Zwischen Lächeln und Lachen: Muslimische Assistenzärztin Aysun Tekbaş engagiert sich vielfältig im UKJ

16.08.19 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, POLITIK & URBANES LEBEN, START, UNSER JENA, WISSENSCHAFT, MEDIZIN & TECHNIKKommentare deaktiviert für Zwischen Lächeln und Lachen: Muslimische Assistenzärztin Aysun Tekbaş engagiert sich vielfältig im UKJ

Wäre sie nicht Chirurgin, wäre Aysun Tekbaş vermutlich Fremdsprachenkorrespondentin. Sie beherrscht sechs Sprachen. Damit unterstützt sie auch mal beim Übersetzen für Patienten. – Foto: UKJ Schroll

(UKJ/kbo) – Derzeit feiern Muslime weltweit das Opferfest – das höchste Fest im Islam. Auch für Muslime in Jena ist es von großer Bedeutung. So wie für Dr. Aysun Tekbaş. Sie ist angehende Viszeralchirurgin in der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie am Uniklinikum Jena (UKJ).

Hier erlernt die gebürtige Westfälin tagtäglich das – wie sie es nennt – „künstlerische Handwerk der Chirurgie“ an Bauchorganen wie Dickdarm, Dünndarm oder Gallenblase. Die 34-jährige Assistenzärztin fällt auf. Sie ist Muslima. Und sie trägt Kopftuch. Eine Seltenheit – nicht nur in der Klinik, sondern in Jena.

„Als ich 2015 hierher kam, fühlte ich mich wie eine Außerirdische“, erinnert sie sich. „Ich war eine von sehr, sehr wenigen Frauen mit Kopftuch in der Stadt. Da war mir klar: Hier brauchen wir Aktivitäten! Wir als Muslime müssen mehr in die Öffentlichkeit.“ Gesagt, getan. In kurzer Zeit hat sie einiges auf die Beine gestellt – trotz ihres stressigen Berufs und mit viel Disziplin und Herzblut. Sie gestaltet den interreligiösen Dialog in Jena mit, veranstaltet einmal im Jahr ein Friedensgebet in Jena sowie eine interreligiöse Podiumsdiskussion in Erfurt mit und kümmert sich seit vielen Jahren um minderjährige Flüchtlinge.

Konzentriert im OP – dem Ort, an dem angehende Chirurgen am liebsten sein wollen. – Foto: UKJ Schroll

Dank ihres Einsatzes gibt es nun auf dem Nordfriedhof Jena eine muslimische Grabstätte. Sie hält Vorträge, lädt zum gemeinsamen Fastenbrechen ein. Und immer ist ihr Ziel: Aufklärung und gegenseitiges Verständnis. „Ich möchte einfach zum Frieden in der Gesellschaft beitragen“, erklärt Tekbaş. „Das klingt hochtrabend. Aber wenn ich wenigstens einen Menschen erreiche, reicht mir das schon.“

Sicherlich hat sie weit mehr Menschen erreicht. Alleine am Uniklinikum hat ihr Engagement viel bewirkt. Denn im Umgang mit muslimischen Patienten kommen Fragen auf: Was essen sie? Wo können sie beten, wo trauern? Mehrmals im Jahr gibt sie für ihre Kollegen und künftig für Studenten das Seminar „Medizinethische Aspekte im Umgang mit muslimischen Patientinnen und Patienten“.

Denn oft führen schon banale Dinge zu Missverständnissen. „Zum Beispiel empfinden es manche Schwestern als respektlos, wenn ein muslimischer Mann ihnen zur Begrüßung nicht die Hand reicht“, erklärt die Muslima. „Dabei ist das in unserem Glauben eben gerade eine Respektsbekundung gegenüber dem Körper der Frau, ihn nicht zu berühren.“

Mit der Seelsorge am UKJ hat sie sich zusammengesetzt, damit Muslime für die Seelsorge einen festen Ansprechpartner haben. Der findet sich genauso in der offiziellen Broschüre wie der explizite Hinweis, dass Muslime in der Kapelle beten können. Und bald wird es am UKJ als Essensoption für Muslime „Halal“ geben. „Das Küchenpersonal steht dem sehr offen gegenüber“, berichtet Tekbaş. „Vegetarische Speisen und Fisch lassen sich zu Halal zusammenfassen. Eigentlich nur eine Formsache. Bisher hatte einfach keiner danach gefragt.“

Aysun Tekbaş fällt aber nicht nur wegen ihres Kopftuchs auf. Sie fällt auf durch ihre fröhliche, ihre offene, ihre durch und durch optimistische Art mit dem Gesichtsausdruck zwischen Lächeln und Lachen. Ihre Patienten freuen sich sichtlich, wenn die Ärztin zur Visite kommt. „Ich gebe mir Mühe, auf die Patienten einzugehen, stelle Fragen, damit die Patienten tatsächlich ins Gespräch einbezogen werden.

Und ich möchte mir so viel Zeit für die Visite nehmen, wie eben möglich ist“, sagt sie. Das ist oft schwierig, der Klinikalltag ist nicht vorhersehbar. Notfälle kommen, der OP ruft. „Und eigentlich ist der OP-Saal der Ort, an dem ich sein möchte“, so die angehende Chirurgin. Dennoch: Aus eigener Erfahrung als Patientin wisse sie, was die Visite für die Patienten bedeute. „Die Patienten verdienen es, dass ich ihnen erkläre, wie es um sie steht und wie es weitergeht.“

Ab und zu kommt es auch zu unerfreulichen Dialogen – und dabei geht es nicht um die Krankheitsbilder der Patienten. „Alltagsrassismus gibt es schon“, berichtet sie. Sätze wie „Sie sprechen aber gut Deutsch“ oder „Woher kommen Sie?“ fallen. „Ich weiß zwar, dass viele es nicht böse meinen, aber ich frage mich schon: Warum könnt ihr euch nicht vorstellen, dass eine Frau mit Kopftuch Deutsche ist – und Chirurgin?“

Und manche gehen noch weiter. Zu weit. Nachdem sie beispielsweise einem Patienten nicht einfach auf dessen Geheiß hin den Katheter entfernte und erst einmal seine Werte kontrollierte, sagte er zu ihr: „Bei sich zuhause können Sie so nicht mit einem Mann umgehen!“ Vor dem Patienten blieb sie ruhig und gefasst. Aus dem Zimmer heraus überkam es sie. Das blieb nicht unbemerkt. Eine ihrer Kolleginnen sagte dem Patienten, dass er so nicht mit Aysun Tekbaş sprechen könne. Diese Zivilcourage beeindruckte sie: „Es hat mir so viel gegeben, dass meine Kollegin sich dafür eingesetzt hat, damit ich mich gut aufgehoben fühle.“ Offensichtlich hat sie mehr als einen Menschen mit ihrer Botschaft erreicht.





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