Dennoch ist der Speicherbetreiber, neben der Zahlung des eigentlichen Stromhandelspreises, generell gesetzlich zur Zahlung der oben genannten Letztverbraucherabgaben verpflichtet. „Zwar wurde dieses Problem in Teilen bereits von der Politik erkannt, allerdings stellen die diesbezüglich eingeführten Ausnahmeregelungen für Stromspeicher noch keinen stabilen und rechtssicheren Rahmen für Speicherbetreiber dar. Dies gilt es seitens der Politik zu ändern“, so Ralf Riekenberg. Dann könnten Stromspeicher zur wichtigen Flexibilitätsoption werden und zum Erzeugungsausgleich beitragen. „Dann könnte brine4power zum fehlenden Puzzlestück der Energiewende werden.“
„Neben diesen rechtlichen Rahmenbedingungen betrifft es aber auch direkt die Technik an sich. Parallel muss auch die weitere Erforschung und Entwicklung der Polymer-Redox-Flow-Batterie-Technik in Deutschland intensiv unterstützt werden. Nur so kann auch wieder eine komplette Batterieproduktion in Deutschland etabliert werden, inklusive der damit zusammenhängenden geschlossenen Wertschöpfungskette und vielen Arbeitsplätzen“, so Schubert. „Gerade wenn Kohlekraftwerke bald abgeschaltet werden sollen, müssen grundlastfähige ,grüne‘ Alternativen geschaffen werden. Hierfür eignet sich die Polymer-Redox-Flow-Batterie perfekt“.
Hintergrund: Das Grundprinzip der Redox-Flow-Batterie reicht bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück. Dabei wird elektrische Energie in einer Flüssigkeit gespeichert, in der bestimmte Stoffe gelöst sind. Solche Lösungen heißen Elektrolyte. Bei einer Redox-Flow-Batterie kommen zwei unterschiedliche Elektrolyte zum Einsatz. Diese verteilen sich auf zwei getrennte Behälter. Die beiden Elektrolyte können Elektronen (negativ geladene Teilchen) unterschiedlich fest an sich binden. Der Elektrolyt mit stärkerer Bindung zu Elektronen wird Katolyt, der Elektrolyt mit schwächerer Bindung Anolyt genannt.
Durch Stromzufuhr von außen (zum Beispiel durch Strom aus Windenergie- oder Photovoltaikanlagen) werden dem Katolyt die Elektronen quasi entrissen (Oxidation) und dem Anolyt zugeführt, der sie an sich bindet (Reduktion). So wird die Batterie geladen. Beim Entladen entreißt der „stärkere Elektronen-Binder“, der Katolyt, dem schwächeren, dem Anolyt, die Elektronen wieder. Dadurch fließt elektrischer Strom, der genutzt werden kann. Soweit das Prinzip. Bislang verwendete man als Elektrolyt beispielsweise in Schwefelsäure gelöste umweltgefährdende Schwermetallsalze wie Vanadium. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena hat nun eine Redox-Flow-Batterie entwickelt, die als Elektrolyt in Salzwasser gelöste organische Polymere (Kunststoffe) nutzt. Die bislang verwendeten Behältergrößen dafür haben etwa die Größe von Warmwasserspeichern in Haushalten.
Diese Entwicklung des CEEC Jena der Friedrich-Schiller-Universität Jena brachte Experten der EWE GASSPEICHER GmbH auf die Idee, – sie liegt bereits dem Patentamt zur Prüfung vor – als Behälter unterirdische Salzkavernen zu verwenden. Das sind in einem Salzstock angelegte Hohlräume, die normalerweise zur Speicherung von Erdgas dienen und zuweilen so dimensioniert sind, dass der Kölner Dom darin Platz fände.
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