Krise bei Science City Jena: Björn Harmsen im Interview (Teil 1)
(Baskets Jena) -Es gab ganz sicher schon einfachere Phasen für die Basketball-Riesen von Science City Jena und Trainer Björn Harmsen. Nach einer sportlichen Durststrecke tabellarisch im Kampf um den Klassenerhalt angekommen, gab der 36-jährige Cheftrainer der Ostthüringer Einblicke in seine Gedanken, zog eine kurze Zwischenbilanz und hofft trotz der Talfahrt auf die gerade in dieser Phase wichtige Unterstützung durch die Jenaer Basketball-Familie.
Frage: Björn, Du hast mit deinem Team derzeit die wahrscheinlich schwierigste Phase seit deiner Rückkehr zu bewältigen. Woraus ziehst du momentan positive Energie?
Ich weiß gar nicht, ob es tatsächlich die schwierigste Zeit ist. Wir hatten auch schon in der ProA mal eine Serie mit einigen Niederlagen in Folge. Das ist, ungeachtet der mittlerweile gewachsenen Ansprüche, aus meiner Sicht schon ein wenig miteinander vergleichbar. Deswegen würde ich bei diesem Thema weiter ausholen. Für uns ging es in den letzten fünf Jahren kontinuierlich bergauf. Dazu zähle ich sowohl die sportliche, vor allem aber auch die strukturelle Entwicklung von Science City. Erst kam die neue Arena, dann die Trainingshalle, welche zuletzt durch den Zwischenbau und „refit“ miteinander verbunden wurde. Zudem hatten wir vor sechs Jahren keinen einzigen hauptamtlichen Nachwuchs-Trainer. In der aktuellen Momentaufnahme verfügen wir mittlerweile über vier Jugend-Coaches, haben dazu einen hauptamtlichen Athletiktrainer sowie einen festen Physiotherapeuten im Club. Das heißt, unser Verein hat sich zusätzlich zur basketballerischen Komponente strukturell zunehmend besser aufgestellt und konnte mit Blick auf die Entwicklung im Nachwuchsbereich große Fortschritte erzielen.
Worauf ich besonders stolz bin ist der Umstand, dass wir in Jena aus dem Schatten einer Randsportart herausgetreten sind und zu einem in der Gesellschaft fest verwurzelten Teil wachsen konnten. Das betrifft neben den großen Jungs in erster Linie auch unsere zahlreichen Jugendabteilungen. Wir wollten generationsübergreifend in unserer Stadt ankommen und das ist uns, denke ich, ganz gut gelungen. Deswegen war der Ansatz, Kinder für Basketball zu begeistern, das richtige Konzept welches wir fortführen wollen und müssen. Dies alles addiert sich in Summe zu einer kontinuierlich guten Entwicklung, die wir seit dem Umzug aus Lobeda in die Arena erreicht haben. All diese positiven Aspekte sind es, die uns in der aktuell sicher nicht einfachen Situation Mut schöpfen und zuversichtlich auf die nächsten Aufgaben blicken lassen.
Unter Dir ist Science City Jena aus der 2. Liga aufgestiegen, hat sich zu einem Club entwickelt, der seit zwei Jahren erfolgreich in der BBL mithalten kann. Wie schätzt Du die momentane Situation ein?
Wir haben vor drei Jahren ungeplant oder besser gesagt halb geplant die Meisterschaft der 2. Liga errungen, sind in die BBL aufgestiegen und hatten enorm viel Glück mit dem Timing. Dies fing bei den Verpflichtungen von Immanuel McElroy und Guido Grünheid an, entwickelte sich dann sportlich in der Meisterschaftssaison von Sieg zu Sieg. Wir sind unglaublich gut durch das Spieljahr gekommen, haben viele knappe Begegnungen gewonnen, sind aber eben auch überwiegend verletzungsfrei geblieben. Diese wichtigen Puzzleteile waren letztendlich ausschlaggebend für unseren Erfolg. Anschließend ist es uns gelungen die nächsten Teile zu integrieren und so konnten wir in den beiden zurückliegenden Spielzeiten souverän den Klassenerhalt sichern. Für mich war und ist das auch aus heutiger Sicht so etwas wie eine kleine Meisterschaft und wertvoller als der Titel der ProA.
Unser frühzeitiger Klassenerhalt in den beiden letzten Spielzeiten hatte andererseits zur Folge, dass niemand aus dem Umfeld wirklich das Gefühl kennt, im Tabellenkeller gegen den Abstieg spielen zu müssen. Diese Befürchtungen und Ängste sind für viele Basketballfans neu. Ich habe immer gemahnt, dass die Realität eigentlich eine andere ist. Wir hatten in den beiden zurückliegenden Jahren ja zwischenzeitlich sogar die Chance um die Playoffs mitzuspielen. Dass sich diese Entwicklung mit einem der kleinsten Etats der Liga nur schwer konservieren lässt, werden zwar viele Leute geahnt haben. Wenn es dann aber tatsächlich mal soweit kommt, ist es äußerst schwierig damit umzugehen. Für mich persönlich stellt sich diese Herausforderung allerdings nicht zum ersten Mal. Da Jena längst zu meiner Heimat geworden ist, man extrem viele Leute kennt, ist die sportliche Situation immer Gesprächsthema. Das heißt, man bekommt den Kopf nicht wirklich frei. Man möchte seine Freunde und Leute die man gut kennt, nicht enttäuschen.
Für mich ist der beste Weg mit dieser Situation umzugehen, Ruhe zu bewahren. Das gilt für mich persönlich, aber auch in der Kommunikation mit unserem Umfeld. Statt in Panik zu verfallen stelle ich mir die Fragen: Was können wir inhaltlich verbessern? Was können wir verändern? Müssen wir nochmal nachverpflichten? Wo liegen die wirklichen Gründe für diese Situation. Im letzten Spieljahr hatten wir viel Glück, in diesem Jahr kommt eine Portion Pech dazu. Da genügt ein Blick auf die Personalien Skyler Bowlin, Max Ugrai und Kyle Weaver, die uns mit Sicherheit deutlich weniger gekostet haben, als sie tatsächlich wert sind, die charakterliche Komponente dabei mal ganz außen vor gelassen. Alle drei Spieler sind zu besseren Teams gewechselt, wo sie im Endeffekt deutlich mehr verdienen. Das muss man so im Sport einfach akzeptieren.
Diesen sportlichen Wert dann noch einmal zu einem solchen Preis zu bekommen ist natürlich enorm schwierig. Dazu kam die Verletzung von Jamar Abrams die ihn sehr weit zurückgeworfen hat. Abrams ist schließlich ein Spieler, der sich in erster Linie über seine Athletik definiert. Der für mich vielleicht wichtigste Punkt war aber der eng gesetzte Spielplan rund um die Weihnachtsfeiertage. Da haben wir viele Körner gelassen, konnten nicht oft genug regenerieren und haben Niederlagen vor allem mental mit uns herumgeschleppt. In den letzten Jahren verlief diese Phase zwar ähnlich hart, wurde zwischendurch aber auch immer wieder von Siegen unterbrochen. Wenn du in so einer Phase ab und zu gewinnst kannst du Weihnachten und Silvester natürlich deutlich besser genießen. Das ist uns in den letzten Wochen eben leider nicht geglückt. Eigentlich musst du gerade mit diesem straffen Spielrhythmus und den sich summierenden Niederlagen im Gepäck erst recht die Ruhe bewahren.
Wie gehst Du in dieser Phase mit den Spielern und mit deiner Mannschaft um?
Für mich persönlich ist das wichtigste, den Druck nicht an das Team weiterzugeben. Die Jungs machen sich ja selbst schon genügend Druck. Insofern haben wir die letzten Wochen genutzt, um primär im athletischen Bereich zu arbeiten und um auch mal den Kopf freizubekommen. Wir haben keinen schlechten Apfel im Team oder Spieler im Kader, die nicht gewinnen wollen. (…)
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