„Die Glokalität von Metal-Musik“: FSU-Historiker untersucht lokale wie internationale Vernetzung von Musikzentren
(Sebastian Hollstein) – Heavy Metal, Black Metal, Thrash Metal und so weiter – es gibt vermutlich unzählige Genres innerhalb der Musikrichtung, die sich vor allem durch brachiale Gitarrenriffs und eigenwillige Gesangsstile auszeichnet. Doch so differenziert der Metal auch ist, so eindimensional wurde seine Geschichte oft betrachtet. Musiker und Anhänger seien von jeher vor allem weiß, männlich und proletarisch.
Der Historiker Marco Swiniartzki von der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) will diese starren Betrachtungsweisen aufbrechen und neue Facetten hinzufügen. In seinem nun gestarteten, sozial- und kulturgeschichtlichen Forschungsprojekt „Glocal Metal. Regionaler Vergleich und internationale Vernetzung im Metal der 1970er bis 1990er Jahre“ untersucht er – unterstützt von der Gerda-Henkel-Stiftung – in den kommenden drei Jahren vergleichend, wie sich in acht lokalen Zentren der Musikrichtung, vor allem in Nord- und Mitteleuropa, Großbritannien sowie den USA, unterschiedliche Strukturen herausbildeten. Aus ihnen gingen verschiedene Stile hervor, deren Akteure immer auch das Gemeinsame im Blick hatten und deshalb den persönlichen Kontakt zu Kollegen weltweit suchten.
Diese Verbindungen zwischen lokalem Handeln und globaler Vernetzung bezeichnet man auch als glokal. Dabei seien sowohl Fans als auch Musiker häufiger als bisher angenommen Angehörige der Mittelschichten gewesen – ein Phänomen, das heute umso mehr gilt. „Anders als der Punk, den man als Subkultur einordnen kann, weil er neben der Musik viele andere Ausdrucksformen, wie Mode, Verhaltensweisen oder politische Einstellung oft unter dem Blickwinkel der ,Arbeiterklasse‘ transportierte, möchte ich den Metal eher neutraler als Szene verstehen“, erklärt Swiniartzki. „Das bedeutet, er ist wie der Punk aus verdichteten lokalen Strukturen hervorgegangen, war aber politisch und sozial offener – allerdings nicht zwingend unpolitisch, wie beispielsweise der Ende der 1980er Jahre entstandene Grindcore beweist, der sich unter anderem durch sozialkritische linksorientierte Texte auszeichnete.“
Trotz aller Unterschiede revitalisierte ausgerechnet der Punk den Heavy Metal und verhalf ihm schließlich zu seiner Vielfalt. Denn nach einer ersten Hochphase der „harten Musik“ Anfang der 1970er Jahre gründeten sich vor allem zwischen 1979 und 1984 sehr viele neue Bands. „Gruppen wie Saxon, Diamond Head oder Iron Maiden stehen dabei für die sogenannte ‚New Wave of British Heavy Metal‘, in der man sich szeneökonomisch umorientierte und durch Bands wie Venom oder Raven die Grundlage für aggressivere Stile wie den Thrash oder Black Metal legte“, informiert Swiniartzki.
In den frühen 1980er Jahren kristallisierten sich dabei verschiedene regionale Metal-Szenen heraus – etwa in und um New York, San Francisco, Birmingham oder im Ruhrgebiet, in den späten 1980er Jahren dann in Stockholm, Tampa in Florida und Oslo. An all diesen Orten entstanden dabei ähnliche Strukturen: „Mit dem Punk kam auch der ,Do-it-yourself-Ansatz‘ in die Musik. Die Bands veröffentlichten ohne große Plattenfirmen, kleine spezialisierte Plattenläden prägten ganze Regionen und in den regionalen Szenen entstand ein Netz an Musikern, Produzenten und Auftrittsorten“, sagt der Jenaer Historiker. „Außerdem kommunizierten die Bands und ihre Fans über sogenannte Fanzines – also kleine selbst herausgegebene Zeitungen – und sie tauschten Kassetten untereinander aus, mitunter über den gesamten Globus. Viele Künstler arbeiteten nebenbei in normalen Berufen, da sie von ihrer Musik nicht leben konnten und das auch teilweise nicht unbedingt anstrebten.“
Wie die sozialen und ökonomischen Netzwerke in den unterschiedlichen Regionen aussahen, das will Marco Swiniartzki in den kommenden drei Jahren unter anderem direkt vor Ort erfahren. Dass er selbst seit vielen Jahren Fan der harten Musik ist, sieht er dabei durchaus als Vorteil, auch wenn er um die Gefahr weiß, bei der wissenschaftlich objektiven Untersuchung der eigenen Leidenschaft die Distanz zu verlieren. „Im Zentrum meiner Arbeit werden – neben einem kollektivbiografischen Ansatz – vor allem Interviews mit Zeitzeugen und direkt Beteiligten stehen“, erklärt er seinen Oral-History-Ansatz. „Und da Metal als Musikrichtung polarisiert, ist es für die Gespräche hilfreich, auch die Innenansicht eines Fans zu kennen. Außerdem ergeben sich so eventuell leichter Kontakte.“ Mit seiner Forschung möchte der Historiker der Universität Jena dabei nicht nur die Sozialgeschichte einer Musikrichtung aufarbeiten, sondern auch ganz allgemein das Phänomen einer kulturellen Globalisierung näher ergründen.
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