Verdacht auf beginnende Demenzerkrankung: Wie ändert sich die Wahrnehmung im Alter?
(UKJ/vdG) – Eine einfache Zeichnung; den abgebildeten Gegenstand zu erkennen und zu benennen ist eine Aufgabe in den umfassenden Tests, die die Patienten im Gedächtniszentrum am Universitätsklinikum Jena absolvieren. Sie kommen aus eigenem Anstoß, auf Anregung der Angehörigen oder auf Empfehlung des Hausarztes in die Klinik für Neurologie nach Lobeda. Oft leiden sie unter Gedächtnis- oder Konzentrationsproblemen und befürchten, darin die Anzeichen einer beginnenden Demenz zu erkennen. Neben den neuropsychologischen Tests werden die Patienten auch neurologisch und labordiagnostisch untersucht, um eventuelle andere Ursachen für kognitive Beeinträchtigungen ausschließen zu können.
Nicht selten können die Spezialisten vom Gedächtniszentrum ihre zumeist älteren Patienten und deren Angehörige beruhigen, weil die Gedächtnisleistungen nicht aufgrund einer Erkrankung verringert sind, sondern dem Alter entsprechend. „Wir wissen, dass die Geschwindigkeit aller geistigen Prozesse mit dem Lebensalter kontinuierlich abnimmt“, so die psychologische Leiterin des Gedächtniszentrums, PD Dr. Kathrin Finke. „Und zwar linear bereits ab dem jüngeren Erwachsenenalter.“ Die Psychologin erforscht, wie sich die kognitiven Leistungen mit den Lebensjahren verändern, beim Altern in geistiger Gesundheit und bei beginnender Demenz.
Ihr Projekt ist Teil der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten interdisziplinären Forschungsgruppe „Active Perception“ an der LMU München, die mit experimentalpsychologischen, neurowissenschaftlichen und mathematischen Methoden den Zusammenhang von menschlicher Wahrnehmung, Erkennen und Handlung untersucht. Im Fokus steht dabei die Frage, wie unsere Wahrnehmung von Erwartungen beeinflusst wird. Weil die visuellen Leistungen besonders anfällig sind für Altern und Demenzerkrankungen wie Alzheimer, testet die Arbeitsgruppe von Kathrin Finke die Aufmerksamkeit und Wahrnehmungsgeschwindigkeit in eigens dafür konzipierten Wahrnehmungstests am Computer. „Nicht alle Aufmerksamkeitsleistungen sind bei gesunden Senioren verringert. Unsere Untersuchungen zeigen, dass sie sehr gut in der Lage sind, sich auf Wichtiges zu konzentrieren und Hinweise zu nutzen, um ihre Aufmerksamkeit und Wahrnehmung verbessern.“
Das Nachlassen der Wahrnehmungsgeschwindigkeit im Alter ist individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt. Dies hängt offenbar damit zusammen, ob und wie stark sich die Organisation von Hirnnetzwerken verändert. Kathrin Finke: „Wir erkennen typische Veränderungen in der sogenannten ‚Konnektivität‘ bestimmter Hirnnetzwerke, die im Zusammenhang mit der Verlangsamung der Sinnesverarbeitung stehen.“ In der Fortführung des Forschungsprojektes können nun im Gedächtniszentrum Jena Patienten mit einem Risiko für eine Alzheimer-Entwicklung untersucht werden. Sie absolvieren die Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitstests als Teil der Diagnostik in der Gedächtniswoche. Die Wissenschaftler erwarten, dass sich die Wahrnehmung und die Hirnaktivitätsmuster bei den Patienten mit Demenz-Risiko auf charakteristische Weise von denen gesunder Senioren unterscheiden. „Daraus wollen wir Biomarker entwickeln, die es erlauben, ein Demenz-Risiko möglichst frühzeitig und präzise zu bestimmen. Individuell abgestimmte kognitive Trainings und medikamentöse Behandlung könnten den Verlauf der Krankheit dann so weit wie möglich hinauszögern“, so Katrin Finke.
Genau das ist auch das Ziel der Behandlung, wenn im Gedächtniszentrum eine beginnende Alzheimer-Demenz festgestellt wird. Natürlich ist das die Diagnose, die die Patienten und ihre Angehörigen befürchten. Aber Team des Zentrums beobachtet oft auch eine Erleichterung bei den betroffenen Familien über die nun bestehende Klarheit. „Anhand der umfassenden medizinischen, neuropsychologischen und ergotherapeutischen Diagnostik erstellen wir für den Patienten einen individuellen Behandlungsplan, der gemeinsam mit dem Hausarzt verfolgt wird, und vermitteln auch weitere Unterstützung“, sagt PD Dr. Christoph Preul, ärztlicher Leiter des Gedächtniszentrums. Eine wesentliche Rolle spielt die Angehörigenschulung, die das Verständnis für die mit der Erkrankung einhergehenden Veränderungen und den besten Umgang damit fördert. Kathrin Finke: „Die Krankheit schreitet sehr langsam voran und die Patienten finden sich in gewohnten Situationen und Umgebungen noch lange gut zurecht. Auch später sind sie Menschen mit eigenen Vorlieben, Wünschen und Bedürfnissen, mit denen man gemeinsam Freude empfinden kann.“
HIER findet man die Homepage der Forschungsgruppe.
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