„Le cascadeur de la vérité“: Wie ein parteiloser OB-Kandidat an sich selbst scheitert (1/3)
Nur noch vier Tage, dann ist Oberbürgermeisterwahl in Jena. Und man braucht kein Prophet zu sein, um dem parteilosen OB-Kandidaten Arne Petrich nach dessen Art der Wahlkampfführung ein Stimmen-Desaster vorherzusagen.
Angetreten war er im Januar mit dem Anspruch, den Amtsinhaber aus dem Rathaus zu jagen. Hierzu hatte er ihn herausgefordert und mit harten Vorwürfen pressewirksam an den Pranger gestellt – politisch-wertfrei journalistisch unterstützt von der Ostthüringer Zeitung und deren Chefredakteur Thorsten Büker. Erste Dissonanzen gab es zwischen Petrich und Büker jedoch, als letzterer in der Podiumsdiskussion der Jenaer OB-Kandidaten im Volksbad Arne Petrich darauf ansprach, dass es über ihn im Internet oder sonst wo keinen Lebenslauf geben würde.
Eigentlich kein Thema für einen OB-Bewerber, der Familienmensch, Social Entrepreneur, erfolgreicher Internetblogger und selbständiger Immobilien- Unternehmer ist – doch seinen Lebenslauf als OB-Kandidat veröffentlichte er in der Tat erst nach Bükers Ansprache. Allerdings (O-Ton Petrich) „transparent und für jeden nachvollziehbar“. Positiv ist hier anzumerken, dass man ihm nicht den Vorwurf machen kann, er habe in seinem Lebenslauf irgendetwas beschönigt oder aufgebauscht. Allerdings ist der bisherige Lebensweg des parteilosen Kandidaten für das höchste Bürgeramt unserer Stadt derart transparent, dass man hierin wenig bis kaum Gründe für seine Befähigung, eine Stadt mit mehr als 110.000 Einwohnern führen zu können, findet. Punkten kann er allerdings damit, dass er in seinem Lebensresümee nicht verschweigt, derzeit nur ein halber Familienmensch zu sein; den Youtube-Film seines Familienlebens hat er nach Präsentation des Lebenslaufs dann folgerichtig wieder von seiner Wahlkampfwebseite entfernt.
Ein „Entfernen“ war später auch Anlass für eine Entscheidung Petrichs, die ihm wohl alle verbliebenen Chancen für einen Einzug in die OB-Stichwahl rauben sollte. Es ging um die zurückhaltende Berichterstattung der Ostthüringer Zeitung nach dem tragischen Tod eines jungen Menschen*. In der größten Facebook-Gruppe in Jena, in der man im vergangenen Monat still um das Opfer trauerte, leistete sich der parteilose OB-Aspirant (der noch vor vier Monaten ausgiebig und tief betroffen in seinem Blog das freiwillige Ableben eines Freundes* beweinte, Videos von der Trauerfeier und der Beerdigung veröffentlichte) einen Post, in dem er belehrend-fordernd schrieb: „Was soll das jetzt hier bringen? Beschäftigt Euch lieber mal mit den wirklichen Problemen der Bürger in Jena.“
Ein Sturm der Entrüstung brach los, denn Arne Petrich hatte hierdurch für viele Mitglieder der Gruppe die Grenze zur Herzlosigkeit überschritten. Nicht wenige halten ihn seither für unwählbar, trugen ihm an, seine Kandidatur zurückzuziehen; ein Hashtag mit dem Titel #noarnepetrich sammelte die Empörung ein. Daraufhin schlug Petrich in einer Art Selbst-Rechtfertigung gegen die OTZ zurück („Billigportal“, „eine Zeitung, welche Zitate anschließend verkürzt, in bewusst falschen Kontext stellt und somit den Sinn verfälscht“), rügte das Blatt und ihren Chefredakteur und verwies darauf, dass man dort den Pressekodex des Deutschen Presserates nicht beachtet hätte – was nicht stimmt.
Doch stellte dies keinen Grund für Thorsten Büker und seine Jenaer Lokalredaktion dar, Arne Petrich den versprochenen Raum für eine Vorstellung seiner Person und seiner Ideen in der Ostthüringer Zeitung (verkaufte Auflage = etwa 85.000 Exemplare) zu verweigern, denn schließlich hatte man ihn allen anderen Kandidatinnen und Kandidaten ebenso eingeräumt. Allerdings schlug der parteilose OB-Kandidat diese einmalige Chance einer größeren Bekanntheit unter Wählerinnen und Wählern aus, skandierte „Kein Journalismus = keine Kooperation“ und ließ einen Gesprächstermin in der Redaktion verstreichen. Besonders bitter für ihn: die OTZ druckte auf dem für Arne Petrich vorgesehen Platz den Artikel „Deswegen gibt’s in diesem Jahr mehr Geld für den Jenaer OB“.
Diese Sturköpfigkeit kommt – jedenfalls aus meiner bescheidenen Sicht – für einen OB-Kandidaten, der aus Kostengründen keine Plakatwerbung betreibt, erst 14 Tage vor der Wahl einen Flyer in Auftrag gab und sich nur bei einem Viertel der Podiumsdiskussionen für OB-Kandidaten der Öffentlichkeit stellte, einem wahlkampftaktischer Selbstmord gleich.
[FORTSETZUNG FOLGT AM FREITAG]
* = Wir berichten in der Regel nicht über Selbsttötungen und thematisieren sie nicht, um keinen Anreiz für Nachahmung zu geben – außer, Suizide erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst depressiv sind, Selbstmord-Gedanken haben, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können. Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge (www. telefonseelsorge.de). Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222 erreichbar. Dort erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich hier auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
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