„Das Leben ist ein Selfie“ – Der gnadenlose Faktencheck von Jenareporterin Jane Napoli (Teil 5)
Das herzallerliebste Orientalische Zackenschötchen stellt für einige Menschen in Jena ein großes Problem dar. Angeblich soll es den Tod des Abendlandes einläuten, weshalb eine Allianz aus Naturfeinden die Aktion PAGODE (für: „Patriotische Abendländer gegen die Orientalisierung der Erde“) gegründet hat um dem lieblich anzuschauenden osmanischen Pflänzlein den Garaus zu machen. Das ist natürlich demagogischer Bullshit – ganz so als bestehe Alexis Zipras darauf, deutsche Sparschweine zu konfiszieren, wenn diese in blau-weiß angemalt sind: den griechischen Landesfarben.
„Die Zauberin von OZ“, wie ich das Orientalische Zackenschötchen inzwischen nenne wenn ich auf Feld und Flur persönlich mit ihm spreche, ist nämlich von Natur aus gar nicht böse. Oder invasiv. Sie ist einfach nur „auf Zack“ und breitet sich gerne aus. Zudem ist „Ozzi“ sehr nahrhaft, denn die jungen, noch zarten Triebe können gekocht oder auch als Salat verzehrt werden. Lecker!!! Und es gibt noch mehr aufregende Rezepte. So wird in Kennerkreisen die einjährige Wurzel wie Meerrettich verwendet. Asiatische Mediziner konstatieren dem Orientalischen Zackenschötchen sogar eine besonders heilsame Wirkung.
Aber damit soll ja nun bald Schluss sein, denn PAGODE will die totale Vernichtung des Orientalischen Zackenschötchens. Schauen Sie sich nur einmal das wunderschöne Foto weiter unten an, das ich von „Ozzi“ gemacht habe. Sieht es darauf nicht wirklich lieb und unschuldig aus? Genau.
Aber was muss ich da von den tumben Mitläufern der PAGODE lesen: „Es sollte verhindert werden, die Zackenschötchen zur Samenreife kommen zu lassen. Dafür ist es notwendig, die Pflanzen gegen Ende der Blütezeit zu mähen, etwa in der zweiten Maihäfte. Um eine Nachblüte zu verhindern, sollte dies Anfang Juli wiederholt werden.“
Jetzt im Juli droht also die Massenvernichtung der „Zauberin von OZ“. Und so ziehen sie los: Tarngrüne Scharen wild gewordener hyperaktiver Ausrotter, bei denen die linke Hand nicht weiß, was mit der rechten schon alles ausgerissen wurde. Pflanzensaft, das Blut der Flora, klebt an ihren Fingern. Nur selten sieht man Türken in ihren Reihen. Und während ihre Redensführer eifrig im Stadtrat Politik gegen „Ozzi“ machen und immer mehr Rupfer und Mäher mit ins Boot holen, bunte Faltblätter drucken und verteilen, stirbt das Zackenschötchen langsam aber sicher aus.
Ich jedoch sage: Das kann es doch nicht gewesen sein mit unserer Verantwortung für die Vielfalt der Natur. Das Orientalische Zackenschötchen gehöre zu den sog. Neophyten, dies seien Pflanzen, die durch Menschen in das Abendlan eingeschleppt worden seien, sagen die Feinde von „Ozzi“. Aber HALLO: auch Rosskastanie, Orchidee, Tulpe und Kartoffel sind keine einheimischen Pflanzen!
Müssen wir in Zukunft also befürchten, dass PAGODE als neues Ziel die Ausrottung von Kartoffel und Orchidee mit Stumpf und Stiel fordern wird? Was würde das für einen Aufschrei der Naturschützer und der hungrigen Menschen hervorbringen. Deshalb werde ich jetzt „GZSZ“ gründen, die „Gesellschaft zum Schutze des Zackenschötchens“. Denn wenn wir nicht aufpassen, fordert PAGODE nächste Woche gleich noch die Vernichtung des Japan-Staudenknöterich, des Götterbaums und des Drüsigen Springkrauts mit.
Eure Jane
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