„Sensationell“: Wissenschaftlern des Uniklinikums Jena ist es gelungen, die Funktion von Caveolen in der Zellmembran aufzuklären
(Dr. Uta von der Gönna) – Die Wissenschaftler kennen sie seit über 60 Jahren: kleine, recht gleichförmige Einbuchtungen in der Oberfläche verschiedener Zelltypen, sogenannte Caveolen. Muskelzellen und die Zellauskleidungen von Blutgefäßen haben besonders viele dieser Grübchen in der Zellmembran. Sie sind im Durchmesser tausendmal kleiner als ein Haar und daher nur im Elektronenmikroskop sichtbar. Doch welche Funktion haben Caveolen?
Zunächst wurde angenommen, dass sie Zwischenstufen von Einschnürungsprozessen an der Plasmamembran sind, bei denen Bläschen zum Stofftransport ins Zellinnere gebildet werden. Diese Funktion kannte man von anderen Abschnürungsprozessen an der Plasmamembran – leider hatten Generationen von Wissenschaftlern aber große Schwierigkeiten beim Nachweis irgendeines Frachtmoleküls, das gezielt über Caveolen in die Zelle transportiert wird. Diese Hypothese wurde daher schließlich ad acta gelegt. Neuere Untersuchungen deuteten dann darauf hin, dass Caveolen vielleicht Plattformen für Signalvermittlungsprozesse sind oder eine Form von mechanischen Sensoren darstellen könnten. Denn bestimmte erbliche Erkrankungen, wie spezielle Formen von Muskelschwund, hängen mit einem Mangel an Caveolen zusammen. Bekannt sind bei solchen Erkrankungen Mutationen, durch die die charakteristischen Hüllproteine der Einstülpungen, die Caveoline, nicht richtig gebildet werden.
Doch das ist nur ein Indiz, noch nicht der Nachweis, dass die fehlenden Grübchen in der Zellmembran eine Muskelschädigung bewirken. Caveolenmangel und Muskeldystrophie könnten ebenso gut voneinander unabhängige Folgen der beschädigten Caveoline sein, denn diese Proteine sind nachgewiesenermaßen multi-tasking-fähig. “Die Funktion der Caveolen ist also längst nicht verstanden“, so PD Dr. Michael Kessels. „Das liegt auch daran, dass es bislang nicht möglich war, die Entstehung der Caveolen von der bloßen Anwesenheit der Caveolin-Proteine zu entkoppeln.“ Genau das ist Biochemikern am Uniklinikum Jena gelungen: Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Britta Qualmann und PD Dr. Michael Kessels identifizierten ein Protein in den Muskelzellen, das die Bildung von Caveolen bewirkt. Von dem Syndapin III genannten Protein war bekannt, dass es – zumindest im Reaktionsgefäß – an der Ausbildung von Krümmungen in der Membranoberfläche beteiligt ist. Deswegen untersuchten die Wissenschaftler Mäuse, die das Protein nicht herstellen konnten. „Obwohl diese Tiere genauso viele Caveoline produzierten und diese Hüllproteine auch im gleichen Maße an der Zellmembran zu finden waren wie in gesunden Tieren, war die Caveolenbildung in den Zellmembranen ihrer Muskelzellen doch stark gestört“, so Britta Qualmann.
Den Nachweis dafür erbrachten die Biochemiker unter dem Elektronenmikroskop. „Wir konnten die Proteine Syndapin III und das Muskelzell-Caveolin sowohl in isolierten Herzmuskelzellen, als auch direkt im Herzen und in Skelettmuskeln an der Zellmembran nachweisen“, betont Dr. Eric Seemann. Dem Biologen gelang es mit Hilfe ausgefeilter Präparationstechniken, das Krümmungsprotein Syndapin III unmittelbar an der Membran sichtbar zu machen. Anhand von dreidimensionalen Reliefs ganzer Membranareale konnten die Forscher genau bestimmen, wie viele und wie tief eingestülpte Caveolen es bei normalen und bei Mäusen ohne Syndapin III gibt. Die Tiere ohne Syndapin III wiesen nicht nur weit weniger Caveolin-bedeckte Grübchen in den Membranen von Muskelzellen auf als normal. Ihre Skelettmuskel zeigten auch Defekte, die denen von erblichen Muskelschwunderkrankungen entsprachen und nur unter Belastung auftraten. Michael Kessels: „Unsere Vermutung war deshalb, dass caveoläre Einstülpungen wie eine Flexibilitätsreserve der Membran wirken, so dass diese bei Einwirkung von Streckkräften nachgeben kann. Im täglichen Leben kennt man das z.B. von der Rippenstruktur gestrickter Ärmelbündchen.“
Dass so tatsächlich das Zerreißen der Zellmembran und damit der Tod von Muskelzellen verhindert wird, haben die Wissenschaftler in isolierten Zellen nachgespielt: Muskelzellen ohne Syndapin III, also ohne den Puffer der Caveolen, konnten solchen Kräften viel weniger widerstehen als normale Muskelzellen, ihre Zellmembranen rissen auf. Das ließ sich dann auch bei Mäusen beobachten: Tiere ohne Syndapin III waren zwar zunächst völlig unauffällig. Nach Einwirkung von mechanischen Belastungen – die Mäuse mussten hierbei eine Art Fitness-Programm durchlaufen – waren allerdings die ersten kleinen Schädigungen erkennbar. „Mit dem Nachweis, dass Syndapin III die Ausformung der Caveolen steuert, und dass diese kleinen Einstülpungen in der Zellmembran mechanische Muskelschäden verhindern, sind wir einen Schritt weiter in der Aufklärung von Bildung und Funktion der Caveolen – und im Verständnis einer ganzen Gruppe von erblichen Muskeldystrophien“, so Britta Qualmann.
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