„Was macht den Menschen zum Menschen?“: Dr. Daniel Haun ist neuer Professor für Entwicklungspsychologie der FSU Jena
(JEZT / FSU | 2014-07-29) – „Menschen sind viel stärker von ihrer Kultur geprägt, als wir oft annehmen“, ist Prof. Dr. Daniel Haun (Foto) von der Friedrich-Schiller-Universität Jena überzeugt.
Der neue Lehrstuhlinhaber für Entwicklungspsychologie denkt dabei z. B. daran, dass Menschen aus verschiedenen kulturellen Kontexten sich nicht nur in ihren Gewohnheiten, Normen und Werten unterscheiden, sondern auch darin, wie sie ihre Umwelt wahrnehmen und verarbeiten. „Menschen aus verschiedenen Kulturen sind sich durchaus uneinig darüber, ob zwei Linien gleich lang sind oder nicht, ob Blau und Grün die gleiche Farbe sind, oder ob acht Steine mehr sind als sieben Steine“, sagte Haun, denn diese kulturellen Unterschiede und Variablen erforscht der 36-jährige, gebürtige Bad Kreuznacher.
„Wenn man sich den Menschen genauer betrachtet, ist er schon eine eigenartige Kreatur. Ich finde ihn spannend“, nennt der Wissenschaftler den Grund für seine wissenschaftliche Leidenschaft. Hauns Forschungsspektrum ist weit: Er will verstehen, was den Menschen zum Menschen macht, was angeboren und was beeinflussbar ist, wie der Mensch sich verstehen lässt, wie sich seine kognitiven Fähigkeiten, sein soziales Verhalten und seine kulturelle Integration entwickeln – und dies über Ländergrenzen und Populationen hinaus. Und dafür verlässt er auch schon einmal die menschliche Spezies und widmet sich den Menschenaffen.
„Erst im Vergleich mit anderen, nah verwandten Arten werden die Besonderheiten des Menschen sichtbar“, erklärt Haun. „Auch Schimpansen haben Kultur. Aber die menschliche Kultur hat eine grundlegend andere Struktur. Ich möchte wissen, warum.“ Und so ist es nicht verwunderlich, dass Haun und sein Team sich manchmal monatelang bei ihrer Feldforschung auf die Spuren von Affen und menschlichen Ureinwohnerkulturen in Südamerika, Afrika und Südostasien begeben. Ebenso wenig überraschend ist es, dass seine Räume oftmals voller Kleinkinder stecken. Denn gerade im Kleinkindalter wird der Einfluss der kulturellen Variabilität am deutlichsten und so interessiert es den Neu-Jenaer etwa, wie Zweijährige mit Gleichaltrigen interagieren. „Im Alter von 0 bis 7 Jahren ist das Spannungsfeld zwischen den frühen Eigenschaften des Individuums und dem kulturellen Kontext am größten“, weiß der international tätige Forscher, der mit seiner Partnerin und zwei Kindern noch in Leipzig wohnt.
Prof. Haun war bereits in den USA, in den Niederlanden, in Großbritannien und zuletzt als Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig und am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen tätig, bevor er nach Jena wechselte. Und hier machen ihn nicht nur seine Tattoos und sein Forschungsfeld zu etwas Besonderem. Auch seine Einstellung, dass Biologie und Anthropologie „Schwesterfächer der Psychologie“ sind, teilen nicht alle Wissenschaftler. Und so beruhte die Entscheidung unter mehreren Rufen für Jena auch darauf, dass die Friedrich-Schiller-Universität ihn unterstütze, „obwohl ich nicht im Standardrepertoire der Psychologie arbeite“.
Als Paradiesvogel sieht sich der Hobby-Schlagzeuger allerdings nicht – und hat damit Recht. Prof. Haun ergänzt das breite Spektrum der Jenaer Universität, an der er zahlreiche Anknüpfungspunkte auch in anderen Fächern findet. Diese breite Grundeinstellung will er auch seinen Studierenden vermitteln: „Neben den Grundlagen sollen Studierende die Perspektive erwerben, dass der Mensch auch nur eines der vielen Tiere ist, die die Welt bevölkern, wenn auch eines der spannendsten. Zum Beispiel zeigt kein anderes Tier eine so ausgeprägte kulturelle Variabilität“.
Diese zu erforschen und zu verstehen, das werden Prof. Haun und sein Team von Jena aus demnächst in der ganzen Welt. Haus: „Ich sehe den Menschen vor mir – haarlos, aufrecht, gedankenverloren, selbstverliebt und vor allem kulturbegabt. Ein lustiges Geschöpf. Ich möchte verstehen, was ihn im Kern ausmacht. Sie nicht?“
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