Will Zschäpe ihre Anwälte loswerden, weil sie im „NSU“-Prozess endlich reden möchte?

16.07.14 • JEZT AKTUELL, STARTKeine Kommentare zu Will Zschäpe ihre Anwälte loswerden, weil sie im „NSU“-Prozess endlich reden möchte?

JEZT - Beate Zschäpe im Gerichtssaal in München

(JEZT / TIM SCHWARZ | 2014-07-16) – In Kreisen des Untersuchungsgefängnisses Stadelheim kursiert derzeit die Geschichte, dass Beate Zschäpe, Gefangene aus Haus 15, Abteilung 107, „absolut sauer“ auf ihre drei Anwälte sei, weil diese Zschäpe gebeten haben sollen, vorerst keine weiteren Anträge an die Gefängnisleitung zu schreiben.

Bisher soll es etwa zwanzig schriftliche Hilferufe an die Leitung in Stadelheiim gegeben haben, anfangs in eher nettem Ton verfasst („…habe mir nach sechsmonatiger Inhaftierung einen weiteren Lockerungsschub erhofft. Würde mich freuen, mehr in das Gesellschaftsleben meiner Abteilung integriert zu werden…“), spätere eher bestimmt und fordernd in Richtung der Gefängnisleitung („…meine Geduld hinsichtlich der Beobachtungsaufhebung restlos aufgebraucht… / … akzeptiere ich keine weiteren Ausflüchte“). Sämtliche ihrer schriftlichen Anträge aus dem Untersuchungsgefängnis Stadelheim liegen dem Münchner Oberlandesgericht vor, das sich aufgrund der schriftlichen Äußerungen der Angeklagten ein Bild von ihr machen will und wird, was ihren Anwälten missfallen muss.

Zschäpes Verteidigung, die Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm, müssen in solchem Verhalten eine Beschädigung ihres Bildes, das sie von der Hauptangeklagten im „NSU“-Prozess zu erzeugen versuchen, erkannt haben. Aus ihrer Sicht ist Beate Zschäpe keine Führungsfigur des Terror-Trios gewesen, allenfalls eine Mitläuferin, die Hausfrau im „NSU“-Gefüge, ergo eine Person ohne großen eigenen Antrieb.

Gestern erst sagte Tino Brandt, der frühere Chef des rechten „Thüringer Heimatschutzes“ vor dem OLG München aus und berichtete, dass Zschäpe „keine dumme Hausfrau“ gewesen sei, eher ein Mensch, der sehr wohl in der Lage gewesen wäre, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Und heute ist eben genau dies eingetreten: die Hauptangeklagte bewies erstmals vor Gericht – und dies mehr als deutlich – vor aller Augen (auch unter denen des vom Gericht bestellten Psychologen Henning Saß, der sie einzuschätzen hat)  wie eigenständig sie zu handeln in der Lage ist, und entzog ihren Verteidigern das Vertrauen.

Dabei ging es natürlich nicht um die Anträge aus der Uuntersuchungshaft sondern ganz augenscheinlich um das Zschäpe von Heer, Stahl und Sturm auferlegte Schweigegebot. Mehrfach sah man am Vortag Zschäpe unruhig werden, als Tino Brandt, der V-Mann-„Verräter“ aus der rechten Szene, von seinen einstigen Kameraden und der Kameradin Zschäpe berichtete. Es hatte den Anschein, als wolle sie Dinge aus Brandts Aussagen richtig stellen, auch weil Brandt der erste Zeuge aus der rechten Szene war, der selbst nicht über Erinnerungslücken klagte und/oder nicht aussagen wollte.

Im Gegenteil: aus Brandt sprudelten die Aussagen zeitweise wie aus einer Quelle hervor. Ausführlich erläuterte er dem Gericht die „Kameradschaft Jena“, einer Untergruppe des „Heimatschutzes“, der neben den beiden verstorbenen „NSU“-Terrosisten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die in München Angeklagten Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben sowie Holger Gerlach und Carsten Schltz angehörten. Brandt beschrieb die Kameradschaft als zwar zahlenmäßig kleinen, dafür aber „elitären, ideologisch gefestigten“ Verbund, „ganz im Gegensatz zu anderen Kameradschaften“. Brandt: „“Die Jenaer brauchten keine weltanschauliche Schulung…“, denn für Zschäpe und die anderen habe „Qualität statt Quantität“ gegolten. Selbstverständlich seienalle  „hundertprozentig überzeugte Kameraden“ gewesen, die dem Nationalsozialismus und dessen „Idealen“ nahegestanden und so manches Ding „konspirativ durchgezogen“ hätten, sagte Brandt.

Genau hier wollte Beate Zschäpe wohl einige Dinge klarstellen. Schon lange vor Prozessbeginn hatte sie zu einem der Ermittler gesagt, sie habe sich nicht gestellt, um nicht auszusagen. Denkbar ist, dass genau dieser Konflikt mit ihren Anwälten nun dazu führte, dass Beate Zschäpe völlig überraschend ihrer Verteidigung das Vertrauen entzog. Und das heißt im grunde nichts anderes als, dass sie endlich in München ihr Schweigen brechen will.





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