David Lynch & Angelo Badalamenti: „Thought Gang“ = Zeitgenössisch-düsterer Blues-/Jazz-Krach zum Ende der Welt
(Tobi Reiter) – Seit Jahren ist David Lynch als vielseitig begabter Künstler, der hauptsächlich durch Filme wie „Eraserhead“, „Blue Velvet“, „Der Elefantenmensch“ oder „Mulholland Drive“ Weltruhm erlangte, bekannt. Aber er ist zugleich eine Art Wanderprediger für menschliche Abgründe und die dunklen Seiten des Lebens. Zu seinen herausragenden Regiearbeiten zählt „Twin Peaks / TP“, die man getrost als die Mutter aller mysteriös-dunklen TV-Serien der letzten drei Jahrzehnte zählen darf.
Begleitend zu seinen Arbeiten in Film und Fernsehen, der Fotografie und teils verstörend wirkender bildender Kunst ist Lynch auch immer Musiker gewesen, der diese stilbildend zur Unterstützung seiner Projekte einsetzt. Allerdings dauerte es erst bis ins Jahr 2011, als mit „Crazy Clown Time“ und dann 2013 mit „The Big Dream“ erste Soloalben veröffentlichte, die stets ein eigens Genre aus irrem Textfetzen, harten Industrial-Klängen und apokalyptischem Krawall-Blues und Jazz darstellen.
Zwar gab es bei ihm immer auch molligen Kitsch (wie die Musik von „Twin Peaks“) plus Gänsehautballaden wie „Falling“ mit Sängerin Julee Cruise, aber das fühlt isch im Nachhinein eher an, wie ein kreidefressender Wolf als „Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles, was entsteht, Ist wert, daß es zugrunde geht“, wie es Goethe im „Faust“ einst dichtete. Nun erschien mit dem Album „Thought Gang“ wieder einmal zeitgenössischer Krach und David Lynch hat ihn mit seinem jahrelangen Filmmusik-Partner Angelo Badalamenti gemacht.
„Thought Gang“ wurde nach der Ausstrahlung der zweiten Staffel von „TP“ geboren, als die Hauptproduktion des „TP“-Kinofilms „Fire Walk With Me“ gerade erst begonnen hatte. Das esoterische JazzSide-Projekt von David Lynch und Angelo Badalamenti entwickelte sich ursprünglich aus dem Slow Cool Jazz, der die TV-Serie mitgeprägt hatte. Im Bookler erfährt man, dass das Album zwischen Mai 1992 und Sommer 1993 stückweise aufgenommen und dann zweieinhalb Jahrzehnte lang nicht veröffentlicht wurde. Heute weiß man aber auch, dass in den 1990er- und 2000er- Jahren Fragmente und Arbeitsversionen von „Thought Gang“-Material immer wieder mal auftauchte: in einem von Lynch geführten Adidas-Werbespot, in Szenen in Lynch-Filmen wie „Mulholland Drive“ oder „Inland Empire“ und am meisten in der 2017 ausgestrahlten dritten Staffel von „Twin Peaks“.
Wohl deshalb dachten sich Lynch und Badalamenti, 2018 sei ein gutes Jahr, um die „Thought Gang“-Songs zu veröffentlichen. Und tatsächlich helfen etwa „Frank 2000“ und „Summer Night Noise“ sowie ein alternativer Instrumental-Mix von „Logic and Common Sense“, den ausgesprochen experimentellen, rauschhaften Soundtrack der dritten „TP“-Staffel zu definieren. Doch entstaubten die beiden nicht nur die alten Bänder, sondern es erblühte hieraus ein experimenteller Sound: horizontlose Wortnarrative, LSDgetränkter Freejazz, ausgedehnt-düstere Geräuschkulissen, Amok laufender Lounge-Jazz plus schlenderne Im- und Explosionen von düsterm Ambient-Sound.
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