Zwei der besten deutschen Forscher kommen aus Jena: Leibniz-Preise gehen an die Professoren Johannes Grave und Markus Reichstein

06.12.19 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENA, WISSENSCHAFT, MEDIZIN & TECHNIKKommentare deaktiviert für Zwei der besten deutschen Forscher kommen aus Jena: Leibniz-Preise gehen an die Professoren Johannes Grave und Markus Reichstein

Die Leibniz-Preisträger 2020 Prof. Dr. Johannes Grave (rechts) und Prof. Dr. Markus Reichstein. – Foto: FSU Jan-Peter Kasper

(Axel Burchardt) – „Der Leibniz-Preis ist fast so etwas wie ein kleiner Nobelpreis. Und wenn zwei dieser Preise in einem Jahr an Professoren der Friedrich-Schiller-Universität vergeben werden, dann beweist das unsere Forschungsstärke und spornt an, unsere Strategie wei­ter­zuverfolgen“, sagt der Präsident der Universität Jena Walter Rosenthal und ergänzt: „Mein Glückwunsch geht an Johannes Grave und Markus Reichstein für ihre ausge­zeichneten Forschungsleistungen.“

Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Johannes Grave und der Biochemiker Prof. Dr. Markus Reich­stein gehören zu den diesjährigen Preisträgern des Gottfried Wilhelm Leibniz-Programms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die DFG gab gestern die Na­men der insgesamt zehn ausgezeichneten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bekannt, die aus 114 eingereichten Vorschlägen ausgewählt wurden. Die Preisträger erhalten jeweils eine Fördersumme in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Die finanziellen Mittel können die Leibniz-Preisträger für Forschungsarbeiten in einem Zeitraum von sieben Jahren flexibel einsetzen.
Wie man ein Bild sehen kann

Prof. Dr. Johannes Grave ist erst der dritte Kunsthistoriker, der diese Auszeichnung seit ihrer Einführung im Jahr 1986 erhält. Er wechselte in diesem Jahr von der Uni Bielefeld auf die Professur für Neuere Kunstgeschichte mit Schwerpunkt Europäische Romantik der Universität Jena. Zu seinen For­schungs­schwerpunkten gehören bildtheoretische Fragen und die Zeitlichkeit der Bildbetrachtung. „Wenn wir uns Bilder anschauen, sehen wir nie­mals alles auf einen Schlag, sondern ma­chen nach und nach unterschiedliche, manch­­mal widersprüchliche Beobachtungen“, er­klärt der Kunsthistoriker. „Schon nach einem kurzen Moment kann es sein, dass wir uns nicht mehr auf die gemalten Figuren, sondern auf die Pinselstri­che konzentrieren. Viele Bilder machen sich genau das zunutze. Indem sie uns in diese zeitlichen Wahrnehmungs­prozesse verstri­cken, können sie schließ­lich Macht über uns gewinnen.“ Und so unter­sucht Grave, wie Bilder diese Macht ausüben und warum sie individuell unterschiedlich wirken.

Neben seiner Arbeit als Universitätsprofessor will sich Grave, der schon seit einigen Jah­ren mit der Klassik Stiftung Weimar zusammen­arbeitet, auch in die Thüringer Museums­land­schaft einbringen. Dort will er sich mit dem Fachwis­sen aus seinem zweiten For­schungs­schwerpunkt, der kulturgeschichtlichen Epoche der Goethezeit und der Romantik, engagieren. „Für diese Zeit sind Weimar und Jena unglaub­lich wichtig gewesen. Und viel Material befindet sich vor Ort, das noch lange nicht er­schöp­fend erforscht ist.“ Der Leibniz-Preis gibt ihm die Mittel und Gelegenheit dazu. „Ich verstehe diese Auszeichnung als Ansporn, weiter daran zu arbeiten, das Nachdenken über allgemeine bildtheoretische Fragen mit differenzierten kunsthistorischen Studien über ein­zelne Werke zu verbinden. Der Leibniz-Preis schafft dabei ideale Rahmenbedingungen, um den Blick zu weiten und neben der deutschen Kunst der Romantik auch andere europäi­sche Romantiken zu untersuchen.“

Prof. Dr. Markus Reich­stein ist seit 2012 Direktor und Wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Biogeochemie und seit 2014 Honorarprofessor für Globale Geoökologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er erforscht, wie der Austausch von Energie, Wasser und Kohlenstoff zwischen der Landoberfläche und der Atmosphäre auf globaler Ebene erfasst und verstanden werden kann. Reichstein verwendet hierfür neuartige Verfahren, die Ökologie und Künstliche Intelligenz (KI) verknüpfen. Daher ist es wenig verwunderlich, dass er zu den Mitbegründern des Michael Stifel Zentrums für Daten- und Simulationswissen­schaften Jena (MSCJ) zählt. Im Besonderen untersucht Reichstein, wie diese Austausch­prozesse durch die natürliche Variabilität des Klimas sowie durch Einflüsse des Menschen verändert werden.

Hier setzte der 47-jährige Wissenschaftler neue Maßstäbe durch bahn­brechende Erfolge bei der Zusammenführung globaler Daten von Messtürmen und der Weiterverarbeitung der neuen Produkte mit anderen Datenströmen, zum Beispiel aus der Fernerkundung. Hieraus entstanden Modelle, mit denen der Stoffaustausch zwischen der Landoberfläche und der Atmosphäre auf lokalen bis hin zu globalen Skalen extrapoliert wird. Mit dieser Methodik veröffentlichte Reichstein mit seinen Kollegen erstmalig globale Ab­schätzungen zur pflanzlichen Biomasseproduktion, sie erkannten aktuelle Trends in der weltweiten Wasserverdunstung und sie zeigten, wie extreme Wetterereignisse das Ge­samt­verhalten der globalen Kohlenstoff- und Temperaturzyklen beeinflusst.

„Es ist ein schönes Zeichen, dass die Erdsystemwissenschaft ausgezeichnet wurde, die mindestens auf Augen­höhe mit anderen klassischen Wissenschaften agiert“, freut sich Reichstein. Das Preisgeld will er u. a. einsetzen, um „interdisziplinär mit Klimawissenschaftlern, Ökologen und Sozial­wissenschaftlern an Klimaextremen und ihren vielfältigen Herausforderungen zu arbeiten“.





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