Pogromnacht 9. November 1938 (III): Der Anfang der „Endlösung der Judenfrage“ im deutschen Machtbereich
(red + Content der LpB Banden-Württemberg) – Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ging als „Kristallnacht“ oder „Reichspogromnacht“ in die deutsche Geschichte ein. Dabei wurden viele Hundert Menschen getötet oder in den Suizid getrieben, mehr als 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige jüdische Versammlungsräume in Brand gesetzt sowie tausende jüdische Geschäfte, Wohnungen und Friedhöfe zerstört.
Die Pogrome waren vor genau 80 Jahren vom rechten NS-Regime gezielt organisiert und gelenkt worden und stellten den Übergang von der fünf Jahre zuvor begonnenen Diskriminierung der deutschen Juden hin zu ihrer systematischen Verfolgung und schließlich den Holocaust dar.
Hintergrund: Die gewaltsamen Ausschreitungen fallen in eine historische Konstellation, in der die „Judenpolitik“ des nationalsozialistischen Regimes an einem Wendepunkt angelangt war, markieren somit End- und Anfangspunkt einer Entwicklung. Die Reichspogromnacht vom 9. und 10. November 1938 steht für den Antisemitismus in Deutschland und den Wandel hin zu einer Entwicklung, die in einer „Endlösung der Judenfrage“ im deutschen Machtbereich mündete: dem nationalsozialistischen Völkermord an rund sechs Millionen europäischer Juden.
Am Abend des alljährlichen Treffens der NSDAP-Führerschaft anlässlich des gescheiterten Hitler-Putsches am 9. November 1923 wurden die Übergriffe nach Zustimmung Hitlers von Propagandaminister Josef Goebbels durch eine Hetzrede ausgelöst. Goebbels verwies auf die bereits stattgefundenen Pogrome in Kurhessen und Madgeburg-Anhalt und machte die Bemerkung, dass die Partei antijüdische Aktionen zwar nicht organisieren, aber auch nicht behindern werde. Anschließend gaben die SA-Führer von München aus telefonisch entsprechende Befehle an ihre Stäbe und Mannschaften durch.
Aus dem NS-Archiv: Fernschreiben von Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei, an die Staatspolizeistellen am Abend des 09.11.1938…
Es dürfen nur solche Maßnahmen getroffen werden, die keine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums mit sich bringen (z.B. Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung ist).
Geschäfte und Wohnungen von Juden dürfen nur zerstört, nicht geplündert werden. Die Polizei ist angewiesen, die Durchführung dieser Anordnung zu überwachen und Plünderer festzunehmen.
In Geschäftstraßen ist besonders darauf zu achten, dass nicht jüdische Geschäfte unbedingt gegen Schäden gesichert werden.
SS und Gestapo organisierten die Verschleppung einer nicht exakt festgestellten Zahl jüdischer Männer und Jugendlicher (etwa 26.000) in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen. Viele von ihnen kamen dort infolge von körperlichen und psychischen Schikanen, von Medikamentenentzug u.a. um. Anderen wurde der Verzicht auf Eigentum abgezwungen. Die Masse der Inhaftierten kam erst nach Auswanderungserklärungen frei. Im Anschluss an die Pogromnacht wurden fast alle jüdischen Organisationen aufgelöst und die jüdische Presse verboten.
Juden durften jetzt keinen Handel, kein Handwerk und kein Gewerbe mehr betreiben, Diskriminierungen, Verbote und Auflagen wurden immer mehr, sie umfassten das gesamte alltägliche Leben – den Juden in Deutschland wurde damit jegliche Existenzgrundlage genommen – wer konnte wanderte aus.
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