Simon Runkel ist neuer FSU-Professor für Sozialgeographie und „Crowd Management“
(Till Bayer) – Seit einiger Zeit duftet es in den Innenstädten wieder nach Glühwein, gebrannten Mandeln und anderen Leckereien. Die Weihnachtsmärkte haben geöffnet und locken zahlreiche Besucherinnen und Besucher an, die sich dicht an dicht um die Buden drängen. Für die Veranstalter der Märkte sind die Menschenmengen, die dabei auf engstem Raum zusammenkommen, eine echte Herausforderung.
„Weihnachtsmärkte brauchen ein gutes Crowd Management, das die Sicherheit und das Wohlbefinden aller Anwesenden gewährleistet“, sagt Prof. Dr. Simon Runkel. Der 34-Jährige ist neuer Professor für Sozialgeographie an der Universität Jena; er forscht zur Räumlichkeit sozialer Kollektive und Gemeinschaften. Unter dem Begriff Crowd Management versteht Runkel alle Maßnahmen zur räumlichen Organisation großer Menschenmengen – nicht nur bei Weihnachtsmärkten, sondern auch bei anderen Großereignissen wie Musikfestivals oder Fußballspielen.
Wer solche Veranstaltungen plant, muss viele wichtige Entscheidungen treffen: Wie viel Sicherheitspersonal kommt zum Einsatz? Wo befinden sich die Ein- und Ausgänge? Und wie kommunizieren die Veranstalter im Notfall mit der Menge, durch Schilder oder mithilfe von Lautsprechern? Allgemeingültige Antworten gibt es nicht: „Wie all diese Maßnahmen umgesetzt werden, hängt von vielen Faktoren ab, wie der Art des Events, der Besucheranzahl oder der Lokalität“, erläutert Runkel. „Es macht einen großen Unterschied, ob 5.000 Menschen zu einer Demonstration in eine Großstadt oder in eine Kleinstadt kommen.“
Als Sozialgeograph interessiert sich Runkel aber nicht nur für die organisatorischen Details, sondern auch für die veränderten Gefühlslagen der Besucherinnen und Besucher. „Die Wahrnehmung des Einzelnen in der Masse spielt eine große Rolle“, erklärt der Experte für Risiko- und Sicherheitsforschung. „Unterschieden werden muss zwischen einer objektiven Sicherheitslage und der gefühlten Sicherheit, die als gemeinsam geteilte Atmosphäre erlebt wird.“
In einer gemeinsamen Studie mit Forschern aus Großbritannien und Frankreich stellte Prof. Runkel fest, dass in ganz Europa – bedingt durch Terroranschläge der vergangenen Jahre – immer komplexere Sicherheitstechnologien im öffentlichen Raum zum Einsatz kommen. Dazu zählt beispielsweise die Crowd-Sensing-Technologie, die das Verhalten einer Menschenmenge mithilfe von Daten überwacht, die von Smartphones versendet werden.
Zudem fanden die Forscher heraus, dass immer mehr Menschen das bewusste Bad in der Menge meiden und vielleicht gerade wegen der zunehmenden Sicherheitsmaßnahmen Angststörungen entwickeln. „Im europäischen Ausland werden immer häufiger versteckte oder spielerische Lösungen eingesetzt, um die Wohlfühlqualität in Städten zu wahren“, so Runkel. „Es besteht allerdings die Gefahr, dass mit stärkeren Sicherheitsvorkehrungen auch Freiheiten eingeschränkt werden.“
Simon Runkel, der aus dem nordrhein-westfälischen Siegen stammt, studierte Geographie, Friedens- und Konfliktforschung, Psychologie und Kunstgeschichte an den Universitäten Marburg, Bonn und der University of California in Los Angeles. Für eine Arbeit zum Thema Crowd Management erhielt er im Jahr 2015 den Doktorgrad. Parallel zu seiner Promotion sammelte er praktische Erfahrungen: Er arbeitete für ein privatwirtschaftliches Ausbildungs- und Beratungsunternehmen, das spezielle Trainings für Veranstaltungssicherheit anbietet. Bevor er nach Jena kam, forschte und lehrte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Heidelberg, Bonn und Siegen.
In Jena fühlt sich der junge Geographie-Professor bereits heimisch. „Man merkt ganz deutlich, dass sich hier etwas bewegt“, findet Runkel. „Besonders gefällt mir, dass sich so viele junge Menschen politisch engagieren.“
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