Faszinierendes Weltall: Jenaer Astrophysiker entdeckt zahlreiche Mehrfachsternsysteme mit Exoplaneten

17.11.19 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENA, WISSENSCHAFT, MEDIZIN & TECHNIKKommentare deaktiviert für Faszinierendes Weltall: Jenaer Astrophysiker entdeckt zahlreiche Mehrfachsternsysteme mit Exoplaneten

Diese künstlerische Darstellung zeigt einen Blick auf die Oberfläche des Planeten Proxima b, der den dem Sonnensystem am nächsten gelegenen roten Zwergstern Proxima Centauri umkreist. Der Doppelstern Alpha Centauri AB ist auch im Bild oben rechts von Proxima selbst zu sehen. Proxima b ist etwas massiver als die Erde und umkreist die bewohnbare Zone um Proxima Centauri, wo die Temperatur für flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche geeignet ist. – Abbildung: ESO Martin Kornmesser

(Till Bayer) – Ist unsere Erde der einzige bewohnte Planet im Universum? Oder gibt es irgendwo da draußen vielleicht noch weitere lebensfreundliche Orte – und wenn ja, wie könnten sie aussehen? Um diese fundamentalen Fragen zu beantworten, suchen Wissenschaftler den Himmel nach Exoplaneten ab – fernen Welten, die außerhalb unseres Sonnensystems um andere Sterne kreisen. Über 4.000 Exoplaneten sind bisher bekannt, die meisten im Orbit um Einzelsterne wie unsere Sonne.

Nun sind vom Jenaer Astrophysiker Dr. Markus Mugrauer zahlreiche neue Mehrfachsternsysteme entdeckt und charakterisiert worden, in denen Exoplaneten vorkommen. Die Funde bestätigen Annahmen, wonach das Vorhandensein mehrerer Sterne den Entstehungs- und Entwicklungsprozess von Planeten beeinflusst. Die Studie von Dr. Markus Mugrauer vom Astrophysikalischen Institut und Universitäts-Sternwarte der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist heute im renommierten Fachmagazin „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ erschienen.

Diese Bilder zeigen einige der Planetenmuttersterne mit stellaren Begleitern (B, C), die im Rahmen des Projekts gefunden wurden. Die Aufnahmen sind RGB-Kompositbilder, die mit dem Panoramic Survey Telescope and Rapid Response System (PanSTARRS) im y- (960 nm), i- (760 nm), und g-Band (480 nm) aufgenommen wurden. Auf dem Bild in der Mitte oben ist ein hierarchisches Dreifachsternsystem zu erkennen. – Foto: Mugrauer, PanSTARRS

„Mehrfachsternsysteme kommen in unserer Milchstraße sehr häufig vor“, erklärt Dr. Markus Mugrauer. „Wenn solche Systeme Planeten besitzen, so sind sie für die Astrophysik von besonderem Interesse, weil sich die Planetensysteme darin fundamental von unserem Sonnensystem unterscheiden können.“ Um mehr über diese Unterschiede zu erfahren, suchte der Jenaer Astrophysiker mehr als 1.300 bekannte Sterne, bei denen Exoplaneten gefunden wurden, nach Begleitsternen ab. Dabei griff er auf die präzisen Beobachtungsdaten des Weltraumteleskops Gaia zurück, das von der Europäischen Weltraumagentur ESA betrieben wird.

Auf diese Weise gelang es ihm, bei Planetenmuttersternen mit bis zu 1.600 Lichtjahren Abstand zur Sonne insgesamt rund 200 Begleitsterne nachzuweisen. Mithilfe der Daten konnte Mugrauer die entdeckten Begleitsterne und ihre Systeme zudem näher beschreiben: Es existieren sowohl enge Systeme mit Abständen von nur 20 Astronomischen Einheiten (AE) – was in unserem Sonnensystem in etwa der Distanz zwischen Sonne und Uranus entspricht ­– als auch Systeme, deren Sterne über 9.000 AE voneinander entfernt liegen.

Unterschiedlich beschaffen sind die Begleitsterne auch hinsichtlich ihrer Massen, Temperaturen und Entwicklungsstadien. Die schwersten von ihnen wiegen das 1,4-fache unserer Sonne, die leichtesten verfügen hingegen nur über acht Prozent der Sonnenmasse. Bei den meisten Begleitsternen handelt es sich um massearme, kühle und schwach rötlich leuchtende Zwergsterne.

HIP116454 ist ein Planetenmutterstern im Sternbild Fische und befindet sich ca. 200 Lichtjahre von der Erde entfernt. Er wird von einem wesentlich leuchtschwächeren Weißen Zwerg (B) begleitet. Die Aufnahme ist ein RGB-Kompositbild, zusammengesetzt aus Aufnahmen, die im i- (760 nm), r- (620 nm) und g-Band (480 nm) im Rahmen des Sloan Digital Sky Survey (SDSS) aufgenommen wurden. – Foto: Mugrauer, SDSS

Unter den leuchtschwachen Objekten wurden aber auch acht Weiße Zwerge identifiziert. Als Weißen Zwerg bezeichnet man den ausgebrannten Kern eines sonnenähnlichen Sterns, der zwar nur ungefähr so groß ist wie unsere Erde, dafür aber halb so schwer wie unsere Sonne. Diese Beobachtungen zeigen, dass Exoplaneten die finale Entwicklungsphase eines nahen sonnenähnlichen Sterns durchaus überleben können.

Bei der Mehrzahl der in der Studie nachgewiesenen Sternsysteme mit Exoplaneten handelt es sich um Doppelsterne. Es konnten aber auch rund zwei Dutzend hierarchische Dreifachstern- und sogar ein Vierfachsternsystem detektiert werden. Im untersuchten Abstandsbereich zwischen ca. 20 und 10.000 AE verfügen insgesamt 15 Prozent der untersuchten Sterne über mindestens einen Begleitstern. Diese Häufigkeit ist nur etwa halb so groß, wie sie bei sonnenähnlichen Sternen im Allgemeinen erwartet wird. Zudem weisen die detektierten Begleitsterne einen ca. fünfmal größeren Abstand auf als gewöhnliche Systeme.

„Beides zusammen könnte darauf hinweisen, dass der Einfluss mehrerer Sterne in einem Sternsystem den Entstehungsprozess von Planeten sowie die weitere Entwicklung ihrer Umlaufbahnen stört“, so Mugrauer. Ursache dafür sei zunächst die gravitative Wechselwirkung der Begleitsterne auf die Gas- und Staubscheiben, in denen Planeten entstehen. Später stören dann die Begleitsterne durch ihr Schwerefeld die Bewegung der Planeten um ihre Muttersterne herum.

Ein Dreifachsternsystemm, ca. 800 Lichtjahre entfernt von der Erde im Sternbild Löwe, mit dem Planetenmutterstern K2-27 (linker heller Stern). Die Aufnahme ist ein RGB-Kompositbild, das mit PanSTARRS im y- (960nm), i- (760nm), und g-Band (480nm) aufgenommen wurde. Rechts davon ist der erste Begleitstern (A) deutlich zu erkennen. Knapp unterhalb von K2-27 findet sich der schwach rötlich leuchtende zweite Begleitstern (C). – Foto: Mugrauer, PanSTARRS

Markus Mugrauer möchte das Projekt fortführen. Auch künftig soll die sogenannte Multiplizität neu entdeckter Planetenmuttersterne mit den Daten der Gaia-Mission untersucht und detektierte Begleitsterne genau charakterisiert werden. „Zudem werden wir die Resultate mit den Ergebnissen einer internationalen Beobachtungskampagne kombinieren, die wir aktuell zum selben Thema am Paranal-Observatorium der Europäischen Südsternwarte in Chile durchführen“, ergänzt der Jenaer Experte. „Damit können wir dann den genauen Einfluss der stellaren Multiplizität auf die Entstehung und Entwicklung von Planeten untersuchen.“





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