Ein Verbündeter im Klassenkampf: Biologiedidaktiker veröffentlichen Aufsätze zur Haeckel-Rezeption in der DDR
(Stephan Laudien) – Der Naturforscher, Evolutionsbiologe und Monist Ernst Haeckel, dessen Todestag sich am 9.8.2019 zum 100. Mal jährte, machte posthum eine steile Karriere in der DDR. Zwei Fischerei-Forschungsschiffe trugen seinen Namen, ebenso eine Jugendbrigade im Kombinat „Carl Zeiss Jena“. DDR-Staatschef Walter Ulbricht regte während seines Besuches an der Universität Jena einen Haeckel-Film an, der den Titel „Der Mann mit dem Schöpferhut“ tragen sollte. Zudem wurde eine Ernst-Haeckel-Medaille verliehen, außerdem erschienen zahlreiche Publikationen über Haeckel.
Ein Forscherteam um den Biologiedidaktiker und Wissenschaftshistoriker Prof. Dr. Uwe Hoßfeld von der Universität Jena hat die Haeckel-Rezeption in der DDR untersucht. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler jetzt in der „Naturwissenschaftlichen Rundschau“ veröffentlicht. „Uns hat überrascht, wie mannigfaltig die Haeckel-Rezeption in der DDR war“, sagt Uwe Hoßfeld. So seien Haeckels Theorien Unterrichtsstoff in Schule und Studium gewesen, auch wurde der Jenaer Gelehrte zu einem Verbündeten im Kampf um eine materialistische Weltanschauung erklärt. „Dabei unterblieb im Schulkontext in der Regel eine kritische Auseinandersetzung mit Haeckels rassentheoretischen Vorstellungen“, ergänzt Ko-Autor Dr. Karl Porges. Wie schon in der Nazizeit sei Ernst Haeckel zum Kronzeugen für eine den jeweiligen ideologischen Erfordernissen angepasste Wissenschaftsauffassung erhoben worden.
Dr. Stefan Wogawa, der als Gastwissenschaftler an der Studie beteiligt war, verweist auf die hohe mediale Präsenz Haeckels in der DDR-Presse. Im „Neuen Deutschland“, dem Zentralorgan der SED, fand sich der Suchbegriff Ernst Haeckel 196 Mal, in der „Berliner Zeitung“ waren es 104 Beiträge. Präsent waren zudem die Wirkungsorte Ernst Haeckels: Das Ernst-Haeckel-Haus, die einstige „Villa Medusa“, und das Phyletische Museum in Jena waren biologiehistorische Forschungsstätten und zugleich Orte, an denen Haeckels Theorien den Besuchern vermittelt wurden. „Das Haeckel-Haus und das Phyletische Museum gehörten zum Besuchsprogramm in Vorbereitung auf die Jugendweihe“, sagt Dr. Wogawa. Das heißt, Jahr für Jahr besuchten hunderte Heranwachsende die beiden Museen.
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