„Welcome to The German Century“: Ist Deutschland wirklich so stark, wie es derzeit dargestellt wird?
(JEZT / NEWSWEEK / SPIEGEL | 2014-07-23) – Der WM-Titel der DFB-Elf, Erfolge in der Formel 1 und der Tour de France, das deutsche Verhalten in der Euro-Krise oder wirtschaftliche Positivmeldungen lassen ausländische Medien derzeit über die herausragenden Qualitäten der deutschen „Mensch-Maschine“ schwärmen, wie etwa die europäische Ausgabe des US-Nachrichtenmagazins „Newsweek„.
Gerade dieser Artikel spitzt alles auf die „typisch deutsche“ Verhaltensweise „Problem erkennen, analysieren und final lösen“ zu und spielt hier zuerst auf das frühe Ausscheiden der DFB-Elf („Rumpelfüßler“) bei der Europameiterschaft 2000 an, nach deren Ende der Deutsche Fußball Bund „a lot of money“ in die Hand genommen habe, um die Ausbildung des Fußball-Nachwuchses zu inztensivieren. Und siehe da, so zeigt „Newsweek“ auf: 14 Jahre später ist der WM-Titel da.
Autorin Rose Jacobs sucht und findet dieses Denken und Handeln auch in völlig anderen Bereichen des bundesdeutschen Leben, etwa in der Elternzeit. Diese gebe jetzt auch Vätern den Anreiz gebe, sich familiären Pflichten zu widmen. Ein Sieg von Staats wegen sei das für die feministische Bewegung, so „Newsweek“, von dem Frauen in anderen Ländern nur träumen könnten. Odes was sei mit Gerhard Schröders „Agenda 2010“? Die habe, so Jacobs, zu einer wirksamen Zusammenarbeit zwischen Gewerkschatften und Arbeitgebern geführt, wogegen diese sich nur wenige hundert Kilometer weier in Frankreich regelmäßig bis aufs Messer bekämpfen würden. „Die Deutschen“ hätten eben außergewöhnliches Geschick darin, Probleme konsequent anzugehen, so die „Newsweek“-Autorin.
Auch der SPIEGEL hat sich mit der international grassierenden Deutschland-Euphorie befasst und kam zu einem ähnlichen Ergebnis. So habe der britische „Guardian“ seinen Online-Lesern bereits wenige Minuten nach dem Ende des WM-Finales mitgeteilt, der Gewinn des FIFA-Titels bestätige „Deutschlands Überlegenheit in fast allen Belangen“, denn „der kranke Mann Europas“ aus dem Jahre 2000 habe sich neu erfunden. Weiter zitziert der SPIEGEL den „Guardian“ mit der Feststellung, auch die deutschen Arbeitsmarktreformen seien, verglichen mit Großbritannien, auf „eine sanfte Art und Weise“ erfolgt. Ebenfalls im „Guardian“ erschien, so der SPIEGEl in seinem Artikel, nur wenige Tage später ein Tipp von Steward Wood, dem Berater des Labour-Chefs Ed Miliband: „Flüster es leise: Es ist okay, Deutschland zu mögen„.
Ebenfalls in die gleiche Richtung geht laut SPIEGEL „The Economist“ mit seinem Bericht „Many countries want a Mittelstand like Germany’s“ in dem eine Reihe bereits bekannter deutscher Tugenden der deutschen Mittelstands aufgelistet werden, die mit dazu beigetragen hätten, die Anzahl von deutschen Weltmarktführern in Hochtechnologienischen so hoch werden zu lassen. Nicht zuletzt das System der Berufsausbildung werde inzwischen bereits von US-amerikanischen und chinesischen Firmen kopiert, so der „Economist“ in seinem Bericht.
Allerdings erdet Steward Wood in seinem „Guardian“-Beitrag die ganze Situation auch wieder etwas, da er sagt: Großbritannien brauche nun natürlich nicht exakt so zu werden wie Deutschland, denn, so Wood, „…being inspired by Jethro Tull’s music doesn’t make me want to grow a beard, stand on one leg and play the flute“ – frei übersetzt: Wenn man Jethro Tull mag, muss man sich nicht gleich „einen Bart wachsen lassen und auf einem Bein stehend Flöte spielen“. Wohl wahr.
Bei aller Bewunderung: Die Deutschen scheinen den Briten offenbar immer noch reichlich skurril.
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