Zwei Monate „Klimanotstand“ in Jena: Was machen andere Städte, um das Klima zu schützen?

06.11.19 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, POLITIK & URBANES LEBEN, START, UNSER JENAKommentare deaktiviert für Zwei Monate „Klimanotstand“ in Jena: Was machen andere Städte, um das Klima zu schützen?

„Die Uhr tickt“ – Symbolfoto by Henrike – AdobeStockFoto#291042764

(Tom Hofmeister) – Am 4. September 2019 beschloss der Jenaer Stadtrat mehrheitlich, für unsere Stadt den „Klimanotstand“ auszurufen. Einen ebensolchen „Klimanotstand“ haben in den vergangenen Monaten in der Bundesrepublik gleich Dutzende Städte und Gemeinden erklärt, angefangen bei Konstanz vor sechs Monaten. Stets wird die „Eindämmung der Klimakrise“ als ein Ziel angesehen, das „mit höchster Priorität“ angegangen werden müsse, wie es heißt.

Zur Situation in Konstanz folgt morgen eine gesonderter Artikel, aber der Stadt am Bodensee folgten seit Anfang Mai unter anderem Bonn, Gladbeck, Greifswald, Heidelberg, Karlsruhe, Kiel, Köln, Münster, Lübeck, Potsdam, Trier und eben unsere Stadt. Selbst Ortsteile von Metropolen wie der Berliner Bezirk Pankow machten sich selbst zu Vorreitern des Klimaschutzes; in Pankow sollen gar, dem Wunsch der Bündnis-Grünen folgend, keine dienstlichen Inlandsflüge für Bezirksamtsmitarbeiter mehr genehmigt werden, was dort u.a ein eigener Klimaschutzbeauftragter kontrollieren soll. Zwar können weltweit nur etwa 2 % aller schädlichen Emissionen nach Deutschland verortet werden, doch Klimapolitik hat eben immer auch eine Vorbildfunktion.

Doch bereits der Begriff „Klimanotstand“ (eine Übersetzung des englischen „climate emergency“) ist nicht unmstritten. Viele Menschen finden es zwar gut, „das Klima“ zu retten, befürchten aber, dass sobald von einem „Notstand“ die Rede ist, Zwangsmaßnahmen der nächste Schritt sein werden. Gleichwohl: Augenscheinlich werden die Auswirkungen der Klimakrise für die Bürgerinnen und Bürger vor allem in der heimischen Botanik. Wer sieht, wie die Erderwärmung urbane und stadtnahe Natur verändert, wer erkennt, wie die sich jährlich wiederholende Halbjahres-Trockenheit inzwischen bereits zwei Drittel und mehr Bäume in Mitleidenschaft zieht, wer die Schäden an der Vegetation nicht mehr verleugnen kann, der versteht, weshalb Fridays for Future und andere Bewegungen Woche für Woche auf die Straße gehen.

In Jena steht man am Anfang der Entwicklungen raus aus dem Notstand, doch was machen schon heute andere Städte, wenn es darum geht, unser Klima zu schützen? Radolfzell beispielsweise – der Ort liegt nahe bei Konstanz – hat die dortigen Stadtwerke beauftragt, über Sonnenkollektoren auf einem großen Feld am Stadtrand Wasser zu erwärmen, das über ein Röhrennetz angeschlossene Haushalte beheizt. Ist es bewölkt, springt in der Zentrale eine Holzschnitzel-Heizung an und ein. Die Sache ist deshalb so sinnvoll, weil jegliche vor Ort erzeugte Fernwärmeenergie besser ist als solche, die erst über lange Wege in die Häuser transportiert werden muss. Rund vier Millionen Euro haben die Radolfzeller Stadtwerke hier investiert.

Wald als Naturpark – Symbolfoto © by vulcanus – FotoiaLicense#203104291

Ein ganz anderes Thema, über das sich Lokalpolitiker gehäuft Gedanken machen, sind die stetig zunehmenden Wetterextreme. Hier sucht man auf kommunaler Ebene z.B. nach geeigneten Konzepten gegen örtliche Überschwemmungen durch Starkregenereignisse und Hochwasser ebenso wie gegen Gluthitze und Dürre in den Innenstädten mit Tropennächten, die nachweislich Temperaturunterschieden von bis zu zehn Grad zwischen Stadt und Umland mit sich bringen. Zugleich breiten sich hierzulande immer häufiger exotische Tierarten wie die Asiatische Tigermücke massiv aus. Das von der Bundesregierung beschlossene Klimapaket wird da allgemein für unzureichend angesehen, da es nahezu durchgängig Kompromisse enthalten würde, hört man.

Andere Beispiele: Im Landkreis Bayreuth soll ein „Klimacheck für anstehende Entscheidungen auch in Kommunalunternehmen und Zweckverbänden“ eingeführt werden. Nach dem Willen des Stadtparlaments von Senftenberg (Brandenburg) soll zukünftig Busfahren nichts mehr kosten; hierfür will man richtg viel Steuergeld anfassen. Im zwischen Rhein, Neckar und dem Odenwald gelegenen Heidelberg möchte man die Gewerbesteuer für Unternehmen senken, die sich klimafreundlich verhalten. Die IT-Zentrale der Fuldaer Stadtverwaltung wird durch Geothermie gekühlt. Begrünte Dächer bei neuen Garagen und Carports sollen in Landau in der Pfalz zur Pflicht werden. und die Hansestadt Hamburg plant Klimaschutz im ganz großem Stil: Dort wird fast eine Milliarde Euro ausgegeben, um das Fernwärmenetz zurückzukaufen, damit die Hansestadt ihre Fernwärme-Kunden zukünftig weitgehend CO²-neutral versorgen kann.

In einer anderen Landeshauptstadt haben Oberbürgermeister und Gemeinderat ein 200 Mio. Euro teures Handlungspaket auf den Weg gebracht – Überschrift: „Weltklima in Not – Stuttgart handelt“. So sollen in und um die sechstgrößte Stadt Deutschlands herum zusätzliche Grün- und Wasserflächen entstehen. Wer in der Stadt neu baut, der hat zukünftig verpflichtend Flachdächer komplett zu begrünen bzw. Fassaden zu mindestens 30%. Auch möchte man Heizpilze für nächtliche Kneipengänger verbieten und erreichen, dass vom Stuttgarter Flughafen aus keine Flüge mehr nach Zielen zugelassen werden, die in zwei Stunden auch per Bahn erreichbar wären. Stuttgarts grüner OB Fritz Kuhn selbst fährt jetzt einen Elektro-Smart als Dienstauto.

Ganz klar: die Bewegung Fridays for Future und die allgemeinen Klima-Protestierer haben recht mit ihren Forderungen, doch ohne eine gute Klimapolitik des Bundes und der Landesregierungen haben Städte und Gemeinden im Grunde wenig Möglichkeitem das Maximum beim Klimaschutz herausholen. Außerdem täten die Kommunalvertreter gut daran, ihren Bürgerinnen und Bürgern zu sagen, was eine konsequente Umsetzung der Forderungen aufgrund des „Klimanotstands“ kosten wird und wer dies zu finanzierne hat. Nur so kann eine größtmögliche Akzeptanz erreicht und zusätzliches Geld für den Klimaschutz bereitgestellt werden.

Lesen Sie am 08.11.2019: „Sechs Monate Klimanotstand in Konstanz: Wie hat sich die Stadt am Bodensee verändert?“





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