Rainer Sauer „Mein Vierteljahrhundert in Jena“ – Teil 2: Die Stadt der Gründer und Lenker
Seit bald einem Vierteljahrhundert ist Jena meine Heimat geworden und so denke ich auch heute wieder zurück in der Zeit, angefangen bei der Nachwende bis ins aktuelle Jena. Und es wird klar: Thüringen und sein Leuchtturm an der Saale sind immer noch ein Ort, an dem man nicht nur Dichter und Denker sondern auch Gründer und Lenker findet. Im ersten Teil meiner Retrospektive schrieb ich: Der Mensch lebt nicht vom Geld alleine. Und das war auch schon immer so bei uns in Jena.
Heute ist der 1. Dezember und an diesem Tag hatte ein Mann Geburtstag, für den Geld nicht so wichtig war, der Jena aber nach der Wende mit Ideen und Idealismus geprägt hat, bis zu seinem viel zu frühen Tod: Norbert Reif. Dass sich der Vorplatz am Theaterhaus Jena in jedem Sommer in eine „Kulturarena“ verwandelt, ist diesem Mann zu verdanken, der im gleichen Jahr von Hessen aus nach Jena kam wie ich. Reif war Jenas Kulturamtsleiter, residierte mit seinem Team in der Zwätzengasse und hatte Ecken und Kanten – also alles, was einen guten Kulturmenschen auszeichnet. Er pflanzte damals eineIdee in die Köpfe der Stadtverordneten, nämlich etwas, was es zu vor in der Dokumenta-Stadt Kassel gab, an die Saale zu exportieren und hier zu einen Jenaer Eigengewächs zu domestizieren: ein jährliches Kulturfestival.
Es war damals keine einfache Zeit für derartige Projekte. Zwar war der Enthusiasmus, der solchen Ideen entgegengebracht wurde, groß, jedoch das Geld knapp und in der Stadtverwaltung, mit ihren damals noch knapp 40 Ämtern und 13 Dezernaten (und Dezernenten) gab es konkurrierende Vorstellungen, was man mit dem vielen Geld für ein solches „vergängliches“ Festival (heute würde man damit kaum die erste von acht Arena-Wochen finanziert bekommen) viel besser anfangen könnte. Aber Norbert Reif hielt der steifen Brise stand und setzte seine Vision einer „Rock’n’Roll Arena in Jena“ durch – im Gespräch mit mir gab er 1999 durchaus die Querverbindung des „Kulturarena“-Namens mit dem Udo Lindenberg Song zu. Unterstützt wurde er in seinem Bemühen durch einen Freund aus alten Kasseler Zeiten: Musikmanager Lutz Engelhardt, der künstlerischer Leiter wurde und heute noch der „Kulturarena“ seinen Stempel aufdrückt.
Aber Reifs Wessi-Seilschaft weckte auch den Argwohn einiger Mitstreiter im Kulturbereich, aber auchandere Dinge kamen hinzu – Reif war eben ein Mensch mit Kanten und Ecken. So kam der „Kulturarena“-Macher ins Stolpern, strauchelte und als er um Hilfe bat, da wandten sich einige wichtige Unterstützer urplötzlich von ihm ab. Nur wenige Wochen nach unserer Radio Jena Sendung zur Geschichte der „Kulturarena Jena“ im Sommer 1999 wurde Norbert Reif seiner Ämter enthoben. Höchst umstritten war damals die Begründung der Stadt Jena für die Kündigung ihres Kulturamtchefs: von unerlaubte Nutzung von Dienstfahrzeugen und angeblicher Veruntreuung von Stühlen des Theaterhauses war die Rede. Reif – damals bereits im Kampf mit einer heimtückischen Krebserkrankung – ließ die Stadt von seinen Anwälten vor Gericht zerren, war aber bereits zu schwach, um die Genugtuung, dass man dort seine Ehre wieder herstellen konnte, anzunehmen. Kurze Zeit später erlag dieser Jenaer Gründer und Lenker, den ich hier und heute stellvertretend für viele andere erwähnt habe, seiner schweren Krankheit.
„Erfolg ist so ziemlich das letzte, was einem vergeben wird.“ – Diese Weisheit von Truman Capote galt auch für Norbert Reif . Mit seinem langjährigen Freund Kristian Philler und Dr. Thomas Nitzsche (der auch an einem 01. Dezember geboren wurde) stand ich heute an seinem Grab auf dem Jenaer Ostfriedhof und wir tranken einen guten schottischen Whisky auf Norberts Wohl und auf seine „Kulturarena“, die 2016 mit Ausgabe Nr. 25 ihr „Vierteljahrhundert in Jena“ feiert. Einem Jahr, in dem Reif selbst sein 70. vollendet hätte.
In diesem Sinne
Ihr
Rainer Sauer
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