Wie der »SOMMER 1969« Jenas Gesicht veränderte

29.08.19 • JEZT AKTUELL, KULTUR & BILDUNG, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENAKommentare deaktiviert für Wie der »SOMMER 1969« Jenas Gesicht veränderte

Abriss der alten Innenstadt für den Bau des Unihochhauses im Sommer 1969. – Bildquelle: Stadtarchiv Jena

(Alexander Klingspor) – Blenden wir einmal zurück in den Sommer vor genau 50 Jahren – vier Wochen, die die Welt veränderten (wir berichteten). Aber dieser Sommer brachte auch eine ganz wesentliche und bis heute andauernde Veränderung des Jenaer Stadtbilds mit sich.

Knapp ein Vierteljahrhundert zuvor hatte es da bereits schwerwiegende Einschnitte in das alte Stadtbild gegeben. Schuld daran waren die verschiedenen Luftangriffe und Bombardierungen des letzten Kriegsjahres gewesen, die vor allem den westlichen Teil der Jenaer Innenstadt mit seinem hstorischen Stadtkern in Feuer, Schutt und Asche versinken liesen.

Im Jahre 1969 jedoch waren die gravierenden Veränderungen am Jenaer Innenstadtbild aber hausgemacht. In der Hauptstadt der DDR, in der Bezirkszentrale Gera und im Rat der Stadt Jena war man sich einig: Weil das Zeiss-Kombinat dringend erweitert werden musste, war auch im Herzen von Jena Platz zu schaffen, denn hier sollte ein Forschungshochhaus entstehen.

Blick auf den historischen Eichplatz im Herzen Jenas. – Bildquelle: Stadtarchiv Jena

DDR- Staatsarchitekt Hermann Henselmann wollte Großes – nein, Großartiges schaffen. Unter Bezug auf Zeiss sollte das neue Hochhaus die Form eines Feldstechers haben: Zwei nebeneinander stehende Tuben, die durch einen Brückengang miteinander verbunden sind. Ultramoderne Architektur. Henselmanns Enttäuschung sei groß gewesen, berichtet man, als man ihm klar machte, dass erstens für den Doppelbau nicht genügend Platz in Jenas Mitte sei und das Projekt zweitens finanziell kaum zu bewältigen wäre. Man einigte sich am Ende auf eine einzige Tube, die, weil zu klein für ein „richtiges“ Fernrohr, später im Volksmund „Keksrolle“ getauft wurde.

Spengungen im Sommer 1969 im Herzen Jenas. – Bildquelle: Stadtarchiv Jena

Platz für das Forschungshochhaus fand man in Areal zwischen Rathausgasse und Leutraggraben. Dort standen jedoch die von den Bombenangriffen verschont gebliebenen Reste der Jenaer Altstadt mit dem historischen Eichplatz. Doch wie in einer Diktatur üblich, setzte sich die Staatsmacht durch und Eichplatz, Leutrastraße, die Rinne, Brüdergasse und teilweise auch der Johannisstraße und dem Johannisplatz wurde mit Sprengstoff zu Leibe gerückt. Innerhalb von nur acht Wochen zwischen Juli und September 1969 fiel das gesamte Areal.

Für viele Menschen und Geschäftstreibende sowie Handwerksbetriebe in Jenas Innenstadt war dies ein Drama. Für alle mussten damals neue Standorte oder Wohnungen gefunden werden. Jenas innere Innenstadt wurde durch schier endlos erscheinende Bretterwände eingezäunt. Dann ging das Straßen- und Tiefbau-Kombinat Gera mit einem Bagger an die Arbeit, der aber nicht so recht vorankam, sodass das Sprengkommando des Braunkohlekombinates Geiseltal früher als gedacht loslegen musste. Insgesamt 24 Sprengungen erfolgten bis Mitte September 1969 – dann war das „Werk“ vollendet.

Der Jenaer Uniturm wird gebaut. – Bildquelle: Stadtarchiv Jena

Schon kurz danach starteten die Bauvorarbeiten, im Frühjahr 1970 erfolgte die Grundsteinlegung für den Turmbau zu Jena, der im Herbst 1972 eingeweiht wurde. Doch Zeiss musste schnell feststellen, dass man das Gebäude nicht wirklich nutzen konnte. Fazit: die Jenaer Universität hatte dort einzuziehen, weshalb der Turm auch heute noch bei nicht wenigen Jenensern „Universitätshochhaus“ oder schlicht „Uniturm“ genannt wird.

Nach der Wende verließ die Universität den Turm. Das seit 1995 leerstehende Gebäude wurde vom Eigentümer, dem Land Thüringen, für den symbolischen Kaufpreis von 1 DM verkauft. Der Käufer sanierte das Gebäude,vermietete die Büroräume an Intershop und zeitweise an die Stadt Jena, etablierte im unteren Teil das Einkaufszentrum Neue Mitte Jena und quasi „unter dem Dach“ das Scala-Hotel mit Restaurant.





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