„Begegnungen mit einem Architektur-Octopus“: Resümee zu einem aufregenden Projektwochenende „72 Hour Urban Action Lobeda“

16.08.18 • JEZT AKTUELL, KULTUR & BILDUNG, NEWSCONTAINER, POLITIK & URBANES LEBEN, START, UNSER JENAKommentare deaktiviert für „Begegnungen mit einem Architektur-Octopus“: Resümee zu einem aufregenden Projektwochenende „72 Hour Urban Action Lobeda“


(JenaKultur) – Anlässlich des Bauhaus-Jubiläums 2019 kommt das spielerisch-partizipative Architektur-Festival „72 Hour Urban Action Lobeda“ in Jenas Plattenbauviertel

Wie sehr kann man ein Stadtbild in 72 Stunden verändern? Das Echtzeit-Architektur-Festival „72 Hour Urban Action“ präsentiert ein Konzept für nachhaltige Stadtentwicklung innerhalb von drei Tagen und drei Nächten. „Als Architekt hatte ich das Gefühl wenig Einfluss auf Stadtplanung nehmen zu können und fand auch, dass dieses Feld nicht nur Experten vorbehalten sein sollte“, erzählt Kerem Halbrecht bei der Pressekonferenz am Sonntag zur Vorstellung des Projekts. Aus diesen Gründen hat er 2010 in Bat Yam in Israel das Festival „72 Hour Urban Action“ begründet. Bei dem Schnell-Architektur-Festival bekommen 120 Teilnehmer aus Lobeda, Jena, Deutschland und der ganzen Welt, aufgeteilt in Teams à zehn Personen, eine Aufgabe zugewiesen, die sie innerhalb der bereits erwähnten 72 Stunden in eine bauliche Lösung (fachsprachlich: urbane Intervention) umsetzen müssen.

Der Weg hin zum Festival, das vom 2.-5. Mai 2019 ausgerichtet wird, ist ein langer Prozess der Vorbereitung und Einbindung. Seit Februar stattfindende verschiedene Workshop-Formate helfen dabei, den Stadtteil zu erschließen und mit Anwohnern, Fachleuten und lokalen Akteuren in Kontakt zu treten. Aus der Sammlung von Wünschen, Hinweisen und eigener Expertise werden die zehn Orte für den Wettbewerb von den Architekten lokalisiert. Dort wird dann Architektur in Mini-Form in den öffentlichen Raum gebaut, die im Anschluss von den Anwohnern gleich genutzt werden kann.

Plakat zur Aktion 72 Hour Urban Action Lobeda 2018 – Foto © MedisPool Jena

Was genau am Ende dastehen wird, weiß niemand. Möglicherweise ist es ein „Octopus“. Diese leuchtend pinke und faltbare Installation aus Holz wurde für einen Vorbereitungsworkshop des Wettbewerbs eigens entworfen und hat sich am vergangenen Wochenende den Einwohnern am Kubus und an der Saaleaue gezeigt. Lobedaer, die am Workshop teilnahmen, haben seine acht Krakenarme durch den Bau von Hockern und Bänken erweitert und schufen dadurch Sitzgelegenheiten für die Besucher. „Ziel des Festivals ist es nicht nur, Begegnungen zwischen Menschen zu ermöglichen, sondern diesen auch die Erfahrung zu geben, das Stadtbild selbst mitgestalten zu können“, erklärt JenaKultur-Werkleiter Jonas Zipf. Mit Unterstützung des Stadtentwicklungsdezernenten Denis Peisker hat er die Macher dieses Projekts anlässlich des 100jährigen Bauhaus-Jubiläums 2019 nach Jena eingeladen und Peisker unterstreicht die Wichtigkeit des Teilhabe-Charakters.

Bereits jetzt im Vorfeld werden Kooperationen geschlossen und Netzwerke geknüpft. Hierzu gehören bereits der fahrbare Kochcontainer des Berliner Intergrationsprojekt „Kitchen on the run“ des „Über den Tellerrand e. V.“, die Mobile Musikwerkstatt (Träger: Blasmusikverein Carl Zeiss Jena e. V.) sowie der Bewegungsküche e.V., der an diesem Wochenende mit seinen Tänzerinnen und Tänzern performt hat. Davon und dafür lebt das Projekt und werden Teilnehmer für das Festival gewonnen. Anfang nächsten Jahres wird es hierzu auch noch einen medialen Aufruf geben. Markus Niessner, Grafikdesigner und weiteres Teammitglied, betont, dass jeder, der Interesse habe, mitmachen könne, egal welchen Alters, Geschlechts oder Berufsgruppe. Vom Architekten über Handwerker bis hin zum Schrifsteller habe es bereits alles gegeben. Die Hälfte der Teilnehmer soll aus Lobeda und Umgebung kommen.
Ortsteilbürgermeister Volker Blumentritt weist auf die zahlreichen baulichen Entwicklungen in Lobeda hin und zählt dieses Projekt für die Menschen, die hier leben, hinzu. Der nachhaltige Aspekt hat sich bereits in Vorgänger-Wettbewerben in Stuttgart, Italien oder Dänemark manifestiert. Hier sind Installationen entstanden, die heute noch von der Nachbarschaft genutzt und gepflegt werden, zum Beispiel eine bunte Spieloase mit Dach auf einem Schulhofgelände oder ein riesiger Tischfußball-Kicker für dreißig Spieler.

Gunnar Poschmann, Leiter Unternehmenskommunikation von jenawohnen, sprach auch im Namen der beiden anderen Wohnungsgeber in Lobeda, der WG Carl Zeiss und der WG Lobeda-West. Er erhoffe sich, eine größere Sichtbarkeit und Stärkung der bereits gut ausgebauten Kulturlandschaft und der Vereinstätigkeiten im Viertel.

Die Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen unterstützt das Projekt durch ein Sponsoring.
Die Geschäftsführerin Sabine Wosche findet solche Vorzeigeprojekte essentiell, um attraktive Wohn- und Lebensbedingungen in Thüringen zu schaffen, damit das Bundesland der Abwanderung seiner Einwohner entgegenwirken könne.

Bis der Startschuss für den Wettbewerb fällt, soll das Projekt noch tiefer in den Stadtteil getragen und viele weitere Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen werden. Gilly Karjevsky, Kuratorin des Projekts und wie Halbrecht aus Israel stammend, blickt hoffungsvoll auf die bereits gewonnenen Partner und wünscht sich, dass bei der gemeinsamen Umsetzung alle Einwohner Lobedas von dem Projekt in irgendeiner Form profitieren. Und Halbrecht ergänzt: „Die spielerische Komponente und der Spaß, der durch dieses Format entsteht, erzeugt Offenheit, was bei der Begegnung von Menschen wesentlich ist“.

Wer Anregungen, Fragen oder Ideen zu dem Lobeda-Projekt hat, kann sich gerne melden bei: JenaKultur, Caroline Zacheiß, Projektkoordination „72 Hour Urban Action“, Knebelstraße 10, 07743 Jena – Tel. 03641 49 8172 – E-Mail: caroline.zacheiss @ jena.de





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