Paradigmenwechsel für Jena: Die Grünen wollen, dass gleich ein Dutzend Straßen zur „Fahrradstraße“ werden
(red) – Das Thema hat nur bedingt etwas mit dem „Klimanotstand in Jena“ zu tun, wird aber in der Bevölkerung gleichwohl kontrovers diskutiert.
Unter dem Tagesordnungspunkt 31 steht an diesem Mittwoch die Forderung der Bündnisgrünen im Jenaer Stadtrat auf dessen Tagesordnung, gleich ein Dutzend öffentlicher Straßen unserer Stadt in sog. „Fahrradstraßen“ umzuwandeln, auf denen Kfz nur noch ausnahmsweise zugelassen sind. Und es sind keine unbekannten Straßen sondern zum Teil stark frequentierte.
Konkret geht es um die Jahnstraße, die Talstraße, das Wenigenjenaer Ufer, um Dammstraße, Tümplingstraße, Löbichauer Straße und Leipziger Straße, die Straßen Am Planetarium, Am Erlkönig, Burgauer Weg, Im Wehrigt und um die Roland-Ducke-Straße.
Fahrradstraßen sind für den Radverkehr vorgesehene Straßen, auf denen Kfz nur mit gesonderten Zusatzzeichen zugelassen sind, z.B. „Anwohner frei“ oder „Anlieger frei“. Auf ihnen haben Fahrradfahrer Vorrang, dürfen nebeneinander radeln und Kraftfahrzeuge müssen absolut Rücksicht auf den Radverkehr nehmen. Insbesondere wird der Fahrradstraße Vorfahrt gegenüber Nebenstraßen eingeräumt sodass die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ entfällt.
Beispiele aus anderen Städte haben jedoch gezeigt, dass die Idee zwar gut ist, ihre Umsetzung und die Akzeptanz der Bürger jedoch ausbaufähig. Vor allem betrifft dies die gefährlichen Situationen an Kreuzungen, da sich viele Autofahrer kaum an die neue Vorfahrtsregel gewöhnen können. Am Beispiel von Offenbach am Main – einer kreisfreien Stadt in Hessen – zeigt sich, dass direkte Anwohner auch die fehlende Rücksichtnahme von Radfahrern bemängeln, die trotzdem weiter auf Gehwegen fahren, und die durch Parken veränderte Situation, dass zwei Autos kaum noch nebeneinander auf die Fahrbahn passen. Und Offenbacher Radfahrer bemängeln, dass Fahrradstraßen „nicht attraktiv“ seien, was Sicherheit und Optik betrifft.
Funktioniert hätten in Offenbach die Intentionen, durch die Umwandlung der Straßen in Einbahnstraßen Durchgangsverkehre weitgehend zu verhindern, so wird berichtet. Nachteilig für Anwohner, die auf einen Pkw angweisen sind, sei jedoch, dass Umwege gefahren werden müssen und so der positive Effekt der Fahrradstraßen für die Umwelt in Frage stehe.
Fahrradstraße sind in der Regel reine Anliegerstraße, in die ausschließlich Anwohner und deren Besucher einfahren dürfen sowie Lieferanten und Dienstleister, Kunden von dort ansässigen Geschäften und Menschen, die dort arbeiten. Der Durchgangsverkehr mit dem Auto muss andere Wege suchen, sonst drohen Bußgelder. Kontrollen haben beispielweise in Offenbach am Main jedoch ergeben, dass trotzdem noch knapp die Hälfte der Autofahrer die Straßen ohne ein Anliegen durchfahren hätten.
Übrigens: Es gibt Fördergelder des Bundesumweltministeriums, um den Radverkehrsanteil in Städten zu erhöhen. Diese können jedoch nur für die Schaffung reiner Radfahrinfrastruktur verwendet werden und nicht für die Umgestaltung von öffentlcihen Straßen in Fahrradstraßen. Die kann aber schon ins Geld gehen, wie Offenbach belegt. Dort kostete z.B. die Umwandlung einer 500 Meter langen Strecke 95.000 Euro inklusive der für die Markierungen notwendigen Reparaturen an der Fahrbahnoberfläche.
« Heimspielauftakt mit Happy End: Science City schlägt Ehingen nach grandioser Aufholjagd „Wahrheit ist, was der Sache dient“: Anja Siegesmund und ihr „Klimanotstand“-Interview mit der dpa »