„Eine Art Seismograf der Stimmungen und auch Verstimmungen“: Das Ergebnis der Jenaer Mieterbefragung 2017 liegt vor und wurde diskutiert

25.11.17 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, POLITIK & URBANES LEBEN, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu „Eine Art Seismograf der Stimmungen und auch Verstimmungen“: Das Ergebnis der Jenaer Mieterbefragung 2017 liegt vor und wurde diskutiert

Fünf Jahrzehnte nach seiner Gründung ist der Stadtteil Neulobeda nicht nur eine Plattenbausiedlung – Foto © Stadt Jena Bettina Kynast

Im Spätsommer 2017 waren vierseitige Fragebögen an 5.000 repräsentativ ausgewählte Haushalte unserer Stadt verschickt worden, um im Rahmen der vierten Mieterbefragung ein detaillierteres Bild vom Wohnstandort Jena zeichnen zu können; etwa ein Drittel fand den Weg zurück. Für die Auswertung der Fragebögen zeichnete das Büro Timourou Wohn- und Stadtraumkonzepte verantwortlich und Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Ulrich Lakemann von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena in Kooperation mit aproxima. Prof. Lakemann gab dann im Oktober den Mitgliedern des Ortsteilrats Neulobeda Antworten auf deren Nachfragen zum eigenen Ortsteil. Das Ergebnis: In Neulobeda gibt es tatsächlich (auch) Wohnungen, die 10 Euro und mehr pro Quadratmeter kosten. Allerdings ist dies keineswegs der Durchschnitt, denn dieser liegt deutlich niedriger. So liegt der Wert bei den großen Wohnungsunternehmen in ganz Jena im Schnitt bei 5,90 Euro Miete pro Quadratmeter.

Hierzu gibt es inzwischen ein Informationsblatt der Stadt Jena, dass 2017 zum zweiten Mal herausgegeben wurde, um mit Informationen aus erster Hand zu versuchen, ein authentischeres Bild vom Jenaer Wohnungsmarkt zu vermitteln als dies z.B. einige lokale Politiker und News-Blogger malen. Der Veröffentlichung des Informationsblattes schloss sich nun eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema an, geleitet von Thorsten Büker von der Mediengruppe Thüringen. Tobias Jacobs von Timourou nannte hierbei die, wie er es ausdrückte, „zwei Gesichter des Wohnungsmarktes in Jena“ und bezog sich mit dieser Feststellung darauf, dass bei privaten Vermietern deutlich höhere Kaltmieten erzielt werden. Im Schnitt sind das etwa 7,70 Euro pro Quadratmeter (im Vergleich zu den 5,90 Euro der Wohnungsunternehmen), wobei sich der private Sektor auf die westlichen udn östlichen Arme unserer Stadt konzentriere, so Jacobs.

Eine der Statistiken der Mieterbefragung 2017 der Timourou Wohn- und Stadtraumkonzepte

Da es in Jena hin und wieder Berichte gab und gibt, „die Mieten“ in der Lichtstadt seien nicht mehr bezahlbar, Familien müssten die Hälfte ihren Monatseinkommens nur zur Zahlung der Miete opfern, war ein weiteres Thema der Befragung der 5.000 Haushalte: „Wie zufrieden sind die Menschen in Jena mit ihrer Lebenssituation?“ – Erstmals liegen hierzu keine subjektiv-selektiven sondern repräsentative Ergebnisse vor. Überraschend dabei: Im Jenaer Osten gab es  am meisten Lob; sensationelle 98 % der Jena-Ostler würden anderen Menschen empfehlen, in ihr Wohngebiet zu ziehen. Die beiden Mieter-Magnete Lobeda und Winzerla haben hier niedrigere Werte. Zudem haben sich in allen Stadtteilen, mit Ausnahme von Wenigenjena / Jena-Ost, hat sich der Anteil der Menschen, die am liebsten wegziehen wollen, geringfügig gegenüber 2011 erhöht. Auf das gesamte Stadtgebiet bezogen erklärten dies knapp 12 % der Umfrageteilnehmer gegenüber 10 % vor sechs Jahren.

Den Worten von Tobias Jacobs nach, ähneln sich die Fortzugsgründe im Prinzip, jedoch spielten nachbarschaftliche Probleme in einzelnen Bereichen von ­Lobeda und Winzerla eine besondere Rolle, weniger die Miethöhen. Aus diesem Grund gelte es aufzupassen, wie sich das entwickelt, so Jacobs. Auch wichtig: Im Vergleich zu früheren Mieterbefragungen häufiger geäußert wurde der Wunsch nach mehr größeren Wohnungen über 60 Quadratmeter und nach noch mehr Wohnraum mit seniorengerechter Ausstattung. Jenas Stadtentwicklungsdezernent Denis Peisker (Bündnis’90/Grüne) nahm die Erkenntnisse zum Anlass, im Kontext mit den Umfrageergebnissen kritisch darüber nachzudenken, was in Neulobeda wie in Winzerla wirklich wichtig sei, in Zukunft verändert zu werden. Offensichtlich, stellte auch der Dezernent fest, seien die Miethöhen bei den Jenaern nicht das ganz große Thema. Dafür sei das Stichwort Nachbarschaft für ihn zwar eine Bestätigung dafür, dass unsere Stadt mit Stadtverschönerungsprojekten auf dem richtigen Wege sei. Gute Nachbarschaft benötige diese Räume, sagte er, doch gelte es den Augenmerk verstäkt auf noch weitergehende Verbesserungen zu richten.

Jena, die Studentenstadt. © FotoliaLicense#171090024

In diesem Zusammenhang erklärte Iris Hippauf, Mitglied des Vorstands der Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss, im Rahmen der Podiumsdiskussion am Beispiel von Winzerla, was Wohnumfeld-Förderung auch bedeute: angenehme Orte und Treffpunkte schaffen, den Bau von Spielplätzen fördern oder als großer Vermieter Wanderungen anbieten oder eine Schlichtungsstelle. Wie kam sie darauf? 20 Prozent der Menschen, die mit ihrer Wohnung zufrieden sind, begründen dies im Rahmen der Befragung mit der Nachbarschaft. Auch Jenas Wohnungsvermietungs-Primus Jenawohnen meldete sich zu Wort. Für dessen Geschäftsführer Tobias Wolfrum war die Befragung in ihrem Ergebnis eminent wichtig. Sich als Vermieter weiterhin darum zu kümmern, dass die Menschen gut miteinander zurechtkommen, ist nach seinen Worten für Jenawohnen die Konsequenz aus dem Nachbarschaftsthema. Er sagte auch, dass sein Unternehmen in nur drei Jahren 420 Wohnungen neu gebaut habe, kurzfristig kämen weitere Wohnungen auf den Markt. Allerdings habe Jenawohnen mittelfristig nicht mehr die notwendigen Flächen, um ein weiteres 500-Wohnungen-Bau-Programm aufzulegen. Deshalb warb Wolfrum parallel zum Wohnungsbau in Jena für eine stärkere Kooperation mit dem Umland. Eine S-Bahn-ähnliche Verbindung nach Jena mache Nachbarstädte und Gemeinden als Wohnort attraktiver, sagte er.

Abschließend sprach noch einmal Tobias Jacobs von Timourou: „Wenn Jena das heutige Bauniveau beibehält, dann hat man das Problem im Griff“, war seine Einschätzung zum Thema Bauland. Denis Peisker ergänzte, es ­gebe in Jena keinen Flächenmangel, sondern durchaus „Mobilisierungsprobleme“. Heißt: dort wo Häuser entstehen könnten, müsse immer wieder mal gestritten werden. Zum Beispiel mit Kleingärtnern oder Garagenbesitzern. Gestritten wurde dann aber auch ein klein wenig bei der Podiumsdiskussion. Aus dem Publikum hieß es, mit weniger Gewinnen im Stadtwerkeverbund hätte man das Geld, um etwa in Winzerla Gebäude mit Aufzügen ausstatten. Weitere Frage aus dem Publikum: Wie wolle man mit der Infrastruktur hinterherkommen? Ob Gastronomie oder Apotheke, da klemme es in beispielsweise in Jena-Nord. Also ebensoviele Erkenntnisse wie herausforderungen durch die Ergebnisse der 2017er-Mieterbefragung.





Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

« »


JENAhoch2 | Omnichannel-Media für Stadt und Region