„Geht man mit einem Fahrradhelm ein höheres Risiko ein?“ – FSU-Psychologin entdeckt Veränderungen in Verhalten und Gehirnaktivität bei Helmträgern
(Sebastian Hollstein) – Die Bedeutung mancher Gegenstände hat sich für uns inzwischen so verselbstständigt, dass wir uns sogar auf sie verlassen, wenn sie eigentlich gar nicht gebraucht werden. So wie beim Fahrradhelm. Bereits Kinder lernen, dass sie mit einem Helm auf dem Kopf geschützter im Straßenverkehr unterwegs sind. Die harte, stabile Kopfbedeckung suggeriert Sicherheit – sogar dann, wenn der Träger gar nicht auf einem Rad sitzt und der Helm seiner Funktion nicht gerecht werden kann. Das haben jetzt Psychologinnen und Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Kooperation mit der kanadischen University of Victoria herausgefunden.
Während eines Experimentes ließ das Forschungsteam 40 Personen am Computer ein Kartenglücksspiel spielen, bei dem man sich zwischen einer risikoreichen und einer risikoärmeren Variante entscheiden muss. Die Hälfte der Probanden trug dabei einen Fahrradhelm unter dem Vorwand, dass der darauf montierte Eyetracker ihre Augenbewegungen misst. Während des Spiels beobachteten die Jenaer Wissenschaftlerinnen mittels EEG, was im Gehirn der Versuchsteilnehmer passiert und machten eine spannende Entdeckung: Die sogenannte „Frontal Midline Theta Power“ – also die Hirnaktivität, die das Abwägen während Entscheidungsprozessen kennzeichnet – war bei den Helmträgern weitaus weniger ausgeprägt als bei den Probanden ohne Helm. „Das bedeutet, dass der Helm die Entscheidungsfindung im Risikospiel eindeutig beeinflusst. Offensichtlich assoziieren die Probanden mit dem Tragen des Fahrradhelms ein Gefühl der Sicherheit“, erklärt Dr. Barbara Schmidt, die Leiterin der Studie. Die kognitive Kontrolle, so nennen Psychologen den Mechanismus während des Abwägens, sei mit Helm weniger ausgeprägt. „Möglicherweise liegt hier eine Art Priming vor“, sagt Schmidt. „Das heißt, dass der Bedeutungsinhalt, den jeder mit einem Helm verbindet, automatisch Auswirkungen auf die Kognition im Gehirn hat.“
Die Probandengruppen waren in ihrer Ängstlichkeit vergleichbar, weshalb der gefundene Effekt nicht auf einen generellen Gruppenunterschied zurückzuführen ist. Damit führt Barbara Schmidt ihre Forschung zu psychologischen Einflussfaktoren auf das Risikoverhalten weiter. In einer früheren Studie hatte sie bereits die „Frontal Midline Theta Power“ als Indikator für den Abwägungsprozess im Gehirn eindeutig identifiziert und somit die Basis für die aktuelle Arbeit gelegt. „Durch die Untersuchung solcher neuronalen Parameter erfahren wir mehr darüber, warum wir so handeln, wie wir es tun – und wie sich das beeinflussen lässt“, sagt die Jenaer Expertin. „In der vorliegenden Studie verwendeten wir eine sehr subtile Manipulation, das Tragen eines Fahrradhelms. Sicherheit kann aber noch viel deutlicher suggeriert werden, zum Beispiel unter Hypnose.“
Hier ergibt sich die Verbindung zu einem weiteren zentralen Arbeitsfeld der Jenaer Psychologin. Schmidt erforscht auch die Wirkung von Hypnose. „Für uns ist es sehr interessant zu beobachten, wie stark Suggestionen die Hirnaktivität beeinflussen können“, sagt sie. „Im hypnotischen Zustand sind Probanden sehr offen für angebotene Vorstellungen, zum Beispiel für die Vorstellung eines sicheren Ortes, an dem sie sich geborgen fühlen. Das Tragen eines Fahrradhelms kann auch als eine Suggestion verstanden werden, die unbewusst wirkt. Die aktuelle Studie zeigt, dass selbst solch eine subtile Maßnahme Entscheidungsprozesse signifikant beeinflusst. Experimente wie dieses helfen dabei, die Mechanismen, die hinter der Wirkung von Suggestionen auf Entscheidungsprozesse stehen, genauer zu verstehen.“
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